16.10.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 60 / Tagesordnungspunkt 4

Alexander DobrindtCDU/CSU - Digitale Agenda 2014 bis 2017

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns bei den Diskussionen der vergangenen Wochen und Monate über die Digitale Agenda der Bundesregierung von einem zentralen Leitgedanken führen lassen: Wir wollen die Stärken der sozialen Marktwirtschaft nutzen, um die digitale Revolution zu gestalten. Deutschland hat eine Chance auf ein digitales Wirtschaftswunder. Das muss der Auftrag sein, den wir hier erledigen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wenn man die Entwicklungen der letzten Monate beobachtet, dann wird eines sehr offensichtlich: Wir stehen nicht am Anfang einer digitalen Revolution, wie viele immer wieder berichten, sondern wir stecken mittendrin in einem digitalen Wandel. Das kann man daran feststellen, dass sich die Anzahl der Patente im Bereich der digitalen Technologien seit der Jahrtausendwende verdoppelt hat, dass der Digitalisierungsanteil über alle Wirtschaftsbereiche hinweg um 25 Prozent gestiegen ist und dass die weltweite digitale Datenmenge in den letzten Jahren regelrecht explodiert ist; sie ist seit 2005 um das 70-Fache gestiegen.

Die Prognosen besagen, dass wir bis 2020 eine weitere Verzehnfachung und dann jedes Jahr wahrscheinlich eine Verdoppelung dieser Datenmengen erleben werden. Kurz gesagt, die Digitalisierung hat die Welt – also auch Europa und Deutschland, vor allem aber das Leben eines jeden Einzelnen – in nur ganz wenigen Jahren tiefgreifend verändert. Deswegen diskutieren wir auch ganz neue Phänomene in diesem Bereich. Ich sage sehr klar, dass die Frage der Teilhabe an der digitalen Welt bei dieser dramatischen Veränderung unserer Gesellschaft natürlich eine Frage der Gerechtigkeit geworden ist. Weiter sage ich klar, dass digitale Standortfaktoren mittlerweile genauso entscheidend für Wachstum und Wohlstand sind wie Rohstoffe, Energieversorgung und Fachkräfte.

Diese digitale Revolution hat einen gesellschaftlichen Wandel ausgelöst, der vielleicht mit der Erfindung des Verbrennungsmotors oder der des PC vergleichbar ist. Diesen Wandel müssen wir nutzen. Wir wollen ihn gestalten. Auch wollen wir Deutschland an eine internationale Spitzenposition heranführen. Im digitalen Zeitalter, meine Damen und Herren, kann das nur die größte politische Herausforderung bedeuten, der wir uns aktiv als Politik – gemeinsam mit Wirtschaft und Wissenschaft – komplett neu stellen müssen. Die gesellschaftliche Änderung braucht die politische Begleitung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Diesem Auftrag haben wir in der Bundesregierung höchste Priorität eingeräumt. Drei Ressorts setzen sich intensiv mit dem Thema der digitalen Revolution auseinander. Der Bundesminister für Wirtschaft, der Bundesminister des Innern und der Bundesverkehrsminister erarbeiten gemeinsam die Digitale Agenda. Ich möchte an dieser Stelle auch einmal einen ganz herzlichen Dank aussprechen. Sehr geehrter Herr Gabriel, wir haben gemeinsam mit Innenminister Thomas de Maizère die digitalen Phänomene und Chancen intensiv miteinander diskutiert und das Projekt der Digitalen Agenda gemeinsam begleitet. Ich kann, wenn ich sehe, wie diese drei Ressorts das in einer erstklassigen, harmonischen und auch inhaltsstarken Weise umgesetzt haben, nur sagen: In dieser Bundesregierung gibt es ein beispielhaftes Vorgehen und Zusammenarbeiten.

(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr lustig! Sehr fröhlich!)

Herzlichen Dank, lieber Herr Gabriel, für diese vertrauensvolle Zusammenarbeit!

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Wir sind gemeinsam der Meinung, dass wir in der digitalen Welt an der Spitze stehen müssen, wenn wir Wachstum und Wohlstand in Deutschland weiterentwickeln wollen. Deswegen gibt es drei ganz klare Aufgaben, die auch in der Digitalen Agenda beschrieben sind: Erstens. Wir brauchen mehr soziale Marktwirtschaft in der digitalen Ökonomie. Zweitens. Wir müssen Big Data als Chance begreifen. Drittens. Wir brauchen den flächendeckenden Zugang zu schnellen Breitbandtechnologien.

Nur wer bereit ist, diese drei Herausforderungen positiv zu begleiten und Entscheidungen zu treffen, hat eine Chance, dass der Wohlstand, den wir wollen, digital mitbestimmt ist und in Deutschland einkehrt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Die soziale Marktwirtschaft in einer digitalen Welt zu definieren, ist keine ganz leichte Herausforderung. Die Digitalisierung hat nämlich mächtige globalisierte Konzerne entstehen lassen, von denen übrigens keiner aus Deutschland, nicht einmal aus Europa kommt.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen Sie mal SAP!)

Die Treiber dieser Entwicklung sind vielleicht in Kalifornien oder China zu finden. Manche sprechen auch schon davon, wir hätten es vielleicht eher mit Monopolen als mit globalisierten Konzernen zu tun. Ich sage deswegen auch sehr klar: Man darf die Erkenntnis darüber, dass es sich um große, einflussreiche, globalisierte Konzerne handelt, nicht überhöhen, aber klar ist, dass es sich um eine handfeste Herausforderung für die Balance in unserer sozialen Marktwirtschaft handelt. Jeder, der heute erkennt, dass es einzelne Konzerne sind, die die Weiterentwicklung des Digitalen vorantreiben, weiß, dass ein Stück Wettbewerb in diesen Systemen möglicherweise fehlt. Deswegen ist das für mich eine klare Frage der Ordnungspolitik. Wir haben die Aufgabe, den Wettbewerb im Digitalen zu beleben. Wir haben die Aufgabe, den Wettbewerb zu organisieren, das Antimonopol zu stärken und selber digitales Leistungszentrum zu werden. Die soziale Marktwirtschaft stärker in das Digitale hineinbringen und den Wettbewerb fördern, das muss Aufgabe dieser Bundesregierung sein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Das gilt übrigens auch im Bereich der Sharing Economy. In Diskussionen – auch heute wieder nachlesbar – sprechen Ökonomen wie Jeremy Rifkin von einer Ablösung der marktwirtschaftlichen Gesellschaft durch eine Ökonomie des Teilens. Dazu sage ich: Diese Diagnose mag vielleicht stichhaltig sein, aber die Schlussfolgerung, die daraus gezogen worden ist, ist falsch. Die Trendwende vom Eigentum zur Nutzung ist nicht der Sargnagel der klassischen Marktwirtschaft, sondern sie ist die Chance für neue Geschäftsmodelle, neue Märkte, mehr Wettbewerb und mehr Wertschöpfung. Das kann man im Besonderen im Bereich der Mobilität sehr genau sehen. In einer aktuellen Studie von Roland Berger wird im Bereich Shared Mobility ein Wachstum von jährlich bis zu 35 Prozent vorausgesagt. Deswegen ist klar: Auch in der Sharing Economy müssen Angebot und Nachfrage zusammengebracht, Technologien und Mobilitätsangebote bereitgestellt sowie Sicherheit gewährleistet werden. Deswegen ist Sharing Economy folglich nicht das Ende der klassischen Marktwirtschaft, wie es beschrieben wird, nein, es ist eher der Beginn einer neuen sozialen digitalen Marktwirtschaft. Die gilt es, gemeinsam mit denen zu gestalten, die heute bereit sind, Sharing Economy zur Verfügung zu stellen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir bekennen uns in der Digitalen Agenda sehr klar zur Förderung jungen Unternehmertums, zu neuen Ideen und zu einem Ausbau des Gründungsgeschehens. Die Finanzierungsbedingungen für Start-ups in der Wachstumsphase zu gestalten, ist eines der Aufgabenfelder, die es zu bearbeiten gilt, wenn man die neue soziale digitale Marktwirtschaft fördern will. Denn die Monopole sind eine Herausforderung für die soziale Marktwirtschaft. Wir wollen eine wettbewerbliche Konkurrenzsituation auch für die nächsten und übernächsten Entwicklungen erhalten.

Wir haben die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs in der Digitalen Agenda eindeutig beschrieben. Wir wollen, dass Big Data die neue Wertschöpfungskette nicht nur unterstützt, sondern auch als Grundlage zur Verfügung steht. Big Data ist der Rohstoff des 21. Jahrhunderts. Die Digitalisierung ist die Veredelung dieses Rohstoffes. Die digitale Mobilität und die Vernetzung stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Wachstum an Daten, das über Mobilität generiert wird. Wer heute Big Data als Angstkulisse beschreibt, wer heute Big Data zum Angstwort macht, der hat nicht verstanden, dass zukünftig jedes Produkt 50 Prozent seines Wertes aus dem Datenanteil, aus der Digitalisierung erhalten wird. Deswegen müssen wir dafür sorgen, dass wir an der digitalen Wertschöpfung der Zukunft teilhaben. Wir dürfen uns nicht aus Angst davor der Ressource „digitale Daten“ verschließen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das klingt schon ein bisschen zögerlicher!)

Wir sind Vorreiter bei der Mobilität 4.0. Wir haben einen Runden Tisch „Automatisiertes Fahren“ ins Leben gerufen. Die meisten Daten, die in den nächsten Jahren erzeugt werden, werden in irgendeiner Art und Weise mit der Mobilität in Zusammenhang stehen. Wir planen ein digitales Testfeld Autobahn. Wir wollen sowohl die technischen als auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für automatisiertes Fahren mit entwickeln. Wir sind dabei, den Grundstein dafür zu legen, damit diese Datenflut, dieser Datentsunami, der auf uns zukommt, auch verarbeitet und transportiert werden kann. Maschinen müssen in die Lage versetzt werden, untereinander zu kommunizieren, und zwar so, dass zu jedem Zeitpunkt der schnellstmögliche Austausch von Daten stattfinden kann. Dazu brauchen wir überall in Deutschland moderne Breitbandtechnologien.

McKinsey hat in einer Studie sehr deutlich unterstrichen, dass die Datenströme auch ein wesentlicher Teil der zukünftigen Wohlstandsentwicklung sind. Es gibt diesen engen Zusammenhang zwischen Infrastruktur, Mobilität und Wohlstand. Deswegen haben wir uns zum Ziel gesetzt, bis 2018 in ganz Deutschland eine Versorgung mit einer Datenrate von mindestens 50 Mbit zur Verfügung zu stellen. Da sind wir auf einem guten Weg.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz lange auf einem guten Weg!)

Wir haben die Voraussetzungen dafür geschaffen,

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider nicht!)

dass bei der Frequenzvergabe im nächsten Jahr die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden, um den Breitbandausbau zu unterstützen.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind ja ganz neue Sachen!)

Ich habe mit der Netzallianz Digitales Deutschland, in der die Unternehmen, die investitionswillig sind, zusammengeschlossen sind, in der letzten Woche eine Vereinbarung getroffen, dass die privatwirtschaftlichen Unternehmen allein im nächsten Jahr 8 Milliarden Euro in die Hand nehmen werden, um den digitalen Ausbau in Deutschland zu fördern.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: War sowieso geplant!)

Das ist ein Gemeinschaftsprojekt zwischen Wirtschaft und Politik. Wir brauchen in jedem Ort – überall; nicht nur in den Metropolen, sondern in allen Regionen – die schnellen Breitbandverbindungen.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schön wär’s!)

Das wird mit einer großen Kraftanstrengung der Wirtschaft und durch die Unterstützung der Politik mit den nötigen Fördermitteln gelingen. Wir sind auf jeden Fall vorbereitet, damit Deutschland den Sprung in die digitale Welt schafft.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schön wär’s!)

Vielen Dank, Herr Minister. – Bevor wir mit der Aussprache fortfahren, darf ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu dem vorangegangenen Tagesordnungspunkt bekannt geben: abgegebene Stimmen 594. Mit Ja haben gestimmt 118, mit Nein haben gestimmt 475, Enthaltungen 1. Der Entschließungsantrag ist damit abgelehnt.

Wir fahren jetzt in der Aussprache fort. Ich erteile das Wort der Kollegin Halina Wawzyniak von der Linken.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3991043
Wahlperiode 18
Sitzung 60
Tagesordnungspunkt Digitale Agenda 2014 bis 2017
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