Peter TauberCDU/CSU - Digitale Agenda 2014 bis 2017
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat: Es ist eine lebhafte Debatte. Da geht es nicht nur um Krawattenfarben, lieber Kollege von Notz – auch wenn das ein Punkt in der Debatte ist, der uns beide verbinden mag –, sondern wir haben schon gehört, dass es auch in diesem Hause den Versuch gibt, die Legende fortzuschreiben, Bielefeld existiere wirklich.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es gibt also viele Anknüpfungspunkte für eine spannende und lebhafte Debatte.
Mir ist ein Punkt zu Beginn sehr wichtig – ältere Kollegen im Hause wie ich,
(Heiterkeit)
die in der letzten Legislaturperiode schon dabei waren, können das nachvollziehen –: Es wäre in der letzten Legislaturperiode wahrscheinlich nahezu ausgeschlossen gewesen, dass wir an einem Donnerstag um diese Uhrzeit in Anwesenheit von zwei Bundesministern über digitale Themen reden. Das zeigt – das ist etwas, was uns als Parlament in Gänze positiv stimmen sollte und was wir auch gemeinsam nach außen tragen sollten, auch die Kollegen der Oppositionsfraktionen –, dass die Politik in Deutschland verstanden hat, welche Weichen wir aktuell zu stellen haben. Wenn wir sagen: „Wir müssen positiv über dieses Thema reden“, und wenn wir – ich habe den Schlagabtausch zwischen dem Bundeswirtschaftsminister und dem Kollegen von Notz mit großem Interesse verfolgt – erkannt haben, dass Google-Bashing allein nicht reicht, sondern dass wir uns fragen müssen: „Was tun wir eigentlich dafür, dass das nächste Google aus Deutschland oder aus Europa kommt?“, wenn wir das verstanden haben und wissen, dass diese Debatte einen positiven Impuls braucht, und wir alle das trotz Meinungsverschiedenheiten nach außen tragen würden, dann wäre in der Debatte viel gewonnen. Dazu möchte ich auch die Kollegen aus den Oppositionsfraktionen animieren. Das, was dieses Parlament mit der Digitalen Agenda in dieser Legislaturperiode im Vergleich zur letzten auf den Weg gebracht hat, ist ein echter Paradigmenwechsel; darauf sollte das Parlament in Gänze stolz sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wenn wir einmal von der kurzfristigen Entwicklung absehen und in die langfristige Perspektive wechseln, dann werden wir feststellen: Es braucht einen langen Atem. Die Wurzeln des Silicon Valley sind 1951 gelegt worden mit der Gründung des Stanford Industrial Parks. Der erste Boom des Silicon Valley, die erste disruptive Entwicklung, begann bereits in den 70er- und 80er-Jahren; das ist dreißig Jahre her. Wenn wir wollen, dass in Deutschland und in Europa ähnliche Zentren entstehen – ob in Karlsruhe oder in Berlin –, dann müssen wir jetzt Grundlagen legen. Wir können nicht erwarten, dass so etwas schon morgen Realität wird, sondern wir müssen in anderen Zyklen denken und nachdenken. Deswegen ist es wichtig, dass wir in Europa einen gemeinsamen Datenschutz schaffen, der aber Innovationen fördert und der nicht angstgetrieben ist, der Neuerungen zulässt, der Vertrauen schafft in die Fähigkeit von Unternehmen und in die Kompetenz des Staates. Auch da habe ich ein bisschen die Sorge, dass ein Großteil unserer öffentlichen Debatte nicht den positiven Geist atmet, dass wir das gestalten können. Wir brauchen einen gemeinsamen Datenschutz in Europa. Wir brauchen eine europaweite Regelung der Netzneutralität,
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
bei der wir natürlich sagen: „Wir wollen Diskriminierungsfreiheit“; aber wir müssen doch zugleich Innovationen zulassen. Wir brauchen natürlich auch beim Urheberrecht Regelungen. Das heißt, wir haben eine volle Tagesordnung. Ich finde, die Digitale Agenda, die die Bundesregierung hier vorlegt, ist ein starker Aufschlag. Wir sollten diesen Prozess positiv begleiten.
Wahrscheinlich wird an einem Punkt ganz besonders deutlich, dass sich etwas fundamental geändert hat – einige Kolleginnen und Kollegen sind in der Debatte schon darauf eingegangen –: Wir merken diese Veränderung so deutlich wie nie – das ist wahrscheinlich auf keinem anderen Feld so –, wenn wir über Bildung reden. Der für mich entscheidende Punkt ist: Wir merken auf einmal, dass die alte Regel „Die Jungen lernen von den Alten“ so nicht mehr gilt. Gerade im digitalen Wandel erleben wir, dass es die Jungen sind, die den Älteren etwas beibringen. Dafür müssen wir offen sein, das müssen wir annehmen.
Es gibt jüngere Menschen, die diese Entwicklung vorantreiben. Die jungen Menschen gründen Unternehmen und investieren dann, wenn sie erfolgreich waren und Geld verdient haben, wieder in ihr Unternehmen. Ob jedes Mitglied des DAX-Vorstandes seine E-Mails selber liest, weiß ich nicht. Aber wenn er das nicht tut, ist die Frage: Wie will er denn dann verstehen, was in der Wirtschaft gerade geschieht? Da müssen wir anknüpfen und sagen: Wenn das der Wandel ist, dann müssen wir auch auf die jungen Menschen setzen und ihnen vertrauen.
Wenn in 20 Jahren der eine oder andere seinen Kindern die Geschichte von Lukas dem Lokomotivführer vorliest, dann bin ich mir, auch wenn heute die Lokführer streiken, ziemlich sicher,
(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Das war gestern!)
dass die Kinder fragen werden: Warum brauchte man denn damals einen Lokomotivführer? – Diesen Beruf wird es dann wahrscheinlich nicht mehr geben.
(Dagmar Ziegler [SPD]: Wenn die so weitermachen! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das erzählen Sie der Gewerkschaft heute!)
Das zeigt, vor welchen Veränderungen wir gerade stehen. Weil das ein wunderschönes Buch ist, hoffe ich, dass es dann immer noch Eltern geben wird, die diese Geschichte vorlesen. Aber das zeigt auch, dass wir an einer Schwelle stehen und wie sehr sich unsere Welt verändern wird.
Diese Entwicklung sollten wir nicht mit Sorge und Angst begleiten, sondern wir sollten die Chancen sehen. Wir werden diese Chancen aber nicht meistern, wenn wir durch unsere Gesetze – ich komme immer wieder auf den Datenschutz zurück – Regeln schaffen, die zur Folge haben, dass es bei uns keine Innovationen mehr geben wird, dass es Geschäftsmodelle und -ideen und auch Services am Ende gar nicht mehr in Deutschland und Europa geben wird; denn durch unsere gesetzlichen Regelungen machen wir sie unmöglich. Ich glaube nicht, dass es erstrebenswert ist, so ängstlich zu sein. Ich glaube, wir sollten uns alle gemeinsam ein bisschen mehr zutrauen. Durch unser Verhalten wird die Grundlage dafür gelegt, ob in Deutschland auf Dauer Wachstum und Beschäftigung gesichert werden können.
Das Ganze ist natürlich ein Wirtschaftsthema, aber es ist natürlich auch ein gesellschaftspolitisches Thema. Wir als Parlament spielen nicht nur in der Frage der Regulierung eine entscheidende Rolle, sondern wir spielen auch eine Rolle in der Frage: Trauen wir diesem Land eine positive Veränderung zu? Wenn wir bei diesem Thema permanent negativ reden: Warum soll dann jemand in diese Branche investieren? Warum soll sich ein junger Schüler kurz vor dem Ende der Schulzeit für ein Informatikstudium entscheiden, wenn wir die Perspektiven von Big Data schlechtreden? Wenn wir immer sagen: „Im Internet werden Daten immer nur missbraucht. Diese ganze Technik ist per se etwas Schlechtes“, warum soll sich dann jemand in diesem Feld eine Zukunft aufbauen? Deswegen ist es unsere Aufgabe, über Perspektiven und Chancen zu reden und zu sagen: Wir müssen da etwas tun. Da geht noch etwas, gerade für uns in Deutschland. Schließlich haben wir viele junge kluge Köpfe.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der Bundesverkehrsminister hat nicht nur während seiner Rede, sondern auch während der Debatte immer wieder einmal versonnen gelächelt; vielleicht ist er wirklich verliebt.
(Heiterkeit)
Ich finde, es gibt schlimmere Zustände; es sei ihm gegönnt.
(Alexander Dobrindt, Bundesminister: In die Grünen! – Heiterkeit)
– Ich weiß nicht, ob das nun für jemanden von den Grünen Anlass für eine Kurzintervention ist, wenn der Minister euch hier eine öffentliche Liebeserklärung macht. Das lasse ich einmal so stehen, weil ich nicht für den Minister sprechen muss, darf oder kann.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zumindest nicht in Liebesdingen!)
Wenn er verliebt ist, dann ist er wahrscheinlich, so ähnlich wie die ganze Union, in den Erfolg und ins Gelingen verliebt.
(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich sage Ihnen: Wir werden die Sache mit dem Breitbandausbau schaffen. Der Minister hat dafür unsere volle Unterstützung.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der Kollege Martin Dörmann hat für die SPD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3991184 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 60 |
Tagesordnungspunkt | Digitale Agenda 2014 bis 2017 |