Christian SchmidtCDU/CSU - EU-Verordnung über ökologische/biologische Produktion
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Danke, dass der Deutsche Bundestag in einer Stellungnahme gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes mir etwas für die Verhandlungen nach Brüssel mitgibt, und zwar einstimmig! Das ist nicht selbstverständlich. Das ist anerkennenswert und unterstreicht den Konsens, den wir in Deutschland zum ökologischen Landbau erreicht haben.
Die Zeiten des Gegeneinanders von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft sind längst vorbei. Ich bin auch gegen ideologische Gräben. Wir brauchen beide Formen der Landwirtschaft. Beide müssen viele Regeln beachten – das ist die Grundlage für sichere und gesunde Lebensmittel –, aber beide brauchen keine Überregulierung.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Willi Brase [SPD])
Die Biobranche ist eine Wachstumsbranche. Der Markt zeigt dies unzweifelhaft. Wir sind führend in Europa, was den Marktanteil der Ökobranche angeht. Sie hat zwischenzeitlich einen Jahresumsatz von etwa 7,5 Milliarden Euro erreicht und führt damit längst kein Nischendasein mehr. Sie ist ein Teil des Nahrungsmittelmarkts, die den Bedarf in sehr anspruchsvoller Art und Weise deckt. Das sind Kennzahlen des Erfolgs, der noch weiter gehen kann. Zusammen mit dem aktuellen Regionaltrend stehen die Zeichen für einen weiteren Spurt der Biobranche eigentlich gut. Ich möchte allerdings, dass das Marktpotenzial des gesamten Lebensmittelmarktes mehr von deutschen Bioprodukten beschickt wird als bisher. Hier ist noch Spielraum vorhanden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Unsere ökologische Landwirtschaft stellt sich bereits heute hohen Anforderungen, die nicht nur von den Verbrauchern, sondern auch von der Politik an sie herangetragen werden. Auch bedient sie eine überdurchschnittlich sensible Verbraucherschicht, die sehr genau darauf achtet, was ihr angeboten wird und ob alle Regeln eingehalten worden sind. Diese Auflagen bzw. Regeln werden von den Bauern bzw. den Organisationen erfüllt, denen sie weit überwiegend angeschlossen sind, sodass sie ausgezeichnete Produkte anbieten können.
Nun hat die EU-Kommission eine vollständige Revision der Öko-Basisverordnung vorgeschlagen. Normalerweise macht man dann etwas komplett Neues, wenn das Alte nicht mehr funktioniert. Jetzt frage ich mich eigentlich, was an der geltenden Verordnung, die schon jetzt wesentliche Grundlage für die Zukunft des ökologischen Landbaus ist, so fundamental nicht funktioniert. Ich meine, es gibt sehr viele Punkte, die weiterentwickelt werden müssen; aber im Kern ist die Öko-Basisverordnung nach wie vor tragfähig.
Mit dem nun vorliegenden Brüsseler Legislativvorschlag wird ein Kurswechsel – ich muss sagen: weg von der Praktikabilität – vollzogen. Ich meine, dass die Kommission weit über das gemeinsame Ziel hinausschießt, Verlässlichkeit und Verbrauchervertrauen zu sichern. Seit ich mir die Vorschläge der Kommission genauer angesehen habe – auch Sie haben das in den Beratungen und bei der Erstellung Ihres Antrags getan –, bin ich skeptisch. Die drastische Verschärfung der Produktionsvorschriften bereitet mir Sorgen. Es bereitet mir Sorgen, wenn erforderliche Flexibilitätsregelungen – beispielsweise beim Saatgut oder dem Einsatz von Zuchttieren – unreflektiert gestrichen werden sollen. Weiter geht es um die Einführung gesonderter Schwellenwerte für Rückstände bei Biolebensmitteln. Das ist ebenso problembehaftet und meiner Meinung nach nicht notwendig.
Mit solchen Maßnahmen würde die Kommission hohe Hürden aufbauen, vor denen viele im ökologischen Landbau nur kapitulieren können. Das betrifft dann die gesamte Wertschöpfungskette vom Bauern über die Verarbeitung bis zum Handel. Dieser Kommissionsentwurf birgt leider die Gefahr, dass er den Ökolandbau nicht stärkt, sondern schwächt. Das können wir nicht zulassen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])
In einer ersten Stellungnahme im Ministerrat sowie gegenüber der Kommission habe ich mich für eine gezielte, problembezogene Weiterentwicklung der Rechtsvorschriften ausgesprochen. Wir müssen dabei aber im System bleiben. Es bleibt meine Skepsis, ob das mit dem vorliegenden Entwurf wirklich machbar ist. Die gesetzlichen Vorgaben müssen erfüllbar bleiben sowie eine stabile und verlässliche Grundlage bilden. Wir brauchen die Transparenz der Kontrollsysteme. Allerdings gibt es bei den Kontrollsystemen einen Punkt, der meiner Ansicht nach zu wenig beachtet wird. Dabei geht es um die Baustelle der Drittlandsimporte. Für sie wollen wir die gleiche Sicherheit wie für Binnenprodukte.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich teile die Auffassung des Deutschen Bundestages zu den von ihm genannten Punkten, die geändert werden müssen. Auch ich bin der Meinung, dass wir die Übertragung in die horizontalen Kontrollmechanismen nicht notwendigerweise brauchen. Eigentlich brauchen wir sie gar nicht. Vielmehr sollte das bewährte System der Ökokontrollen beibehalten werden. Sollte sich zeigen, dass diese und andere Verbesserungen nicht in den bestehenden Entwurf eingepflegt werden können, muss ein völlig neuer Anfang gemacht werden. Ich werde jedenfalls nicht dabei helfen, ein totgerittenes Pferd zu satteln. Das heißt, dass wir mit einer ganzen Anzahl von Kollegen aus anderen Mitgliedsländern, die dieselbe Skepsis haben wie ich, sehr an die Kommission – das werden wir auch im Rat zum Ausdruck bringen – appellieren, dass es nicht zu einer Veränderung um der Veränderung willen kommt. Vielmehr sind wir für eine Flexibilisierung im Sinne der Marktgängigkeit der Ökoprodukte sowie für allgemeine, gleiche Vertrauens- und Kontrollgrundsätze für alle Produkte – seien sie in Deutschland, in anderen EU-Ländern oder in Drittstaaten hergestellt.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Nationale Instrumente müssen natürlich wirken. Ich will kurz darauf hinweisen: Sie sind in der Ökoverordnung nicht verboten und nicht angesprochen worden.
Sie wissen, dass wir die Prämiensätze in den letzten Jahren ständig erhöht haben. In den Jahren 2013 bis 2015 haben wir uns zu einem Prämienanstieg um fast 25 Prozent für diejenigen, die im Ökolandbau aktiv bleiben, entschlossen. Ökolandbau ist bei uns gegenwärtig eher rückläufig. Mancher Landwirt überlegt sich, ob er eine teilökologische Umstellung noch halten kann oder ob er von den Auflagen nicht ein Stück erdrückt wird.
Wir müssen die Branche kontinuierlich und verlässlich unterstützen. Wir haben hierzu das BÖLN- Programm. Sie kennen das. Das Programm werden wir verstetigen. So sieht es der Koalitionsvertrag vor. Aus dem Programm haben wir die neue Eiweißpflanzenstrategie herausgenommen. Damit schaffen wir im BÖLN- Programm neue Förderspielräume. An der Begrifflichkeit möchte ich allerdings festhalten, und zwar nicht nur ökologisch; denn es gibt noch andere Formen, die sinnhaft, vertrauenswürdig und vertrauenserheischend sind. Auch sie werden von dem Programm unterstützt. Natürlich liegt der Fokus bei der Ökologie.
Wir sind außerdem entschlossen, unangemessene Bürokratie zu verhindern. Diesen Satz sage ich gerne. Ich bitte Sie, dass Sie das als einen Programmsatz von mir verstehen. Ich weiß nach genauerer Lektüre dessen, was uns in Europa auf den Tisch gelegt wird, manchmal sehr genau, dass die Umsetzung nicht einfach wird. Trotzdem muss man damit beginnen und für gute Ergebnisse ackern.
Ich bin mit den Bioverbänden im Gespräch. Wir haben vor, einen Strategieplan zur Stärkung der ökologischen Landwirtschaft zu entwickeln. Die Politik soll nicht an den Erzeugern vorbeigehen. Sie soll Politik für die Wertschöpfungskette sein. Ich denke, dass der Antrag – sollte er eine Mehrheit im Deutschen Bundestag finden, was bei der Zustimmung aller Fraktionen nicht ganz ausgeschlossen werden kann – für mich eine Rückendeckung bei den schwierigen Verhandlungen sein wird, die wir in den nächsten Monaten in Brüssel führen werden. Ich zweifle daran, dass es in diesem Kalenderjahr noch zu entscheidenden Regelungen und Vorlagen kommen kann. Wir sollten uns darauf vorbereiten, dass wir dieses Thema intensiv begleiten. Es ist noch nicht durch. Wir haben im Sinne eines pragmatisch orientierten ökologischen Landbaus in unserem eigenen Land sehr gut an Boden gewonnen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Als nächste Rednerin hat die Kollegin Kirsten Tackmann das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3991380 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 60 |
Tagesordnungspunkt | EU-Verordnung über ökologische/biologische Produktion |