16.10.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 60 / Tagesordnungspunkt 6

Rita Hagl-KehlSPD - EU-Verordnung über ökologische/biologische Produktion

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister Schmidt! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Berichterstatterin für die Bereiche Ökolandwirtschaft und Regionalvermarktung ist mir natürlich daran gelegen, dass wir die Bioproduktion in Deutschland steigern, damit wir mit dem Angebot die größere Nachfrage bedienen können und nicht weiterhin auf den Import angewiesen sind.

Auf den ersten Blick erscheint der Verordnungsentwurf der Kommission positiv, weil gerade die Steigerung der ökologischen Produktion in Europa als Ziel genannt wird. Liest man den Verordnungsentwurf allerdings genau durch und spricht mit den Verbänden, dann merkt man, dass das Gegenteil der Fall wäre, würde diese Verordnung umgesetzt werden. Bei unseren Gesprächen mit Vertretern der Kommission, die mein Kollege Johann Saathoff ja schon erwähnt hat, wurden unsere Bedenken als Missverständnisse abgetan.

Die Kommission beabsichtigt eine vollständige Integration der speziellen rechtlichen Regelungen zur Gewährleistung des bewährten prozessorientierten Ökokontrollsystems in die horizontale EU-Kontrollverordnung. Wir sind der Meinung, dass diese Regelungen im EU-Fachrecht verbleiben müssen; denn im Gegensatz zu anderen Bereichen der Lebensmittelwirtschaft achtet der Ökolandbau nicht nur auf die Kontrolle des Endproduktes, sondern auch auf die Kontrolle der Prozessabläufe.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Dieses System hat sich bewährt und genießt das Vertrauen der Verbraucher. Das Argument der Kommission, dass wir ja unser System zugleich beibehalten könnten, ist für uns nicht treffend, da innerhalb der EU die gleichen Regeln und Standards gelten müssen.

Der Verordnungsvorschlag der Kommission beinhaltet eine hohe Anzahl delegierter Rechtsakte; sie begründet das mit der Notwendigkeit von mehr Flexibilität für ihre Handlungen. Die Anzahl von 43 delegierten Rechtsakten betrachten wir als zu hoch. Wir sind der Überzeugung, dass diese Zahl reduziert werden muss.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Erforderlich sind klare Vorgaben, um die Kommission in ihrem Gestaltungsspielraum einzugrenzen. Zentrale Regelungen der Verordnung müssen dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren vorbehalten bleiben. Wir sind nicht bereit, der Kommission einen Blankoscheck auszustellen, da unsere Biolandwirte Rechtssicherheit brauchen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Verbesserungen sind auch im Hinblick auf die Kontrolle der Produktion von ökologischen und biologischen Lebensmitteln in Drittländern nötig. Der Vorschlag der Kommission enthält keine Regelungen für die aktuell zu beobachtenden Schwachstellen. Die Anerkennung gleichwertiger Standards für Importware in den Einfuhrregelungen muss unserer Meinung nach beibehalten werden. Deren anforderungsgerechte Umsetzung in Drittländern muss aber wesentlich verbessert werden. Die Kontrollen in Drittländern sind an die bestehenden Risiken anzupassen. Nur dadurch können gleiche Wettbewerbsbedingungen für Erzeuger innerhalb und außerhalb der Europäischen Union geschaffen werden.

Wir möchten bewirken, dass mehr heimische Landwirte aktiv von den Marktchancen profitieren und dass mehr Betriebe auf eine ökologische Produktionsweise umstellen. Eine systematische Stärkung der ökologischen Landwirtschaft wollen wir durch den „Zukunftsplan Öko“ erreichen. Im Rahmen dieses Zukunftsplans wollen wir die unterschiedlichen Fördermaßnahmen für den Ökolandbau strategisch besser koordinieren.

Durch die Verordnung der Kommission würden wir das Gegenteil bewirken, nämlich dass unsere Bioproduzenten sich wieder der konventionellen Landwirtschaft zuwenden. Darin waren sich in den Ausschussberatungen alle Abgeordneten der im Bundestag vertretenen Parteien einig. Als noch neue Abgeordnete hatte ich deshalb die Vision, dass wir einen fraktionsübergreifenden Antrag zustande bringen, um unserem Landwirtschaftsminister bei den Verhandlungen den Rücken zu stärken und in Brüssel ein deutliches Zeichen zu setzen. Vielleicht hätte ich den Ausspruch von Helmut Schmidt beherzigen sollen, der meinte, dass jemand mit Visionen zum Arzt gehöre.

Der Versuch eines fraktionsübergreifenden Antrags scheiterte nämlich an unserem Koalitionspartner, der CDU/CSU-Fraktion, die sich zunächst offen und interessiert zeigte, beim ersten Gespräch dann aber schon kundtat, dass sie aus Prinzip keine Anträge mit den Linken machen würde; so viel zum Thema Kindergarten, Frau Dr. Tackmann. Als der Antrag fertig war und er in der folgenden Sitzungswoche in den Ausschuss sollte, wurde beim Berichterstattergespräch auch noch kurzerhand die Fraktion der Grünen ausgeladen, die sich gerne an dem Antrag beteiligt hätte.

Dieser Brüskierung haben wir es zu verdanken, dass nun zwei Anträge vorliegen, die inhaltlich eigentlich gleich sind. Es tut mir leid für Sie, Herr Minister, dass Ihre eigene Fraktion verhindert hat, dass der Deutsche Bundestag in dieser wichtigen Frage Einigkeit zeigt.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was beim Wein geht, geht anscheinend beim Ökolandbau nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Außerdem ist diese Brüskierung nicht gerade förderlich für die Verhandlungen im Europäischen Parlament, da der zuständige Berichterstatter, Martin Häusling, mit dem Johann Saathoff und ich in Brüssel gesprochen haben und dessen Unterstützung wir natürlich für die Abstimmungen im Europaparlament brauchen, ebenfalls der Fraktion der Grünen angehört.

Es ist nur gut, dass die Opposition in so wichtigen Dingen nicht so starrköpfig wie unser Koalitionspartner ist und sie deshalb, obwohl sie vom Antrag ausgeschlossen wurde, versprochen hat, diesem zuzustimmen.

Herzlichen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3991432
Wahlperiode 18
Sitzung 60
Tagesordnungspunkt EU-Verordnung über ökologische/biologische Produktion
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