16.10.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 60 / Tagesordnungspunkt 8

Ulrike BahrSPD - Schulsozialarbeit

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Meine ganz persönliche kommunalpolitische Laufbahn ist aufs Engste mit dem Thema Schulsozialarbeit verknüpft. Als ehemalige bayerische Hauptschullehrerin kann ich mich nur zu gut daran erinnern, wie früher über Sinn oder Unsinn von Schulsozialarbeit diskutiert wurde. Aus genau dieser Zeit habe ich den Kommentar eines damaligen Stadtrates – ich verrate jetzt nicht, aus welcher Fraktion; jedenfalls nicht aus der SPD-Stadtratsfraktion – noch allzu gut im Ohr, der sich damals zum Thema Schulsozialarbeit folgendermaßen äußerte: „Schulsozialarbeit? So was brauchen wir nicht – wir haben doch einen Zaun um die Schule“,

(Heiterkeit)

als kämen Probleme immer nur von außen, als könne man sich allein durch Abschottung ganz leicht schützen. Hinzu kam eine große Angst vor Stigmatisierung, wenn eine Schule sich die Blöße geben musste, Unterstützung von außen – noch dazu sozialpädagogische – in Anspruch zu nehmen, ja nehmen zu müssen.

Diese Grundhaltung, meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Schule gehe es nur ums Lernen und nicht auch ums Leben und um das Meistern ganz grundsätzlicher, persönlicher Herausforderungen – wozu es manchmal schlicht auch der Hilfe von außen bedarf –, gehört zum Glück der Vergangenheit an.

Nun aber zu dem Antrag der Linken. Natürlich halten auch wir in der SPD-Bundestagsfraktion die Sicherstellung der Schulsozialarbeit für ein wichtiges Mittel und Instrument, Schulen zum Lebensraum zu machen. Ganz abgesehen von verfassungsrechtlichen Grundsätzen und Finanzierungsregeln in unserem föderalen System sehe ich bei Ihrem Antrag aber ein generelles Problem: Der Schulsozialarbeit – das gilt im Wesentlichen auch für die Kinder- und Jugendhilfe – wird von außen, oft unüberlegt, viel zu viel aufgebürdet: Beide werden als Platzhalter für eine Art Generalreparatur verwendet – als wenn man mit ein bisschen Schulsozialarbeit hier und ein bisschen Jugendsozialarbeit dort gesellschaftliche Probleme leicht und abschließend lösen könnte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU])

Eine kurzsichtige Symptombehandlung bringt uns hier aber keinen Schritt weiter. Ein neuer Paragraf im SGB VIII löst nicht automatisch grundlegende Probleme.

Die Kinder- und Jugendhilfe hat mit ihrem Ansatz, jedes Kind und jeden Jugendlichen bestmöglich in seiner Entwicklung zu begleiten und zu unterstützen, Erfolgsgeschichte geschrieben – eine Erfolgsgeschichte, die wir unbedingt fortschreiben wollen. Deshalb haben wir uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, die Kinder- und Jugendhilfe zu einem inklusiven, effizienten, dauerhaft tragfähigen und belastbaren Hilfesystem weiterzuentwickeln, und zwar in einem strukturierten und sorgfältigen Prozess. Diese Weiterentwicklung darf nämlich nicht in einer unüberlegten Überlastung und in einem vermeintlich einfachen Überstülpen zusätzlicher Zuständigkeiten münden.

(Beifall bei der SPD)

Solange Bildungs- und damit Schulpolitik in den Zuständigkeitsbereich der Länder fällt, sehe ich diese hier auch in der Verantwortung, gute Rahmenbedingungen für Schulsozialarbeit zu gewährleisten. Eine bundeseinheitliche Regelung der Schulsozialarbeit erscheint mir in Anbetracht des aktuellen schulischen und trägerspezifischen Flickenteppichs weder verfassungsrechtlich realisierbar noch sinnvoll.

Die 400 Millionen Euro jährlich, die die Länder durch Unterstützung des Bundes in den Jahren 2011 bis 2013 für Schulsozialarbeit verwenden konnten, haben gute Strukturen geschaffen. Heute und in den nächsten Jahren entlastet der Bund die Länder und Kommunen wiederum, an anderer Stelle, beispielsweise im Rahmen der 6 Milliarden Euro für die Finanzierung von Kinderkrippen, Kitas, Schulen und Hochschulen. Im Zuge dessen sehe ich auf Länderseite durchaus Spielraum für nachhaltige Investitionen in die Schulsozialarbeit; wo ein politischer Wille ist, ist auch ein Weg.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sehr verwundert hat mich allerdings Ihre Forderung nach einem Schulsozialarbeitsgipfel auf Bundesebene; denn eigentlich gilt es, die Autonomie einer Schule zu fördern und zu fordern, und es gilt, dem Anspruch einer Bildungslandschaft der Zukunft gerecht zu werden, nämlich Schulen zu Bildungshäusern mit ihren ganz spezifischen Bedarfen und Profilen zu entwickeln. Diese Bildungshäuser wiederum müssen sich vernetzen mit den Akteuren vor Ort, zum Beispiel mit der Jugendarbeit, aber auch mit den Mehrgenerationenhäusern oder auch mit Projekten im Rahmen der „Sozialen Stadt“.

Schule als Lebensraum darf auch nicht den Stempel „Made in Berlin“ tragen. Was wir vielmehr brauchen, ist die Unterstützung und Stärkung der örtlichen Schulgemeinden mit ihrem breiten Erfahrungsschatz, den Schüler- und Elternvertretungen, den örtlichen Trägern, Lehrerinnen und Lehrern, die im Übrigen in Ihrem Vorschlag vom Schulsozialarbeitsgipfel unerwähnt bleiben.

Eine Top-down-Strategie kann hier nicht der richtige Weg sein; denn Schulsozialarbeit ist wie Brückenbauen: Am besten und am sichersten sind die Brücken dann, wenn die Menschen, die künftig auf ihnen gehen wollen, sie selber mit bauen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Als nächster Redner hat der Kollege Paul Lehrieder das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3991580
Wahlperiode 18
Sitzung 60
Tagesordnungspunkt Schulsozialarbeit
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