16.10.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 60 / Tagesordnungspunkt 8

Paul LehriederCDU/CSU - Schulsozialarbeit

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf den Tribünen, aber auch draußen an den Bildschirmen! Ausnahmsweise herrscht in diesem Hohen Haus heute einmal parteiübergreifend Einigkeit. Alle Parteien stimmen zumindest in dem Punkt überein, dass Schulsozialarbeit heute unverzichtbar ist.

(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Das ist doch schon mal was!)

– Frau Hein, bis jetzt haben Sie noch recht. – Moderne Bildung darf sich nicht auf die Vermittlung von fachlichen Fähigkeiten beschränken. Sie muss auch die Sozial- und Lernkompetenz der Schüler stärken.

(Beifall des Abg. Heinz Wiese [Ehingen] [CDU/CSU])

Für Lehrer ist es schwierig, sich neben der Vermittlung von Sach- und Fachkompetenzen und der Leistungsbewertung auch noch eingehend um die sozialen und individuellen Probleme der Schüler zu kümmern und als neutraler Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen.

Genau diese Lücke schließt – darauf haben die Vorredner zum Teil schon hingewiesen – die Schulsozialarbeit. Mit ihrer sozialpädagogischen Ausbildung und entsprechenden Methodenkenntnissen haben die Schulsozialarbeiter oftmals eine andere Herangehensweise an die Probleme des Schulalltags. Sie können sich für die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler mehr Zeit nehmen und bei Schwierigkeiten gemeinsam mit den Beteiligten nach Lösungen suchen. Vor allem aber arbeiten sie präventiv, um Kinder in ihrer Persönlichkeit zu stärken, Mobbing und Gewalt zu verhindern und Schulverweigerung entgegenzutreten. Schon die alten Lateiner wussten: Non scholae, sed vitae discimus. Auch das soziale Zusammenleben wird in der Schule eingeübt, wie man mit dem anderen umgeht, wie man sich in ein gesellschaftliches Gefüge einpasst.

Auch die Lehrer profitieren von den neutralen Vertrauenspersonen. Sie können sich vom Schulsozialarbeiter beraten lassen und bei Problemen im pädagogischen Alltag gemeinsam Strategien ausarbeiten. Auf Wunsch können selbstverständlich auch Eltern die Hilfe der Schulsozialarbeiter in Anspruch nehmen. Weil sie mit anderen Anbietern von Hilfsangeboten in der Kommune meist gut vernetzt sind, können Schulsozialarbeiter bei der Suche nach passenden Ansprechpartnern für die Lösung von Problemen helfen.

Gerade in einer Zeit, in der Eltern leider immer mehr Verantwortung an die Schulen abgeben, gewinnen die Schulsozialarbeiter gewaltig an Bedeutung. Es ist unbestritten, dass durch den täglichen Kontakt mit den Kindern wertvolle Unterstützer im Prozess des Erwachsenwerdens gefunden werden können.

Die Schulsozialarbeit als Schnittstelle zwischen Schule, Familie und Jugendhilfe zahlt sich in mehrfacher Hinsicht aus. Mit gestärkten sozialen Kompetenzen können sich die Schülerinnen und Schüler besser auf den Unterricht konzentrieren. Damit steigen zugleich ihre Chancen auf einen guten Schulabschluss, der wiederum den Einstieg ins Berufsleben erleichtern kann. Ohne Schulsozialarbeit würde so manches benachteiligte Kind gleich ganz aus dem Bildungssystem herausfallen. Defizite, die die Kinder beispielsweise von zu Hause mitbringen, können durch konsequente Schulsozialarbeit ausgeglichen werden.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, meine bisherigen Ausführungen – ich sehe es am Lächeln der Kollegin Hein – mögen für Sie wie aus einer Werbeveranstaltung für Schulsozialarbeit klingen.

(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Bis jetzt war alles richtig!)

– Dann hätten Sie öfters klatschen können, Frau Dr. Hein.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Heinz Wiese [Ehingen] [CDU/CSU])

Ja, ich möchte ausdrücklich für Schulsozialarbeit werben, aber eben im Rahmen der verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten.

Bei der Schulsozialarbeit handelt es sich – da reicht es schon aus, wenn wir uns genau das Wort anschauen: Schul-Sozialarbeit – um ein professionelles pädagogisches Angebot, das verfassungsrechtlich auf dem Gebiet der Allgemeinbildung und des Schulwesens bei den Ländern liegt; so ist es in unserer Verfassung normiert. Die Verantwortung nach dem klar vereinbarten Auslaufen dieser Anschubfinanzierung liegt bei den Ländern bzw. bei den kommunalen Gebietskörperschaften. Die Forderung nach einer Fortsetzung der Schulsozialarbeit aus Bundesmitteln ignoriert, dass dieses Bundesprogramm von vornherein mit den Ländern auf eine Dauer von drei Jahren vereinbart worden war.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Kollegin Hein, Sie sind erfahren genug und Sie sind lang genug in diesem Parlament, um zu wissen, dass eine Verankerung der Schulsozialarbeit im SGB VIII natürlich bedingt, dass die Länder zustimmen. Dafür werden sie fragen: Wenn ihr uns diese Aufgabe zuweist, wo bleiben dann die Mittel dafür? – Das haben wir in vielen Bereichen bereits erlebt. Das heißt also, ganz ohne Geld vom Bund werden die Kommunen einer Verankerung der Schulsozialarbeit im SGB VIII nicht zustimmen. Da müssen wir uns schon ehrlich machen.

(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Wie bei der Kinderbetreuung!)

CDU und CSU hatten den Bundesländern für die Jahre 2011 bis 2013 jeweils 400 Millionen Euro für die Schulsozialarbeit und für das außerschulische Hortmittagessen von Schülerinnen und Schülern zur Verfügung gestellt. Dies wurde im Rahmen des Vermittlungsausschusses zum Bildungs- und Teilhabepaket Anfang 2011 beschlossen. Allerdings war dieses Geld – auch darauf wurde bereits hingewiesen – nur als Anschubfinanzierung gedacht, die im letzten Jahr auslief. Ab diesem Jahr liegt die Verantwortung für die Schulsozialarbeit wieder allein bei Ländern und Kommunen; denn eine dauerhafte, zweckgebundene Finanzierung der Schulsozialarbeit durch den Bund verbietet, wie bereits ausgeführt, das Grundgesetz.

(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Falsch!)

Die Zuständigkeit für das Schulwesen liegt nun einmal bei den Ländern.

Meine Vorrednerin, Frau Kollegin Schwarzer, hat bereits darauf hingewiesen, dass den Kommunen ab 2014 mit rund 5 Milliarden Euro aus der größten Kommunalentlastung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein Vielfaches für die Kosten der Schulsozialarbeit zur Verfügung steht. Sie haben es im letzten Jahr mitbekommen: In drei Stufen haben wir die Kommunen im SGB-XII-Bereich entlastet. Darüber hinaus werden wir die Kommunen mit der kompletten Übernahme des BAföG in den nächsten Jahren entlasten. Wir geben den Ländern Spielräume, um genau diese Aufgaben, die von uns für drei Jahre befristet übernommen worden sind, wieder in Länderzuständigkeit bzw. kommunaler Zuständigkeit durchzuführen.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt werden noch die Kommunen durch das BAföG entlastet! Das ist ja abenteuerlich!)

Es ist völlig richtig: Durch die Kleinteiligkeit der vor Ort bestehenden unterschiedlichen Aufgabenstellungen sind die Kommunen – mein großer Respekt an die Gemeinderäte, an die Stadträte, an die Kreisräte, die da entsprechende Verantwortung tragen – vielmehr in der Lage, zu wissen, wo welche Hilfe passgenau hinkommt. Die werden das auch tun, davon bin ich überzeugt. – Jetzt brauchen wir einen Applaus.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eins noch, Frau Kollegin Walter-Rosenheimer von den Grünen: Sie haben sich erfreut gezeigt über den Antrag. Sie waren letzte Legislaturperiode auch schon im Bundestag. Hätten Sie einmal die Drucksache aus der 17. Wahlperiode mit der Nummer 17/11870 herausgesucht. Da steht über einem Antrag der Linken, über den am 21. Februar 2013 hier im Plenum debattiert wurde:

Eine Fortführung der durch den Bund geförderten Schulsozialarbeit wurde vor Jahresfrist bereits gefordert – alter Wein in neuen Schläuchen, meine Damen und Herren. Es hat sich an unserer Auffassung nichts geändert.

(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Das ist schade!)

Wir haben die Länder und Kommunen massiv entlastet und werden Spielräume schaffen, damit die Länder und Kommunen in der Zuständigkeit, in der sie es viel besser können, genau die Aufgabe machen, die Sie – mit einer großen Gießkanne – dem Bund angedeihen lassen wollen. Das ist nicht der richtige Weg, Frau Kollegin. Wir werden leider Ihrem Ansinnen insofern nicht nähertreten können. Das tut mir fürchterlich leid.

(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Wir reden noch einmal darüber!)

Noch einmal meinen Respekt an alle Schulsozialarbeiter, an all die, die in den Schulen Verantwortung tragen, die uns helfen, Schülern die Möglichkeit zu geben, eine Berufsausbildung zu erhalten. Das finde ich ganz toll. Ich freue mich auch über die Präsenz der Staatssekretäre bei uns in der Familie, die Kollegin Ferner, der Kollege Kelber und natürlich aus dem Bildungsministerium der Kollege Stefan Müller von der CSU. – Schön, dass Sie alle da sind und zugehört haben.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind denn Frau Wanka und Frau Nahles?)

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Fritz Felgentreu, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3991581
Wahlperiode 18
Sitzung 60
Tagesordnungspunkt Schulsozialarbeit
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