16.10.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 60 / Tagesordnungspunkt 8

Fritz FelgentreuSPD - Schulsozialarbeit

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Linken haben – das finde ich auch – einen spannenden Antrag vorgelegt. Vordergründig geht es um den bundesweiten Ausbau der Sozialarbeit an unseren Schulen, aber im weiteren Sinne geht es doch um den großen Kontext Qualität an Schulen.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Genau so ist es!)

In der SPD-Fraktion sind wir überzeugt: Kinder und Familie fördern wir am besten durch erstklassige Kitas und erstklassige Schulen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Aber was bedeutet das, eine erstklassige Schule? – Natürlich kleine Klassen und gute Ausstattung, einen Ganztagsunterricht, bei dem Lernen, Bewegung, Spiel und Muße in einem ausgewogenen Rhythmus über den ganzen Tag verteilt sind, Hausaufgabenhilfe, gesundes Schulessen, vielleicht sogar Heilfürsorge an der Schule. Für viele wird die Schulsozialarbeit ein ganz wichtiger Baustein im Gefüge einer erstklassigen Schule sein, gerade da, wo so eine Schule am dringendsten gebraucht wird und wo die meisten Kinder geboren werden – in den sozialen Brennpunkten unserer Republik. Ob es Schulsozialarbeit gibt, kann dafür entscheidend sein, dass sich ein junger Mensch in der Krise fängt, nicht sitzenbleibt oder seinen Abschluss schafft.

Deshalb ist es richtig, dass wir auch hier im Deutschen Bundestag darüber nachdenken, wie wir die Schulsozialarbeit stärken können. Wir wissen ja, dass eine Stärkung gebraucht wird, denn die Förderung der Schulsozialarbeit – Herr Lehrieder hat eben darüber gesprochen –, die die SPD in der vergangenen Legislaturperiode durchsetzen konnte

(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Erfolg hat viele Väter!)

und für die wir in unserem Wahlprogramm geworben haben, ist am 1. Januar 2014 ausgelaufen.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie das nicht in den Koalitionsvertrag geschrieben?)

Nicht nur das Land Nordrhein-Westfalen beklagt jetzt durchaus zu Recht, dass bundesweit 400 Millionen Euro im Jahr nicht mehr für die Schulsozialarbeit zur Verfügung stehen.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Nahles kann doch ein Programm machen!)

– Beruhigen Sie sich! Ich komme gleich dazu.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, hoffentlich!)

Ja, meine Damen und Herren, das Auslaufen dieser Förderung hat zunächst eine Lücke hinterlassen. Aber in dieser Legislaturperiode entlastet der Bund die Länder und Kommunen um 6 Milliarden Euro zusätzlich für die Bildung von der Kita bis zur Hochschule. Weil es streng genommen nicht unmittelbar in diesen Zusammenhang gehört, will ich nicht groß darauf eingehen, dass die Kommunen bis 2016 außerdem um knapp 20 Milliarden Euro entlastet worden sind, nachdem der Bund die Kosten für die Grundsicherung übernommen hat. Schon die 6 Milliarden Euro zusätzlich für die Bildung machen den Verlust, der bei der Schulsozialarbeit entstanden ist, mehr als wett.

(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Milchbubenrechnung! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Unsinn! Was für eine Milchmädchenrechnung! Gegenruf der Abg. Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Buben! Milchbubenrechnung!)

– Sie können doch eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie so neugierig sind. Nun beruhigen Sie sich doch! – Deswegen meine ich, dass die Koalition mit dieser Entlastung einen besseren Weg gefunden hat, um die Qualität von Schule zu verbessern, als Sie ihn vorschlagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken.

(Beifall bei der SPD – Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Das glaube ich nicht!)

Sie wollen im Zusammenhang mit der Jugendförderung regeln, dass Schulsozialarbeit überall als Regelleistung angeboten wird. Damit legen Sie schon ziemlich weitgehend fest, wie das Geld ausgegeben werden muss, das der Bund den Ländern und Kommunen zusätzlich zur Verfügung stellt.

Ich bin Abgeordneter aus Berlin-Neukölln. Mich erschreckt diese Vorstellung gar nicht. Natürlich wäre es schöner, bei uns im Bezirk frei über das Geld entscheiden zu können. Aber Schulsozialarbeit können wir in Neukölln an so ziemlich jeder Schule gut gebrauchen.

(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Richtig!)

Deshalb wäre eine solche Bestimmung aus unserer Sicht durchaus hilfreich. Angewiesen sind wir auf diese Regelung aber nicht. Wir können auch so entscheiden, dass wir die zusätzlichen Mittel für Schulsozialarbeit ausgeben, wenn wir das wollen und wenn es nötig ist.

Nun kann ich mir aber auch Gegenden und Schulen in Deutschland vorstellen, wo noch etwas mehr heile Welt herrscht als im Berliner Brennpunktquartier. Die gibt es übrigens sogar in Neukölln. Die Politikerinnen und Politiker dort wollen mit dem Geld, das ihnen zur Verfügung steht, die Qualität ihrer Schulen vielleicht lieber mit anderen Maßnahmen verbessern als mit Schulsozialarbeit, die dort nicht ganz so dringend gebraucht wird.

(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Das bezweifle ich!)

Die Verbesserung der Schulqualität ist ein langfristiges Reformvorhaben. Wir werden in jeder Legislaturperiode dafür nachlegen müssen. Denn nirgendwo erreichen die Mittel, die wir für Familien einsetzen, Kinder und Jugendliche effektiver und gerechter als in der Kita und in der Schule.

Aber weil wir den großen Wurf, der alle Probleme auf einmal löst, so nicht hinbekommen, ist es besser, den Ländern und Kommunen Spielraum zu lassen. Dann können sie ihre eigenen Prioritäten setzen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Deshalb geht es um kleinere Schritte, liebe Kolleginnen und Kollegen – wobei 6 Milliarden Euro gar nicht einmal so ein kleiner Schritt sind –, und um Entscheidungsfreiheit vor Ort, wo man die Probleme am besten kennt.

Die verfassungsrechtlichen Probleme kann man lösen. Herr Lehrieder, Sie haben davon gesprochen, dass wir vom Bund aus keine Dauerfinanzierung der Schulsozialarbeit machen können. Das ist zwar richtig, aber das haben wir streng genommen auch beim letzten Mal in den Jahren 2011 bis 2013 nicht gemacht. Der Bund hatte mit den Ländern eine Vereinbarung getroffen, aber entlastet wurden die Länder nicht durch eine direkte Finanzierung der Schulsozialarbeit, sondern dadurch, dass der Bund einen Teil der Wohnkosten im Hartz-IV-Bereich übernommen hat.

Insofern kann man verfassungsrechtliche Hürden sicherlich durch kreative politische Ansätze umschiffen. Aber ich finde den Ansatz richtig, dass man diese Entscheidung auf der Ebene lassen muss, wo sie zurzeit gefällt wird.

Am Ende kommt es doch für uns alle vor allen Dingen darauf an, dass alle Jugendlichen ihren Abschluss machen und danach einen Ausbildungs- oder Studienplatz finden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Unsere Aufgabe ist es, dafür die Voraussetzungen zu schaffen. Damit haben wir noch lange alle Hände voll zu tun. Dabei ist der Bund in der Pflicht. Für die Umsetzung im Einzelnen sind bei uns die Länder und Kommunen verantwortlich. Wir sollten es bei der Schulsozialarbeit jetzt nicht auf einmal darauf anlegen, an diesem System etwas zu ändern.

(Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Schade!)

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Als letzter Redner in dieser Aussprache erteile ich dem Abgeordneten Heinz Wiese, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3991586
Wahlperiode 18
Sitzung 60
Tagesordnungspunkt Schulsozialarbeit
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