Rainer SpieringSPD - Berufliche Bildung zukunftssicher gestalten
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Vor allen Dingen liebe junge Menschen dort oben! Ich wollte eigentlich einen anderen Auftakt wählen, wenn ich ehrlich sein soll, aber Frau Dr. Hein, ich habe schon beim letzten Mal relativ wenig von dem verstanden, was Sie gesagt haben. Sie müssen in einem anderen Land leben als ich.
(Beifall bei der CDU/CSU der SPD – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: In einer anderen Galaxie!)
Ich bin wirklich von hoher Fassungslosigkeit geprägt.
Wenn Sie sich schon auf Zahlen beziehen: Es gibt die neue OECD-Studie. Die OECD, die der Bundesrepublik Deutschland beim Bildungsreport ja nicht unbedingt wohlgesonnen gegenübersteht, bescheinigt der Bundesrepublik Deutschland jetzt den höchsten Erfolg beim Abschluss Sek II. Schauen Sie einfach nach! Vor allen Dingen bestätigt sie der Bundesrepublik Deutschland die höchste Eingangsquote ins Berufsleben, in Arbeit und Brot, von allen Ländern der Welt, nämlich über unser duales Berufsausbildungssystem. Lesen Sie es einfach nach!
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich kann das, was Sie hier beitragen, ganz ehrlich eigentlich nur noch als eine verspätete verbale, ideologisch orientierte Attacke auf ein System wahrnehmen, das Sie nicht wollen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]: So einen Unsinn müssen Sie mir aber nicht erzählen!)
Eigentlich hatte ich die Rede auf die jungen Menschen gemünzt, die dort oben sitzen. Es tut mir leid, dass ich jetzt ein bisschen aus der Haut gefahren bin.
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Zu Recht!)
Deswegen werde ich die Rede substanziell ein bisschen ändern.
Ich glaube, wenn wir hier diskutieren, machen wir einen großen Fehler. Thomas Feist hat recht gut beschrieben, wie unsere Ausgangssituation ist. Ich für meinen Teil habe den Eindruck, dass wir aus bestimmten Interessen heraus häufig viel mehr über die jungen Menschen sprechen als mit ihnen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir reden über die Wertbeständigkeit unseres Schulsystems, darüber, welche Vorteile dieses Schulsystem hat. Wir prangern immer wieder an – das höre ich in vielen Reden –: Die Einmündungsquote in das duale System ist zu niedrig. – Das mag faktisch richtig sein, aber dann muss man hinterfragen, warum sie zu niedrig ist.
Ich habe mich in den letzten Wochen und Monaten damit beschäftigt, zu hinterfragen: Was wissen wir eigentlich valide? Welche Forschungsergebnisse haben wir zu der Frage, was junge Menschen bewegt, in ein Ausbildungssystem zu gehen? Was mir zugänglich ist, sind die Arbeiten des Bundesinstituts für Berufsbildung. Aber das Institut fragt auch nicht die Interessenlage der jungen Menschen ab; es argumentiert mit Zahlen. Ich weiß, dass es die Shell-Jugendstudie gibt, die sich über viele Jahre mit Interessen und Interessenbekundung junger Menschen auseinandergesetzt hat, also eine nachhaltige wissenschaftliche soziologische Studie ist. Aber ich habe bis jetzt nirgendwo etwas zu der Frage finden können: Was ist eigentlich die Motivationslage der jungen Menschen, ihren Werdegang zu ändern, den Weg zu wählen, den sie wählen?
Ich bin in letzter Zeit aus unterschiedlichen Gründen häufiger im Ausland gewesen; ich weise auf die USA und die Ukraine hin. Dort gibt es eine unglaublich hohe Jugendarbeitslosigkeit. Es besteht auch Perspektivlosigkeit in hohem Maß – übrigens mit all den politischen Folgerungen, die das auch hat. Deswegen wäre mir eigentlich sehr daran gelegen, dass wir uns in dem Rahmen, in dem wir heute sind, mit validen Forschungsergebnissen an Universitäten zu der Frage auseinandersetzen: Warum bewegt die Jugend sich heute so, wie sie sich bewegt? Warum wählt die Jugend häufig den akademischen Weg, was ich völlig richtig finde? Was ich noch richtiger fände, wäre, wenn die Jugendlichen ein breites Spektrum an Angeboten hätten, die sie überprüfen könnten. Haben sie die? Haben sie die Auswahlmöglichkeit? Haben wir die Möglichkeit, zu überprüfen, warum sie was tun? Meine Erkenntnis ist: Wir wissen es nicht.
Mein deutlicher Appell: Lassen Sie uns universitäre Forschung verstärken! Lassen Sie uns verstärkt endlich wieder zu einer starken Berufsschullehrerausbildung an unseren Universitäten kommen!
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Thomas Feist hat die Frage der Berufsorientierung angesprochen. Ich möchte noch einen Aspekt dazufügen. Wir haben über das Erasmus-Programm eine sehr starke Möglichkeit, Studentinnen und Studenten ins europäische Ausland und auch über den großen Teich zu bringen. Unsere Möglichkeiten, jugendliche Auszubildende in europäische Nachbarstaaten zu bringen, sind dagegen ausgesprochen gering. Wir haben ganz wenig Geld dafür. Das wird von den Handwerkskammern sowie Industrie- und Handelskammern über mobile Beratungsstellen vermittelt. Ich möchte Sie alle intensivst bitten, mit uns gemeinsam den Weg zu gehen, die Berufsorientierung zu stärken und über mobile Beratungsstellen, die Handwerk und Industrie anbieten, den jungen Menschen eine Perspektive im Ausland zu geben – mit all den Vorteilen, die das hat. Ich glaube, das ist ein ehrenwertes Ziel.
Herzlichen Dank fürs Zuhören.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Beate Walter- Rosenheimer, Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3991895 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 60 |
Tagesordnungspunkt | Berufliche Bildung zukunftssicher gestalten |