Gabriela HeinrichSPD - Fernerkundung in Afrika
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! In vielen Ländern Afrikas mangelt es an ausreichenden Daten über Wasservorkommen, Wald, Landnutzung, Wüstenbildung und vieles mehr. Für die Planung von Entwicklung ist eine solide Datengrundlage aber unerlässlich. Nur wenn man weiß, wie sich der Waldbestand verändert, wenn man weiß, wo Entwaldung stattfindet, kann der Wald angemessen geschützt werden. Wenn Länder solche Daten nicht haben, fehlt ihnen eine wichtige Grundlage für Entwicklung.
Bei der Fernerkundung zur zivilen Nutzung können mithilfe von Satelliten wichtige Geoinformationen gewonnen werden. Dabei geht es um ein breites Spektrum, das gerade auch für Afrika interessant ist. Klar ist jedoch: Die wenigsten Länder in Afrika verfügen über die finanziellen Ressourcen, eigene Satelliten zu finanzieren und auf diese Weise eigene Geoinformationen zu gewinnen. Wenn wir über Fernerkundung in Afrika und die Rolle der deutschen Entwicklungspolitik reden, muss es daher auch um das Thema Kooperation gehen.
Ohne Einbeziehung der afrikanischen Länder besteht letztlich immer eine Abhängigkeit vom Wohlwollen der Länder, die sich in diesem Bereich engagieren. Deutschland kann hier Vorbild sein und sich auf europäischer Ebene und international für echte Kooperation mit Afrika einsetzen. Es kann dafür werben, dass relevante Informationen aus der Fernerkundung auch den Ländern zur Verfügung gestellt werden, die sich die Technik nicht leisten können. Und ich denke, genau für dieses Vorgehen ist der vorliegende Bericht eine gute Grundlage.
Der vorliegende Bericht des Büros für Technikfolgen- Abschätzung beim Deutschen Bundestag liefert nicht nur einen umfassenden Überblick über die derzeitigen technischen Möglichkeiten der Erdfernerkundung, sondern stellt auch die Möglichkeiten für zukünftige Kooperationen mit Afrika in diesem Bereich vor. Wenn bereits verfügbare Fernerkundungsdaten der technologieführenden Länder verfügbar gemacht würden, wäre dies eine mögliche Alternative zum Bau eigener teurer Satelliten. Für politisch instabile Regionen sollte es die einzige Alternative sein. Denn bei der Fernerkundung besteht das Risiko, dass Satellitenbauteile oder Bodenstationen militärisch genutzt werden. In politisch instabile Regionen darf es daher keinen Technologietransfer geben.
(Beifall bei der SPD)
Klar ist, dass die Fernerkundung derzeit keinen Schwerpunkt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit darstellt und auch in Zukunft keiner sein wird. Es gibt aber durchaus Potenziale, vor allem in der Landpolitik, bei der Landnutzung und im Klimamonitoring. Gerade im Hinblick auf den Waldsektor geht der Bericht davon aus, dass die Anwendung von Fernerkundungsdaten durch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit wahrscheinlich weiter an Bedeutung gewinnen wird.
Die Veränderung der Umwelt erfolgt einerseits durch den Eingriff des Menschen, zum Beispiel durch die Nutzung von Holz, durch Viehhaltung und Entwaldung; hinzu kommt der Klimawandel. Jedoch verfügen ausgerechnet die Länder, die mit am stärksten unter den Veränderungen ihrer Umwelt leiden, oft nur über unzureichende Datenbestände. Hier können Satellitendaten eine wichtige Informationsgrundlage sein, um den Zustand und die Veränderung der Umwelt ausreichend zu erfassen.
Eine bessere Datengrundlage könnte auch politische Diskussionen in einem Land voranbringen. Wir sehen das ja auch an Beispielen: Handlungsdruck entsteht meist durch Information. Der Schutz des Regenwaldes ist auch deswegen weltweit ein Thema, weil wir wissen, dass eine Entwaldung stattfindet, und wir wissen, in welchem Ausmaß sie stattfindet. Dieses Wissen steigert nicht nur den Handlungsdruck auf die Politik – sowohl in den betroffenen Ländern, als auch international –, sondern sensibilisiert auch die Bevölkerung. Voraussetzung dafür ist, dass die Daten veröffentlicht werden und einschlägige Nichtregierungsorganisationen auch Zugriff auf sie haben.
Der Bericht verweist auf verschiedene Projekte im Bereich der Fernerkundung, an denen auch deutsche Institutionen beteiligt sind, zum Beispiel das Waldmonitoring in Somaliland oder die Maßnahmen zum Erhalt des größten grenzüberschreitenden Waldgebietes Westafrikas in der Elfenbeinküste. Der in Planung befindliche nationale Fernerkundungssatellit EnMAP soll unter anderem auch für Monitoringmaßnahmen zur Verhinderung von Entwaldung und Waldschädigungen konzipiert werden. Generell gilt, dass man insbesondere Luftbilder benötigt, um Waldschutz effektiv zu überwachen und Veränderungen nachzuverfolgen. Darauf basierend kann dann weitergehend analysiert werden, welche Typen von Vegetation im Wald in welchem Ausmaß wachsen.
Ein weiteres Beispiel für die Verwendungsmöglichkeit der Fernerkundung – der Kollege Movassat hat es schon gesagt – ist die Urbanisierung in Afrika. Wir haben hier im Bundestag in Kürze eine Anhörung zu diesem Thema; denn die schnell wachsenden Städte stellen die Entwicklungspolitik einerseits vor große Herausforderungen, sie bieten andererseits aber auch viele Chancen. Im Bereich der Stadtentwicklung gab es bisher noch nicht viele Projekte der Fernerkundung mit deutscher Beteiligung. Der Bericht sieht aber auch hier durchaus Potenziale, zum Beispiel für die Kartierung von Siedlungsgebieten. Eine erfolgreiche Stadtplanung braucht – neben solchen Dingen wie Rechtssicherheit in Bezug auf Land- und Eigentumsrechte – auch eine gute Datengrundlage und Geoinformationen, auch deswegen, weil Urbanisierung und Katastrophenschutz zusammengehören.
Der Weltrisikobericht 2014 hat darauf hingewiesen, dass schnell wachsende Städte besonders verwundbar sind, zumal gerade Slums oft in solchen Gebieten entstehen, die gegenüber Naturgefahren besonders exponiert sind, zum Beispiel an Flussufern und Hanglagen.
(Stefan Rebmann [SPD]: Oder Epidemien wie Ebola!)
Für die deutsche Entwicklungspolitik geht es also auch darum, die Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit der schnell wachsenden Städte zu stärken. Damit können wir dazu beitragen, dass nicht jede Naturkatastrophe so viele Menschenleben kostet.
Der Bericht des Büros für Technikfolgen-Abschätzung liefert Beispiele dafür, wie die Fernerkundung im Katastrophenschutz einsetzbar ist. So wurde 1999 unter anderem auf Initiative der Europäischen Weltraumorganisation ESA die Internationale Charta für Weltraum und Naturkatastrophen entwickelt. Im Falle einer Katastrophe können in diesem Rahmen Fernerkundungsdaten erhoben, ausgewertet und zur Verfügung gestellt werden, um Hilfsmaßnahmen zu unterstützen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt ist ein Mitglied der Charta. In der Vergangenheit konnten zum Beispiel nach einem Zyklon oder einer Flut in Madagaskar entsprechende Daten an Katastrophenschutzorganisationen vor Ort weitergegeben werden.
Das Beispiel der Charta zeigt jedoch auch ein Problem auf: Bisher sind lediglich Algerien und Nigeria als Kooperationspartner der Internationalen Charta für Weltraum und Naturkatastrophen beteiligt. Es ist gerade aus entwicklungspolitischer Sicht wichtig und sinnvoll, weitere Länder in Afrika einzubeziehen, und zwar ganz im Sinne der afrikapolitischen Leitlinien der Bundesregierung: als Partner. Der Bericht regt auch hier Leuchtturmpartnerschaften mit ausgewählten afrikanischen Ländern an.
Der Bericht des Büros für Technikfolgen-Abschätzung weist auch darauf hin, dass die Grundlage für eine deutsche ressortübergreifende Strategie eine vorherige Inventur der bestehenden Aktivitäten in der Anwendung der Fernerkundung in Afrika ist. Ich zitiere:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bericht weist auch darauf hin, dass es bei der Fernerkundung nicht in erster Linie darum geht, in Großprojekte der Weltraumtechnologie zu investieren. Es geht vor allem um die notwendige Stärkung der Auswerte- und Anwendungstechniken, zum Beispiel zugunsten des Umweltmonitorings. Deswegen ist es wichtig, dass dieser Bericht auch in der Raumfahrtpolitik der Bundesregierung Berücksichtigung findet, und nicht nur hier. So mahnt der Bericht auch eine bessere Koordination der deutschen Technologie-, Wirtschafts-, Wissenschafts- und Entwicklungspolitik an. Das kann ich nur unterstützen. Bei einer Weiterentwicklung der Raumfahrtstrategie müssen entwicklungspolitische Fragen stärker berücksichtigt werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der uns vorliegende Bericht ist das beste Argument dafür.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Der Kollege Uwe Kekeritz hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/3996983 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 61 |
Tagesordnungspunkt | Fernerkundung in Afrika |