17.10.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 61 / Tagesordnungspunkt 25

Bernd FabritiusCDU/CSU - Bekämpfung des Antiziganismus

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Rassismus und Fremdenfeindlichkeit dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Das lehrt uns nicht nur die deutsche Geschichte, sondern auch der gesunde Menschenverstand. Ich denke, in diesem Punkt sind wir uns alle einig. Selbstverständlich sind damit Rassismus und Feindlichkeit gegenüber allen spezifischen Gruppen gemeint. Es betrifft beispielsweise Juden, es betrifft Flüchtlinge aus allen Krisengebieten, und es betrifft leider auch Sinti und Roma. Ich denke, auch darüber sind wir uns einig.

Für die Unverbesserlichen in unserer Gesellschaft sind die Ziele ihres Hasses und ihrer Diskriminierung und häufig auch die Begründungen dafür einfach austauschbar – seien es unsägliche Attacken auf Menschen mit dunkler Hautfarbe, Anschläge auf Flüchtlinge oder eben die unbestreitbar manchmal anzutreffende abwertende Haltung gegenüber Sinti und Roma. Meist sind es dieselben Leute, die den einen wie auch den anderen Gruppen ablehnend gegenüberstehen. Einen solchen Schluss auf Austauschbarkeit lässt zweifellos auch die „Mitte“-Studie der Universität Leipzig zu, auf die Sie von den Grünen sich in der Begründung Ihres Antrags berufen. Es handelt sich daher offensichtlich um ein grundsätzlicheres Problem und weniger um spezifische Diskriminierung mit abgrenzbaren Gründen gerade gegenüber Sinti und Roma.

Wir müssen uns weiterhin insgesamt der Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit widmen, anstatt eine Gruppe herauszupicken, wenn es uns gerade passt. Um dieser Aufgabe keinen Bärendienst zu erweisen, ist es wichtig, bei der Bewertung der Lage ehrlich und möglichst nah an den Realitäten zu bleiben. Sie behaupten in der Begründung Ihres Antrags bereits im ersten Satz – ich zitiere –:

Das ist schlicht falsch und stellt nicht nur uns Politiker,

(Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

sondern gleich die gesamte Gesellschaft und sogar die Religionsgemeinschaften allgemein und undifferenziert unter einen Generalverdacht des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit.

(Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das polarisiert, schadet der Sache und ist zurückzuweisen.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat kürzlich selbst eine Studie zu diesem Thema in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse den Auftraggebern dann offensichtlich nicht schockierend genug gewesen sind. Sogar der Spiegel weist darauf hin, dass Ergebnisse dieser Studie überzogen interpretiert und negative Einstellungen gegenüber Sinti und Roma überzeichnet wurden.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fleischhauer war es!)

Die Ergebnisse der Forscher zeigten nämlich etwas anderes.

Nun könnte man fragen, ob wir über Prozentzahlen debattieren müssen, um einen Unrechtsgehalt zu identifizieren. Sie, lieber Kollege Beck, haben diese Frage zu Recht angesprochen. Ich antworte darauf: bestimmt nicht. Antiziganismus ist leider unbestreitbar Realität in unserer Gesellschaft, und Quantifizierung macht diese weder besser noch schlechter. Das gilt im Übrigen auch für deutsche Heimatvertriebene.

Die Manipulation ist es, die ich kritisiere. Eine solche benötigen wir nicht, und sie schadet den Betroffenen mehr, als sie ihnen nützt.

Die Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes brachte teils sogar erfreuliche Ergebnisse zutage, wie zum Beispiel das Wissen um die Leiden der Sinti und Roma unter den Nationalsozialisten oder auch die Befürwortung eines freien Zugangs der allochthonen Sinti und Roma zum Arbeitsmarkt durch eine Mehrheit in unserer Gesellschaft.

Leider bleiben genau diese Befunde jedoch von den Auftraggebern der Studie unerwähnt. Sie behaupten in der Begründung Ihres Antrags sinngemäß das Gegenteil. Warum? Ein solches Vorgehen ist in der Sache nicht hilfreich. Es schadet vielmehr in letzter Konsequenz den Anliegen der Sinti und Roma.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, Resultat solch unsauberer Darstellungen sind dann meist überzogene Forderungen.

Herr Kollege, der Kollege Beck fragt, ob er eine Zwischenfrage genehmigt bekommt.

Aber gerne.

Bitte.

Es passt sehr gut, dass Sie zu den überzogenen Forderungen unseres Antrags kommen, der zum Inhalt hat, dass wir das Gleiche machen wollen wie beim Thema Antisemitismus. Ist Ihnen bekannt, dass auch der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma und die Antidiskriminierungsstelle des Bundes diese wohl nicht überzogenen Forderungen erheben, und was ist Ihre Antwort darauf? Was wollen Sie in diesem Themenbereich konkret tun?

Herr Kollege Beck, ich habe zu den Forderungen und dem Maß der Überziehung noch nichts gesagt. Dazu komme ich noch. Mir ist nicht bekannt, was der Zentralrat der Sinti und Roma dazu sagt. Ich bin davon ausgegangen, dass der Antrag von Ihnen, den Grünen, stammt. Wenn Sie sagen, dass Sie einen fremden Antrag übernommen haben, dann würde ich mich dem gerne nähern.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben sich gerade auf die Studie bezogen!)

Aber ich gehe auf die Frage im Weiteren noch ein. Damit ist Ihre Frage beantwortet, und ich fahre mit meiner Rede fort.

Resultat solch unsauberer Darstellungen sind, wie gesagt, meist überzogene Forderungen. Ich komme noch darauf zurück und nenne, was ich für überzogen halte. Auch hier müssen wir aufpassen, dass wir realitätsnah bleiben und nicht über das Ziel hinausschießen.

Selbstverständlich dürfen auch Sinti und Roma weder bei Bildungsangeboten noch bei der Wohnungssuche, der Arbeitssuche oder sonst in irgendeiner Weise benachteiligt oder diskriminiert werden. Wenn jedoch zum Beispiel – ich nenne das nur, weil es oft Gegenstand der Debatte ist – Begriffe aus der Alltagssprache verbannt werden sollen, die gar keinen negativen Bezug haben, dann halte ich das für überzogen.

(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Beispiele meinen Sie denn?)

Müssen etwa Köche ihre Rezeptbücher umschreiben und aus dem beliebten „Zigeunerschnitzel“ ein „Schnitzel nach Art der mobilen ethnischen Minderheit“ zu machen, um nicht des Antiziganismus bezichtigt zu werden?

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist jetzt Ihr Beitrag zum Antiziganismus?)

Darüber schütteln sogar Sinti und Roma den Kopf. Ich kenne gerade in Rumänien, wo ich 18 Jahre lang gelebt habe, viele, die sich selbst und stolz als Zigeuner bezeichnen.

Sie wollen nun – damit komme ich zu Ihren Forderungen – ein eigenes Hochschulinstitut für Antiziganismus. Sie fordern eine Bestandsaufnahme zu Entstehungsgeschichte und Folgen, gerade so, als ob Antiziganismus etwas anderes – etwas Spezifischeres und Abgrenzbareres – wäre als schlichter Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sinti und Roma leben seit Jahrhunderten hier!)

Ich halte derartige Forderungen für Aktionismus und bin der Auffassung, dass sie keinem helfen. Viel wichtiger ist es, dass wir uns weiterhin gegen rassistische Vorurteile und diskriminierende Einstellungen in einigen Köpfen in unserer Gesellschaft einsetzen. Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wo ist er? – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Ihrer ist nicht ganzheitlich!)

Letztlich handelt es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der wir uns stellen müssen.

An einer einzigen Stelle in Ihrem Antrag haben Sie recht: Sie stellen fest, es gelte, „eine Zersplitterung der Forschung bzw. der Beobachtung und Analyse von Diskriminierung in Deutschland zu verhindern“. Sie haben völlig recht. Genau so ist es. Deswegen ist Ihr Antrag abzulehnen.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Petra Pau, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/3997035
Wahlperiode 18
Sitzung 61
Tagesordnungspunkt Bekämpfung des Antiziganismus
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