05.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 62 / Tagesordnungspunkt 3

Eva HöglSPD - Vereinbarte Debatte anlässlich der Aufdeckung der NSU-Verbrechen

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Morde und Sprengstoffanschläge des rechtsextremen Terrornetzwerks NSU waren Anschläge auf unsere Demokratie. Wir alle waren gemeint: unser friedliches Zusammenleben, unsere tolerante Gesellschaft und unser Rechtsstaat. Wir alle sollten getroffen werden durch diese Anschläge. Wir mussten vor drei Jahren schlagartig erkennen, dass wir in Deutschland rechtsextremen Terror haben. Wir mussten erkennen, wie gefährlich Rechtsextremismus ist und dass Rechtsextremisten zum Äußersten nicht nur bereit, sondern auch in der Lage sind. Das war für uns eine schlagartige Erkenntnis. Wir mussten leider auch feststellen – das ist sehr bitter –, dass niemand damit gerechnet hat, dass wir solche rechtsextremen Terrorstrukturen haben, dass niemand darauf vorbereitet war und dass die Sicherheitsbehörden weder in der Lage waren, das untergetauchte Trio zu fassen, noch bis in die letzten Tage hinein die Zusammenhänge zur Mordserie herzustellen. Deswegen – das wurde schon gesagt; ich betone das, weil das für uns alle eine Verpflichtung ist – ist es unsere Verantwortung, hier im Deutschen Bundestag alles dafür zu tun – das eint uns –, dass so etwas nie wieder passiert.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Zwei Botschaften sind für mich sehr wichtig; das ist schon angeklungen, und ich wiederhole es. Wir haben etwas daraus gelernt. Das ist die erste wichtige Botschaft. Der NSU stellt eine Zäsur dar, und wir haben etwas daraus gelernt. Die zweite Botschaft lautet: Wir lassen nicht locker.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zwei Punkte möchte ich hervorheben. Das Erste ist: Die Aufklärung geht weiter. Wir sind bei der Aufklärung noch nicht am Ende. Es gibt noch viele offene Fragen. Ich will sie kurz nennen. Es hat uns nie überzeugt – auch im Untersuchungsausschuss nicht –, dass Michèle Kiesewetter, die Heilbronner Polizistin, ein Zufallsopfer gewesen sein soll. Es hat uns nie überzeugt, dass das Trio nur ein Trio sein sollte, plus ein paar Unterstützer. Wir sind der Auffassung, dass es sich um ein breites Netzwerk rechtsextremer Strukturen, verteilt über ganz Deutschland, handelt. Wir sind immer der Frage nachgegangen – das tun wir noch heute –: Gab es V-Leute, die mehr hätten wissen können und dichter dran waren? Das sind nur drei der vielen offenen Fragen, die uns auch hier im Bundestag bewegen. Es eint uns – hier sollten keine Differenzen herbeigeredet werden, die es nicht gibt –, dass wir alle gemeinsam weiter aufklären wollen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist sehr wichtig, dass auch die Landtage aufklären. Wir freuen uns, dass in Hessen und in Nordrhein-Westfalen Untersuchungsausschüsse eingesetzt wurden. Auch in Baden-Württemberg wurde endlich ein Untersuchungsausschuss eingerichtet. Die Thüringer denken darüber nach, ihren Untersuchungsausschuss fortzusetzen. Das steht noch zur Diskussion. Wir erwarten, dass er fortgesetzt wird. Wir im Bundestag bleiben ebenfalls dran. Wie gesagt, wir lassen nicht locker. Das machen wir fraktionsübergreifend, Stichwort „Corelli“. Wir gehen den offenen Fragen nach.

Der zweite Punkt ist die Umsetzung der Empfehlungen des Untersuchungsausschusses. Hier geht es manchen nicht schnell genug. Manche Dinge brauchen aber auch Zeit. Es geht um die gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern. Wir haben uns jedenfalls gemeinsam darauf verständigt, umfassende Reformen bei Polizei, Verfassungsschutz und Justiz einzuleiten. Dass es dringend erforderlich ist, dass wir besser aufgestellt sind, haben die Ereignisse rund um Köln bei der gewalttätigen Demonstration der Rechtsextremen gezeigt. Köln hat gezeigt, dass die Rechtsextremen in der Lage sind, ein breites Netzwerk zu bilden, sich mit Hooligans zu verbünden, breit zu mobilisieren, und zwar in ganz Deutschland, und mehrere Tausend Leute an einem Ort zu versammeln. Das muss uns große Sorgen machen. Wir müssen besser aufgestellt sein und dürfen die Gefahr des Rechtsextremismus auch bei solchen Demonstrationen auf keinen Fall unterschätzen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen, der die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses betrifft. Das ist unser Einsatz für Prävention und zivilgesellschaftliches Engagement gegen Extremismus. Wir haben bereits einen Punkt der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses umgesetzt. Ich bin sehr dankbar – ich schaue dabei unsere Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend an –, dass wir es geschafft haben, die Programme verlässlicher zu gestalten, für mehr Planungssicherheit zugunsten von Verbänden, Vereinen und Organisationen zu sorgen und eine langfristigere Finanzierung zu ermöglichen. Das war eine wichtige Forderung, weil viele Projekte insbesondere unter der Kurzfristigkeit ihrer Förderung sehr gelitten haben.

Was wir aber gemeinsam noch nicht geschafft haben, woran wir noch arbeiten müssen und wozu wir einen Auftrag haben – wir haben die Haushaltsdebatte hier im Plenum ja noch vor uns –, ist Folgendes: Wir müssen die Mittel aufstocken, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen mehr Geld im Kampf gegen Rassismus, gegen Rechtsextremismus, gegen Antisemitismus, gegen politischen und religiösen Extremismus.

Vor allen Dingen brauchen wir mehr Geld für Prävention. Wir müssen Anlaufstellen auch zum Beispiel für diejenigen schaffen, die sich jetzt den Salafisten anschließen. Es besorgt uns sehr, dass gerade junge Menschen den Salafismus attraktiv finden und sich dort in die Moscheen begeben.

Deswegen werbe ich auch an dieser Stelle, bei dieser Debatte, dafür, dass wir uns gemeinsam dazu entschließen, die Mittel nicht nur zu verstetigen, sondern auch aufzustocken, und dass von dieser Debatte das klare Signal ausgeht: Kein Platz in Deutschland, in Europa und überall für Rassismus und Rechtsextremismus, kein Platz für Gewalt! Ich habe mich sehr gefreut, dass wir, drei Jahre nachdem der NSU aufgeflogen war, hier noch einmal zu diesem Thema diskutieren. Es wird sicherlich nicht das letzte Mal gewesen sein; denn wir bleiben an diesem Thema dran.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt für die CDU/CSU der Kollege Armin Schuster.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4074159
Wahlperiode 18
Sitzung 62
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte anlässlich der Aufdeckung der NSU-Verbrechen
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