Andreas SchwarzSPD - Regierungserklärung zur Einigung auf wirksamere Regeln zur Bekämpfung von Steuerflucht
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der spätere langjährige Präsident des Deutschen Reichstages, der Sozialdemokrat Paul Löbe, hat am 17. Dezember 1919 in der verfassunggebenden Nationalversammlung in einer bemerkenswerten Rede unter anderem Folgendes ausgeführt – ich zitiere –:
Zitatende.
(Beifall bei der SPD)
Man sieht, die Bekämpfung der Steuerhinterziehung war und ist für die SPD immer auch eine Frage der Gerechtigkeit. „ Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“, so lautet ein bekanntes Sprichwort.
Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hatten nach der Aufdeckung prominenter Fälle von Steuerflucht den Eindruck gewonnen, dass sich Wohlhabende vom Tatbestand der Steuerhinterziehung freikaufen können. Der Schaden, den Steuerbetrug anrichtet, ist also nicht nur fiskalischer Natur. Nein, er hat auch eine gesellschaftspolitische Dimension. Das Gerechtigkeitsgefühl der Menschen in diesem Lande wird erschüttert. Hier können und dürfen wir nicht tatenlos bleiben. Deshalb handeln wir.
Steuerbetrug ist Betrug an der Allgemeinheit und verbaut Zukunftschancen. Daher ist es richtig und wichtig, dass wir die Regelungen für die strafbefreiende Selbstanzeige verschärfen. Wir wollen, dass der Staat die Steuern erhält, die ihm zustehen,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
und wir wollen das Gerechtigkeitsgefühl der Bevölkerung wieder ins Lot bringen.
Der vorliegende Gesetzentwurf gibt darauf überzeugende Antworten und findet daher die volle Unterstützung der SPD-Bundestagsfraktion. Wir schaffen die Selbstanzeige ausdrücklich nicht ab. Ja, die Hand des Staates bleibt ausgestreckt, aber – das ist für uns entscheidend – zu deutlich erschwerten Bedingungen. Der amtierende thüringische Finanzminister Wolfgang Voß hat das im April 2014 überzeugend zusammengefasst – ich zitiere –:
Steuerbetrug darf sich niemals lohnen. Deshalb ist es richtig, dass wir die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit nicht verbauen, aber eben deutlich erschweren und vor allen Dingen teurer machen.
Es ist kein Geheimnis, dass es innerhalb der SPD zu Beginn durchaus auch kontroverse Ansichten zur Beibehaltung der Selbstanzeige gab. Dass wir die Selbstanzeige am Ende aber sogar vor dem bayerischen Finanzminister Markus Söder retten mussten, ist schon ein Novum. Herr Söder wollte im Frühjahr 2014 eine Obergrenze diskutieren lassen, ab der eine Selbstanzeige generell unwirksam sein sollte. Aber so ist es nach langen, sehr konstruktiven Gesprächen und Verhandlungen nicht gekommen. Von Beginn an wurde von der Bund-Länder- Arbeitsgruppe und der Finanzministerkonferenz parteiübergreifend eine ganz klare Botschaft ausgesendet: Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt und wird konsequent bekämpft und bestraft.
(Beifall bei der SPD)
Bund und Länder haben – bei durchaus unterschiedlichen Auffassungen im Detail – an einem Strang gezogen. Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung setzt die gemeinsam verabredeten Beschlüsse überzeugend um. Für die geleistete Arbeit sprechen wir Herrn Bundesfinanzminister Dr. Schäuble, dem Vorsitzenden der Finanzministerkonferenz, Dr. Walter- Borjans, und allen Beteiligten unseren herzlichen Dank aus. Das Ergebnis bei der Abstimmung des Finanzausschusses des Bundesrates vorletzte Woche spricht ebenfalls für sich: Bei 15 Jastimmen und einer Enthaltung durch Brandenburg wurde beschlossen, diesen Gesetzentwurf dem Bundesrat zur Beschlussfassung vorzulegen – ohne Änderung.
Am 8. Oktober 2014 erklärte der hessische Finanzminister, Herr Schäfer:
Recht hat er. Man muss ja oft Jahre warten, bis sich ein Gesetz als erfolgreich herausstellt. Manchmal, so hört man, wird nie etwas daraus. Welcher Gesetzentwurf bringt hingegen bereits Milliarden an Mehreinnahmen, bevor er überhaupt verabschiedet ist? Keine Frage, ein solch erfolgreiches Gesetz ist ein gutes Gesetz. Den Druck auf Steuerbetrüger zu erhöhen, hat sich unbestreitbar als der richtige Weg erwiesen. Bis dato gingen in diesem Jahr schon 32 000 Selbstanzeigen bei den Steuerbehörden ein, und im vergangenen Jahr waren es rund 24 000 Anzeigen – ein toller Erfolg. Diesen Weg werden wir mit der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes konsequent weitergehen.
Wir begrüßen ebenfalls, dass die Straffreiheitsgrenze auf 25 000 Euro abgesenkt wird. Wer im Bereich von Kapitalerträgen 25 000 Euro an Steuern hinterzieht, hat 100 000 Euro an Zinsen nicht angegeben und somit bei einem unterstellten Zinssatz von 2 Prozent 5 Millionen Euro vor dem Fiskus versteckt.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Diese Armut!)
Hier geht es nicht um ein Kavaliersdelikt. Nein, hier geht es um massiven Steuerbetrug. Deshalb ist die Absenkung der Straffreiheitsgrenze wohl sehr begründet.
Noch ein Wort zu den Anmeldesteuern. Das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz von 2011 hat die Problematik im Hinblick auf die Anmeldesteuern der Unternehmer ja erst geschaffen. Deshalb begrüßen wir, dass die Teilselbstanzeige bei der Lohn- und Umsatzsteuervoranmeldung wieder möglich ist. Dieser Gesetzentwurf hat also nicht nur Verschärfungen und strenge Regelungen zum Inhalt, sondern er bietet auch praxisorientierte Verbesserungen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir, dass ich diese Rede mit einem Zitat des großen Sozialdemokraten Paul Löbe schließe – seine Worte vom 17. Dezember 1919 sind fast 100 Jahre alt, haben aber an Aktualität nichts eingebüßt. Ich zitiere:
Dieser Aufforderung kommt der vorgelegte Gesetzentwurf in vollem Umfang nach.
Deshalb kann man auf die Unterstützung der SPD- Bundestagsfraktion zählen. Wir freuen uns auf weiterhin gute Gespräche mit den Kolleginnen und Kollegen der Union und gute Debatten im Finanzausschuss und im Parlament.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Bettina Kudla ist die nächste Rednerin für die CDU/ CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4077663 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 63 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zur Einigung auf wirksamere Regeln zur Bekämpfung von Steuerflucht |