06.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 63 / Tagesordnungspunkt 4

Bettina KudlaCDU/CSU - Regierungserklärung zur Einigung auf wirksamere Regeln zur Bekämpfung von Steuerflucht

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst einmal auf das Steuerabkommen mit der Schweiz eingehen, weil dies hier mehrfach kritisch angesprochen wurde. Ich wundere mich, wie Politiker stolz darauf sein können, dass sie verhindert haben, dass aus der Schweiz Milliarden an Steuern nach Deutschland fließen.

(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: So ist das!)

Deshalb muss man einmal fragen, wer denn die Verantwortung dafür trägt, dass dem deutschen Staat Milliarden an Steuereinnahmen entgehen. Mit der Unterzeichnung des Abkommens wären 2 Milliarden Euro sofort geflossen.

(Widerspruch bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Steuereinnahmen in Höhe von 10 Milliarden Euro sind prognostiziert worden. Wer die harte Nuss Schweiz knacken will, der muss erst einmal ein unterschriebenes Abkommen vorlegen.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Schweizer sind viel weiter! – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Da hat uns FATCA geholfen, nicht dieses Abkommen!)

Momentan beteiligt sich die Schweiz noch nicht an dem automatischen Informationsaustausch. Nach dem ursprünglich vorgesehenen Abkommen wären künftige Kapitalerträge genauso wie in Deutschland besteuert worden. Es hätte also gar keinen Sinn mehr gemacht, Geld in die Schweiz zu transferieren.

Hinsichtlich der Abgeltungsteuer wurde hier gesagt, man wolle das genauso wie mit der Lohnsteuer handhaben. Das macht aber doch gar keinen Sinn. Es hat seinen guten Grund, dass die Abgeltungsteuer nicht so behandelt wird wie die Lohnsteuer, weil man Kapitaleinkünfte nicht so einfach greifen kann wie die Steuer des Arbeitnehmers. Deswegen hat die Abgeltungsteuer durchaus ihren Sinn.

(Zuruf des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])

Nun zum Gesetzentwurf zur strafbefreienden Selbstanzeige. Zunächst zur Ausgangslage. Die Bekämpfung der Steuerhinterziehung ist ein wesentliches Ziel der Koalition. Die Selbstanzeige als Fall der Straffreiheit nach Beendigung des Delikts ist daher immer wieder rechtfertigungsbedürftig. Mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz wurden die Voraussetzungen für eine strafbefreiende Selbstanzeige im Jahr 2011 deutlich verschärft. Der aktuelle Gesetzentwurf setzt die Eckpunkte der Beschlüsse der Finanzministerkonferenz vom Mai 2014 um.

Kern des Gesetzes ist, dass das Instrument der Selbstanzeige beibehalten wird. Folgende Leitplanken dienen dem Gesetz als Grundlage: Es wird immer die Abwägung getroffen zwischen dem Gebot der gerechten Bestrafung und der pragmatischen Ermöglichung der Rückkehr in die Legalität. Die strafbefreiende Selbstanzeige soll dem Steuerpflichtigen den Weg in die Steuerehrlichkeit eröffnen, sofern dieser Steuern hinterzogen hat. Der strafrechtliche Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“, wonach niemand an seiner eigenen Überführung mitwirken muss, muss trotz der erheblichen Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen auch im Steuerstrafrecht Geltung behalten.

Die Öffentlichkeit ist durch die Diskussion der vergangenen Monate erheblich sensibilisiert worden. Es ist ein stärkerer Verfolgungsdruck entstanden, und die Zahl der strafbefreienden Selbstanzeigen hat sich deutlich erhöht. Das ist zu begrüßen.

Ich möchte aber auch betonen, gerade was die Sensibilisierung der Öffentlichkeit betrifft: Das Recht des Bürgers auf die Wahrung des Steuergeheimnisses besteht nach wie vor.

Im Einzelnen zum Gesetz. Wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, wird – wir haben es jetzt schon mehrfach gehört – der Nacherklärungszeitraum auf zehn Jahre ausgedehnt. Das schafft mehr Rechtssicherheit. Bisher mussten fünf Jahre nacherklärt werden, und für weiter zurückliegende Zeiträume wurde geschätzt. Es tritt ein Sperrgrund ein: Nur wer den Strafzuschlag bezahlt, bleibt straffrei. Die Staffelung des Zuschlags führt zu einer deutlichen Verschärfung bei der strafbefreienden Selbstanzeige. Wichtige neue Voraussetzung für die Wirksamkeit ist, dass die Hinterziehungszinsen sofort mit Abgabe der Selbstanzeige entrichtet werden; allerdings ist es auch hier gängige Praxis, dass die Finanzämter eine angemessene Frist setzen. Das ist auch notwendig; denn die Belange der kleinen und mittelständischen Betriebe müssen berücksichtigt werden. Das Gesetz soll dazu dienen, dem Steuerpflichtigen zu mehr Steuerehrlichkeit zu verhelfen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Im Bereich der Anmeldesteuern wird eine Teilselbstanzeige ermöglicht, damit Korrekturen – Fehler passieren nun einmal im betrieblichen Alltag – nicht kriminalisiert werden. Die Berichtigungsvorschrift bzw. die ausdrückliche Berichtigungsmöglichkeit des § 153 AO gilt nach wie vor. Das ist wichtig für die Rechtssicherheit der Unternehmen. Wir haben ferner in dem Gesetz vorgesehen, dass eine Anlaufhemmung der steuerrechtlichen Festsetzungsverjährung eintritt bei Kapitalerträgen aus Ländern, die am automatischen Informationsaustausch nicht teilnehmen. Das ist ein deutliches Signal an diejenigen Steuerpflichtigen, die ihr Geld in Steueroasen anlegen und dem Fiskus die Einnahmen verschweigen.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung findet einen angemessenen Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen und beendet vorhandene Missstände. Das Gesetz wird dazu beitragen, dass die Zahl der Fälle von Steuerhinterziehung, insbesondere großen Ausmaßes, zurückgehen wird.

(Beifall der Abg. Antje Tillmann [CDU/CSU] und Lothar Binding [SPD])

Gleichzeitig bleiben die positiven Wirkungen der Selbstanzeige erhalten. Das wären insbesondere die Möglichkeit der Rückkehr in die Legalität, die Stabilisierung der Steuereinnahmen, die Vermeidung des verfassungsrechtlich schwierigen Aufeinanderprallens von Selbstbelastungsfreiheit im Strafrecht und weitreichender Mitwirkungspflicht im Steuerrecht.

Es liegt ein wirksamer Gesetzentwurf gegen Steuerhinterziehung vor, der in einigen wenigen Details noch auf seine Praxistauglichkeit, insbesondere im Hinblick auf anschlussgeprüfte Unternehmen, überprüft werden muss.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Andreas Schwarz [SPD])

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Carsten Sieling, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Antje Tillmann [CDU/CSU])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4077666
Wahlperiode 18
Sitzung 63
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zur Einigung auf wirksamere Regeln zur Bekämpfung von Steuerflucht
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