06.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 63 / Tagesordnungspunkt 4

Uwe FeilerCDU/CSU - Regierungserklärung zur Einigung auf wirksamere Regeln zur Bekämpfung von Steuerflucht

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung, den wir heute in erster Lesung miteinander diskutieren, knüpfen wir an eine durchaus kontroverse und lange öffentliche Debatte an, die wir nun auch parlamentarisch zum Abschluss bringen werden.

Der etwas sperrige Titel des Gesetzentwurfs sollte uns dennoch nicht daran hindern, diesen Baustein zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung durch die Weiterentwicklung des Instruments der strafbefreienden Selbstanzeige zu würdigen. Aus meiner Sicht lohnt es sich, noch einmal deutlich zu machen, dass die strafbefreiende Selbstanzeige nicht nur eine Möglichkeit für Steuerhinterzieher darstellt, unter nunmehr verschärften Bedingungen wieder zurück in die Gemeinschaft der ehrlichen Steuerzahler zu finden, die wir bis auf verhältnismäßig wenige Ausnahmen in Deutschland ja auch haben. Sie ist vielmehr auch im Interesse des ehrlichen Steuerzahlers und der Finanzverwaltung.

Meine Damen und Herren, wer die Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige fordert, verkennt, dass in kaum einem anderen Rechtsgebiet eine derart umfassende Mitwirkung verlangt wird wie im Steuerrecht. Umgekehrt fordert die Tatentdeckung nirgendwo einen derartigen Einsatz an hochqualifiziertem Personal und vor allem Zeit. Der Einsatz von mehr Steuerfahndern in den Finanzämtern reicht hierbei allerdings nicht aus. Wir müssen den Finanzbehörden auch die nötigen Werkzeuge an die Hand geben.

Die Tatentdeckung im Steuerrecht ist deutlich schwieriger als in anderen Rechtsgebieten. Beim Bankraub merkt der Filialdirektor spätestens am Montagmorgen, wenn er den Tresorraum aufschließt, dass der Tresor leer und irgendetwas nicht in Ordnung ist. Das Konto in der Schweiz, in Liechtenstein oder anderswo finden Sie so schnell nicht, und wir brauchen in der Finanzverwaltung die entsprechenden Werkzeuge, um derartige Konten zu finden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Andreas Schwarz [SPD])

Wer die Politik der Bundesregierung und der Regierungskoalition aufmerksam verfolgt, muss bei objektiver Betrachtung feststellen, dass große Anstrengungen unternommen wurden, um Steuerhinterziehung wirksam zu bekämpfen. Deshalb ist es wichtig, den Blick nicht nur auf das Instrument zu richten, sondern auch zu beurteilen, wie sich die strafbefreiende Selbstanzeige in den gesamten Instrumentenkasten einfügt.

Meine Damen und Herren, in der vergangenen Woche haben sich in Berlin auf Einladung von Bundesfinanzminister Schäuble die Finanzminister von 51 Staaten darauf verständigt, ab September 2017 den automatischen Informationsaustausch für Besteuerungszwecke einzuführen. Jeder, der mit politischen Prozessen vertraut ist, weiß, welches Verhandlungsgeschick, aber auch welche Durchsetzungsstärke vonnöten ist, um die divergierenden Interessen von 51 Staaten unter einen Hut zu bringen. Wir haben eben schon von einem Meilenstein gehört. Für mich als ehemaligen Angehörigen der Steuerverwaltung ist es ein Felsblock. Herr Bundesminister, vielen Dank, dass Sie diesen Felsblock gesetzt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deutschland gehört damit gemeinsam mit anderen Staaten zu den Vorreitern dabei, Steuerhinterziehung effizient und effektiv zu bekämpfen und im Interesse des ehrlichen Steuerzahlers Einnahmen für den Staat zu sichern. Ich bin mir sicher, dass den 51 Staaten, die sich bisher schon beteiligen, noch weitere Staaten folgen werden.

Fest steht aber auch, dass es bei 194 Staaten, die es weltweit gibt, und 51 teilnehmenden Staaten auch in Zukunft weiterer Instrumente bedarf, um Steuerhinterziehung und Steuerflucht wirksam zu verhindern. Das von der OECD angestoßene BEPS-Projekt wird dazu beitragen, dass dieser Prozess weiter an Fahrt gewinnt. Ich freue mich bereits auf die Debatten zu diesem Thema im kommenden Jahr.

Deshalb ist es im Zusammenspiel mit dem oben genannten Abkommen in der EU auch richtig, dass der automatische Informationsaustausch weiter verbessert wird und auch Dividenden, Veräußerungsgewinne aus Wertpapieren, andere Finanzprodukte, sonstige Finanzerträge und Kontoguthaben mit einbezogen werden sollen.

Meine Damen und Herren, der zunehmende Verfolgungsdruck wird zu einer weiteren Erhöhung der Anzahl der Selbstanzeigen führen. Steuersünder werden diese Kronzeugenregelung dafür nutzen, sich ehrlich zu machen, um wieder in die Gemeinschaft der ehrlichen Steuerzahler zurückzufinden. Ohne die Möglichkeit der Selbstanzeige würden wir aufgrund der steuerlichen Verjährungsfristen auf Einnahmen verzichten. Das führt ebenfalls zu weniger Steuergerechtigkeit.

Hier sind natürlich auch die Länder gefragt und in die Pflicht genommen, ihre Finanzämter mit ausreichend Personal auszustatten, um die gewonnenen Erkenntnisse entsprechend verarbeiten zu können. Hier bleibt für mich festzustellen, dass auch mein Heimatland Brandenburg mit einem Personalbesatz von circa 85 Prozent der Personalbedarfsberechnung nicht gerade positiv hervortritt.

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das ist besser als Bayern!)

In der öffentlichen Diskussion wird die strafbefreiende Selbstanzeige oft lediglich im Zusammenhang mit hinterzogenen Steuern bei Kapitalerträgen betrachtet. Bei den beispielhaft genannten prominenten Einzelfällen wird aber vollkommen außer Acht gelassen, dass weitere Steuerverkürzungen zum Beispiel bei anderen Einkunftsarten oder bei den Anmeldesteuern für eine Selbstanzeige infrage kommen können. Die strafbefreiende Selbstanzeige soll und darf jedoch kein Wellnessangebot für Steuerhinterzieher darstellen. Deshalb wird – genauso wie bisher – eine umfassende Mitwirkungspflicht dem Steuerpflichtigen abverlangt, gerade um eine vermeintliche Besserstellung gegenüber dem ehrlichen Steuerzahler zu unterbinden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])

Konkret soll künftig die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige nur noch bei hinterzogenen Beträgen bis zu 25 000 Euro statt wie bisher bis zu 50 000 Euro eintreten. Hinzu kommt, dass bei hinterzogenen Steuern auf Kapitalerträge, die nicht automatisch übermittelt werden, die Anlaufhemmung bei der steuerrechtlichen Festsetzungsverjährung ab dem 1. Januar 2015 bis zu zehn Jahre betragen kann. In Verbindung mit der generellen Ausdehnung des Berichtigungszeitraums auf zehn Jahre wird deutlich, dass wir fest entschlossen sind, dieses Instrument zu behalten, aber auch Anpassungen vorzunehmen, die deutlich machen, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt darstellt.

Richtig finde ich auch, zukünftig Anstifter und Gehilfen in den Kreis derjenigen aufzunehmen, die einer Sperre nach § 371 Absatz 2 AO unterliegen und von der Strafbefreiung ausgenommen werden. Das schließt im Übrigen Amtsträger, die ihre Position missbrauchen, ein. Wichtig ist mir an dieser Stelle, zu unterstreichen, dass wir in § 371 aber auch die Möglichkeit der Korrektur von Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen verbessert haben, sodass sich Betriebe nicht dem Verdacht der Steuerhinterziehung ausgesetzt sehen müssen. Das Gleiche gilt für anschlussgeprüfte Betriebe, die nunmehr für nicht auf einer Prüfungsanordnung aufgeführte Steuerarten und Zeiträume zum Mittel der Selbstanzeige greifen können. Wie wir bereits gehört haben, bleibt uns § 153 AO in der bisherigen Form erhalten. Der Unterschied liegt hier in der Strafbarkeit und der Nichtstrafbarkeit. Wer also eine berichtigte Steuererklärung abgibt, kann auch zukünftig darauf hoffen, nicht mit einem Strafverfahren konfrontiert zu werden. Das ist bislang in der Praxis leider ein wenig anders. Ich freue mich, dass es uns in der Fraktion gelungen ist, mit dem Bundesfinanzministerium übereinzukommen, dass wir zu § 153 eine klarstellende Regelung in Form eines Erlasses erhalten werden.

Die zu leistenden Geldbeträge nach § 398 a AO werden angepasst und zukünftig gestaffelt. 10 Prozent der hinterzogenen Steuern werden bei Beträgen bis zu 100 000 Euro fällig, 15 Prozent bei Beträgen bis zu 1 Million Euro und 20 Prozent bei darüber hinausgehenden Beträgen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass sich die Schuld des Straftäters bei der zu vermeidenden Strafbemessung an der Höhe der hinterzogenen Steuern orientiert.

Noch ein kurzes Wort zur Abgeltungsteuer. Solange der vereinbarte Informationsaustausch nicht funktioniert, brauchen wir weiterhin eine Abgeltungsteuer. Deswegen ist es falsch, bereits über ihre Abschaffung zu diskutieren. Ebenso falsch ist, ein wahres Bürokratiemonster wie das Halbeinkünfteverfahren wiederzubeleben. Wir müssen schauen, was wir hier in Zukunft machen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])

Ich freue mich auf die Diskussionen im Ausschuss und die dazugehörigen Anhörungen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4077670
Wahlperiode 18
Sitzung 63
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zur Einigung auf wirksamere Regeln zur Bekämpfung von Steuerflucht
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