Sven-Christian KindlerDIE GRÜNEN - Europäische Bankenunion
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach den etwas schlichten Reden, sowohl des Kollegen Ulrich als auch des Kollegen Kahrs, will ich wieder zum Thema der Debatte zurückkommen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn wir heute über die Bankenunion und den ESM reden, dann dürfen wir, finde ich, nicht vergessen, was der Hauptgrund für die immer noch andauernde Finanzkrise in Europa war. Hauptgrund waren und sind die hohen Schulden des Bankensystems. Bis 2008 hatten Länder wie Irland oder Spanien zum Beispiel deutlich bessere Haushaltszahlen als Deutschland. Aber in diesen Ländern gab es einen überbordenden Banken- und Immobiliensektor. In der Krise sind dann aus diesen Bankschulden Staatsschulden geworden. Nach Angaben der Europäischen Kommission haben die europäischen Staaten von 2008 bis 2012 rund 600 Milliarden Euro für den Bankensektor bereitgestellt; rund 80 Prozent davon entfielen auf Griechenland, Irland, Spanien und Portugal. Dieses Geld fehlt uns heute für den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Dieses Geld fehlt uns heute für Investitionen. Wir Grüne sagen klar für die Zukunft: Es muss in Europa endlich Schluss damit sein, dass Bankschulden in Staatsschulden umgewandelt werden, dass die Staatshaushalte und die Steuerzahler für die Bankenrettung aufkommen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir dürfen nicht vergessen: Woran lag diese falsche Krisenpolitik in den letzten Jahren in Europa? Das lag auch daran, dass wir keinen Lösungsmechanismus hatten für stark vernetzte Banken in Europa, für die Abwicklung und die Kontrolle. Die Bundesregierung, vor allen Dingen Bundesfinanzminister Schäuble, hat das in den letzten Jahren auf europäischer Ebene immer blockiert und torpediert; sie hat immer nur die nationale Karte gespielt. Dass die Krise im Bankensektor die Staaten in Europa so viel Geld gekostet hat, dass sie sich so verschärft hat, dafür ist auch die deutsche Bundesregierung verantwortlich. Das war nicht pro-europäisch, das war national borniert. Und: Das war und ist am Ende ganz teuer für Europa.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: So ein Unsinn!)
Dieser Logik der nationalen Bankenrettung mit Steuergeldern folgt leider auch die Umsetzung der BRRD- Richtlinie in Deutschland. Auf europäischer Ebene soll ein Rechtsrahmen bezüglich der Bankenunion geschaffen werden. Trotzdem will die Bundesregierung mit dem SoFFin nationale Steuermittel weiter ins Schaufenster stellen. Wir Grüne beantragen heute, dass der SoFFin nicht um ein weiteres Jahr verlängert wird. Das wäre das falsche Signal und würde auch dem Grundgedanken der europäischen Lösung widersprechen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir Grüne haben von Anfang an eine europäische Bankenunion gefordert. Wir brauchen eine gemeinsame Kontrolle, ein gemeinsames Abwägen, auch harte Regelungen, damit Eigentümer und Gläubiger in der Krise zahlen und nicht wieder die Steuerzahler für die Bankenrettung eintreten müssen. Wir sollten aber auch nicht vergessen, wer die entscheidenden Fortschritte auf europäischer Ebene durchgesetzt hat. Das war nicht die Bundesregierung. Im Gegenteil: In der entscheidenden Nacht hat sich das Europäische Parlament bei den zentralen Fragen wie einer effektiven Bankenabwicklung ganz klar gegen den Europäischen Rat und Wolfgang Schäuble durchgesetzt. Das war auch dringend notwendig und gut so.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Leider hat sich an einer anderen entscheidenden Stelle die deutsche Bundesregierung durchgesetzt, und zwar bei der Frage des intergouvernementalen Übereinkommens, kurz: IGA.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Hat sie oder hat sie nicht?)
– Ja, bei einem ganz zentralen, europapolitisch bedenklichen Punkt, nämlich bei der IGA. – Was heißt IGA? Es geht darum, dass bis 2024, was viel zu lange ist, die national erhobenen Bankenbeiträge für den Abwicklungsfonds in einem zwischenstaatlichen Vertrag geregelt werden sollen. Das heißt, das europäische Recht wird hier ausgehebelt; das Europäische Parlament wird in seinen Rechten beschnitten. Die deutsche Bundesregierung war mit dieser Haltung in Europa isoliert. Kein anderer Mitgliedstaat und nicht das Europäische Parlament oder die Europäische Kommission haben diese Rechtsauffassung geteilt. Denn was innerhalb des europäischen Rechts geregelt werden kann, darf nicht in zwischenstaatliche Verträge zulasten des Europäischen Parlaments outgesourct werden. Dieser Vorfall – das sage ich ganz deutlich – ist ein Präzedenzfall für die europäische Demokratie. Er untergräbt die europäische Demokratie. Gerade in der Krise brauchen wir aber keine weitere Schwächung, sondern eine Stärkung des europäischen Parlaments. Darum geht es.
(Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Die Europäische Kommission hat doch zugestimmt!)
Weil wir Grüne die Bankenunion mit der gemeinsamen Abwicklung immer gefordert haben, werden wir heute trotz unserer Kritik am SoFFin für die BRRD-Richtlinie stimmen. Bezogen auf IGA, das intergouvernementale Übereinkommen, werden wir uns enthalten und es deshalb nicht ablehnen, weil wir zum Ausdruck bringen wollen, dass wir die Bankenunion und die Abwicklung unterstützen. Gleichzeitig wollen wir klarstellen, dass sich eine solche Umgehung der europäischen Demokratie nicht wiederholen darf.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das neue Instrument der direkten Bankenrekapitalisierung beim ESM lehnen wir Grüne ab; denn hier wird wieder Steuergeld ins Schaufenster gestellt und eine Parallelstruktur zur europäischen Bankenunion aufgebaut. Es ist hochproblematisch, dass der gemeinsame Abwicklungsfonds erst 2024 eingerichtet werden soll. Das heißt, für diese Zeit braucht man einen Letztsicherungsmechanismus, einen sogenannten Common Backstop. Das kann der ESM aber nicht leisten, jedenfalls nicht mit der direkten Bankenrekapitalisierung. Der ESM hat nicht die Kapazität und nicht die Expertise beim Management von maroden Banken. Gleichzeitig sind die Steuerzahler wieder in der Haftung. Deswegen sagen wir: Wir wollen eine Kreditlinie vom ESM als Common Backstop, weil klar ist, dass der Abwicklungsfonds die Banken abwickelt und restrukturiert und die Kredite außerdem zurückgezahlt werden müssen. Das heißt, nicht die Steuerzahler, sondern die Banken sind nachher in der Verantwortung. Das ist die richtige Lösung. Deswegen lehnen wir heute die Einführung der direkten Bankenrekapitalisierung beim ESM klar ab.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es ist schon angesprochen worden: Natürlich ist die Einführung der Bankenunion ein wichtiger Schritt für die Regulierung des Bankensektors. Das reicht aber nicht. Wir haben immer noch ein Problem mit Großbanken in Europa. Wir haben das Problem, dass es immer noch eine implizite Staatsgarantie für Großbanken gibt. Großbanken können am Finanzmarkt spekulieren und zocken, ohne dass sie reguliert werden. Leider ist es auch so, dass die Bankenabgabe das Problem nicht löst. Mit der Einführung eines Risikofaktors geht man völlig unzureichend auf das Problem Großbanken ein. Die Risiken, das systemische Risiko und die Too-big-to-fail- Problematik, werden nicht angemessen berücksichtigt. Nachher werden wahrscheinlich mittelgroße Banken mit einem risikoarmen Geschäftsmodell die Zeche zahlen.
Ich finde aber, dass es noch nicht zu spät ist. Die Europäische Kommission hat einen Vorschlag vorgelegt. Im Europäischen Parlament kämpft man jetzt darum, das zu stoppen und Änderungen einzubringen. Ich fordere die Bundesregierung und auch die Parlamentarier von CDU/CSU und SPD auf, hier Änderungen herbeizuführen. Großbanken müssen bei der Bankenabgabe den Hauptbeitrag leisten – das wäre nur fair und gerecht –, nicht kleine und mittlere Banken.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir müssen das Großbankenproblem angehen; es ist weiterhin nicht gelöst. Es müssen weitere Schritte folgen. Wir brauchen ein echtes, hartes Trennbankensystem. Wir brauchen ein scharfes Wettbewerbsrecht mit einer Bankenfusionskontrolle. Wir brauchen eine höhere Leverage Ratio, damit nachher nicht wieder die Steuerzahler die Verluste von Großbanken ausgleichen müssen. Die Schaffung der Bankenunion ist nur der erste Schritt; es müssen weitere wichtige Schritte und Reformen für eine konsequente Regulierung des Bankensektors folgen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4077768 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 63 |
Tagesordnungspunkt | Europäische Bankenunion |