06.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 63 / Tagesordnungspunkt 5 + ZP 1

Manfred ZöllmerSPD - Europäische Bankenunion

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Dienstag dieser Woche war wirklich ein historischer Tag. Die Europäische Zentralbank hat an diesem Tag die Aufsicht über die großen Banken in den meisten Ländern in Europa übernommen. Damit ist die erste Säule der Bankenunion sozusagen in Betrieb gegangen. Dies ist ein ganz wichtiger Schritt zur Stabilisierung der Finanzmärkte in Europa, aber auch zur Stabilisierung der Euro-Zone; denn die Finanzmarktkrise war letztlich die zentrale Ursache der Staatsschuldenkrise in Europa. Das wird leider häufig vergessen.

Mit der Bankenunion wird ein Geburtsfehler der Euro-Zone behoben. Es gab eine ganze Reihe von Geburtsfehlern der Euro-Zone, damals von Bundeskanzler Kohl und Finanzminister Waigel so verhandelt. Diese Geburtsfehler sind die Ursache für viele Probleme, mit denen wir zu kämpfen haben. Ich betone das deshalb, weil der von mir soeben angesprochene ehemalige Bundeskanzler Kohl nun in einem Buch versucht, Geschichtsklitterung zu betreiben. Er war unbestreitbar ein großer Europäer, aber die Fehler bei der Einführung des Euro muss er, muss die damalige Bundesregierung verantworten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Mit der Einführung der Bankenunion gehen wir einen wichtigen Schritt in Richtung einer europäischen Finanzmarktunion. Dies tun wir in einer Zeit, in der separatistische und nationalistische Strömungen in Europa in vielen Ländern hoffähig geworden sind, in einer Zeit, in der viele sagen, Europa sei in einer veritablen Krise.

Die erste Säule ist also die Bankenaufsicht, die es seit Dienstag gibt. Die zweite Säule betrifft die Restrukturierung und Abwicklung. Das ist das, was wir heute beschließen werden.

Das Ziel dieses Gesetzes ist klar: In Zukunft sollen die Steuerzahler nicht mehr für die Zockereien von Banken bluten müssen. Auch systemrelevante Banken sollen in einem geordneten Verfahren abgewickelt werden können. Im Insolvenzfall sollen Eigentümer und Gläubiger haften. Damit wollen wir auch auf den Finanzmärkten wieder marktwirtschaftliche Verhältnisse einführen. Risiko und Haftung müssen wieder zusammengehören.

Mit diesem Gesetz setzen wir eine europäische Richtlinie um. Dies ist sehr komplex, aber wir haben das sehr gründlich diskutiert. Allein 47 Änderungsanträge haben wir im Finanzausschuss beschlossen.

Es gab eine Vorbedingung, die wir an die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs gestellt haben: Wir wollten vor dem Beschluss den Vorschlag der Kommission zur europäischen Bankenabgabe kennen. Diese Bankenabgabe speist einen europäischen Abwicklungsfonds. Kollege Troost hat vorhin Ausführungen zu diesem Thema gemacht. Das war uns deshalb wichtig, weil wir unser bewährtes dreigliedriges Bankensystem mit der Vielzahl kleiner und sehr kleiner Institute, das in dieser Form einzigartig in Europa ist, erhalten wollen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Jetzt kennen wir diesen Vorschlag. Er ist aus unserer Sicht nicht optimal, aber akzeptabel, weil er die Interessen der kleinen Institute – im Gegensatz zu dem, was du hier gesagt hast – berücksichtigt. Wir haben es hier mit einem Solidarsystem des Finanzsektors zu tun. Deswegen müssen wir sagen: Der Finanzminister hat gut verhandelt. Es gibt zukünftig einen nationalen Spielraum, um kleinere Institute noch weiter zu schonen. Von dem Wahlrecht zur Entlastung kleinerer und mittlerer Banken will die Bundesregierung Gebrauch machen; das begrüßen wir. Wir erwarten, dass die Bundesregierung dieses Wahlrecht auch nach 2016 zugunsten der kleinen Institute nutzt.

Lassen Sie mich einfach einmal feststellen: Lösungen auf europäischer Ebene, bei denen viele Staaten betroffen sind, deren Bankensysteme extrem unterschiedlich sind, müssen notwendigerweise ein Kompromiss sein. So muss auch die Ausgestaltung der Bankenabgabe vor dem Hintergrund von 6 000 europäischen Instituten immer ein Kompromiss sein.

Steuersystematisch wäre die Bankenabgabe übrigens eine Betriebsausgabe, und Betriebsausgaben sind, das wissen wir, steuerlich absetzbar. Wir haben es hier aber, das hatte ich gesagt, nicht mit einer normalen Betriebsausgabe zu tun – die Bankenabgabe ist ein Beitrag des Bankensystems zur Finanzierung zukünftiger Krisen. Deshalb wollen wir Sozialdemokraten nicht, dass auf diesem Weg, quasi durch die Hintertür, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wieder an den Kosten einer möglichen Bankenrettung oder -abwicklung beteiligt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

In vielen europäischen Ländern – ich weiß das – wird das anders gesehen. Wir setzen uns auch ein für ein, wie das auf Englisch heißt, „level playing field“, also für einen gemeinsamen Wettbewerbsrahmen, und bitten die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene für eine einheitliche Lösung einzusetzen, damit es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen kommt. Eine Lösung kann aus unserer Sicht aber nur die Nichtabsetzbarkeit der Bankenabgabe bei den Steuern zur Folge haben.

Ein weiteres wichtiges Thema dieses Gesetzesvorhabens war die Umsetzung der Haftungskaskade. Die Umsetzung der Forderung, dass im Falle einer Insolvenz Eigentümer und Gläubiger ab einer bestimmten Höhe haften müssen, führt dazu, dass, wenn der Worst Case einer Insolvenz eintritt, letztendlich auch bei Sparkassen ein Rechtsformwechsel notwendig wird; sonst wäre dieses Haftungsverfahren bei einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft so nicht umzusetzen. Die Sparkassen haben aber deutlich gemacht: Diese Situation wird nie eintreten. – Sparkassen haben ein Institutssicherungssystem, das im Krisenfalle in Not geratene Sparkassen auffangen wird; das ist in der Vergangenheit auch schon geschehen. Der Rechtsformwechsel ist von daher nur ein theoretischer Fall, der nach den Aussagen der Sparkassen so niemals eintreten wird. Für die Umsetzung der Richtlinie ist es allerdings notwendig, im Gesetz Regelungen für den Worst Case zu implementieren.

Wir lassen den Bundesländern nun ein Wahlrecht, wie sie mit einer Änderung der Sparkassengesetze umgehen wollen. Sie haben dann die Möglichkeit, alternative Wege zu gehen.

Ein weiterer Diskussionspunkt in diesem Zusammenhang war die Umsetzung des Trennbankengesetzes, das die schwarz-gelbe Bundesregierung in der letzten Legislaturperiode verabschiedet hat.

(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Pseudo-Trennbankengesetz! Seien Sie doch mal ehrlich!)

– Sie kommen doch gleich dran; dann können Sie ordentlich draufhauen. – Gleichzeitig gibt es auf europäischer Ebene Vorschläge zu Trennbanken. Wir haben uns im Koalitionsvertrag auf den Report von Herrn Liikanen bezogen, der auf europäischer Ebene eine Kommission geleitet und entsprechende Vorschläge gemacht hat.

Deutsche Banken haben gefordert, dass man die deutschen Regelungen, deren Umsetzung nun beginnen muss, aufweichen solle. Wir Sozialdemokraten haben dieses abgelehnt, weil „too big to fail“ – die Problematik, dass von den Spareinlagen der Kunden Zockereien finanziert werden – für uns auf Dauer nicht haltbar ist. Wir brauchen eine vernünftige gesetzliche Regelung im Trennbankengesetz. Wir wollen deswegen das deutsche Recht nicht aufweichen, sondern wir wollen uns im nächsten Jahr mit dieser Frage und der Umsetzung intensiv beschäftigen.

Die Aufsicht über die europäischen Großbanken wird nun von der EZB ausgeübt. Wir wollen aber, dass dies nur übergangsweise der Fall ist. Insofern hat der Kollege Troost in diesem Punkt völlig recht. Die Sache mit der chinesischen Mauer ist eher eine Fiktion. Auf Dauer muss der mögliche Konflikt zwischen Aufsicht und Geldpolitik durch eine Trennung beider Funktionen aufgelöst werden.

Die EZB arbeitet eng mit den nationalen Aufsehern zusammen, also Bundesbank und BaFin. In der letzten Legislaturperiode wollte die schwarz-gelbe Bundesregierung die Bankenaufsicht allein auf die Bundesbank übertragen. Dies hat die Bundesbank abgelehnt. Wir stellen fest, dass auch in Zukunft die bewährte Aufgabenteilung zwischen BaFin und Bundesbank bei der deutschen Bankenaufsicht erhalten bleibt. Wir erwarten, dass die entsprechenden Informationskanäle so gestaltet werden, dass beide Institute von der Aufsicht der EZB profitieren und dass es klare Verantwortlichkeiten gibt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Gesetzespaket sind noch nicht alle Probleme einer neuen Finanzmarktarchitektur in Europa gelöst.

Herr Kollege Zöllmer, denken Sie an Ihre Redezeit?

Ja, natürlich. – Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, es gibt diesen grünen Knopf eben nicht. Wir haben noch eine ganze Reihe von Problemen zu lösen. Aber es ist falsch, den Eindruck zu erwecken, es sei noch nichts geschehen, wie es einige Ideologen von links und rechts in Politik und Medien immer wieder versuchen. Wir machen heute einen großen Schritt in die richtige Richtung zur Stabilisierung der Finanzmärkte. Das ist ein wichtiger Integrationsschritt, und das ist gut so.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Dr. Gerhard Schick, Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4077817
Wahlperiode 18
Sitzung 63
Tagesordnungspunkt Europäische Bankenunion
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