06.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 63 / Tagesordnungspunkt 5 + ZP 1

Gerhard SchickDIE GRÜNEN - Europäische Bankenunion

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will noch einmal kurz auf die Debatte eingehen, die sich zwischen Herrn Schäuble und uns ergeben hat. Herr Schäuble, ich weiß, dass Sie das verstehen, und Sie wissen, dass ich das verstehe: Auf diese Debattenebene müssen wir nicht gehen, sondern wir können klarmachen, wo die Unterschiede liegen und worin wir uns einig sind.

Bei folgendem Thema sind wir uns doch völlig einig: Wir wollen das, was man als den Teufelskreis zwischen Banken und Staaten bezeichnet, durchbrechen. Das steht in Ihren Texten, das steht in unseren Texten; darin sind wir uns einig. Das heißt, wenn eine Bank in eine Schieflage gerät, dass sie also zu hohe Bankschulden hat, dann soll nicht nachher der Steuerzahler die Last tragen. So weit herrscht Einigkeit.

Jetzt gibt es aber in zwei Punkten Unterschiede, die dazu führen, dass wir heute nicht dem gesamten Paket zustimmen, sondern zu einzelnen Punkten Nein sagen. Der erste Punkt ist der hypothetische Fall, dass eine portugiesische, spanische oder italienische Bank in eine Schieflage gerät. Was würde dann passieren? Jetzt sagt Herr Schäuble, er habe so verhandelt, dass die ESM-Mittel, also die vom europäischen Steuerzahler bereitgestellten Mittel, nur im äußersten Extremfall genutzt werden. Deswegen lässt er den jeweiligen Mitgliedstaat sehr lange in der Verantwortung für die Bank. Das haben Sie verhandelt, und das haben Sie gerade so dargestellt.

Das führt dazu, dass der jeweilige Nationalstaat für eine sehr lange Zeit noch in der Verantwortung ist, wenn eine Bank auf seinem Territorium kippen sollte. Da sagen wir: Genau das ist die Weiterführung des Teufelskreises zwischen Bankschulden und Staatsschulden, den wir durchbrechen wollen. An dieser Stelle ist das, was Sie sagen, widersprüchlich. Wir haben an dieser Stelle einen anderen, besseren Vorschlag, mit dem diese Trennung wirklich erreicht würde.

Wenn man es nämlich in dem Fall, dass in der Übergangszeit, solange der Fonds durch die Bankenabgabe noch nicht genügend aufgefüllt ist, noch Geld benötigt wird, so wie in den USA macht, dann ist das die bessere Lösung. Was wird in den USA gemacht? Wenn der Bankenfonds, den die Banken befüllen, noch nicht genügend Geld enthält, dann kann er einen Kredit aufnehmen, den nachher die Banken wieder zurückzahlen müssen. Die Verpflichtung bleibt bei den Banken. So hat das während der Krise die Federal Deposit Insurance Corporation in den USA gemacht. Das wäre auch für Europa die richtige Lösung. Dann bleibt es nämlich dabei, dass Bankenprobleme bei den Banken bleiben und nicht die Steuerzahler einspringen. Das ist unser Vorschlag, und er ist besser als Ihrer.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Schick, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wolfgang Schäuble?

Ich würde dem Abgeordneten Schäuble gerne die Gelegenheit zu einer Zwischenfrage geben.

Vielen Dank. – Herr Kollege Schick, würden Sie mir bitte bestätigen, dass der europäische Restrukturierungsfonds die Möglichkeit der Kreditaufnahme hat? Sie haben gerade gesagt, der amerikanische Bankenfonds könne einen Kredit aufnehmen. Das kann auch der europäische Restrukturierungsfonds. Er kann aber den Kredit nicht unter Vergemeinschaftung der Haftung der Mitgliedstaaten aufnehmen. Dies war der Streitpunkt in den Verhandlungen; denn wir haben abgelehnt, dass man über die Kreditaufnahme des Restrukturierungsfonds doch eine Vergemeinschaftung der Mitgliedstaatenhaftung in der Aufbauphase vornimmt. Darum ging es. Insofern haben Sie es gerade falsch dargestellt.

Danke für die Zwischenfrage. Das ist genau der Punkt: Warum muss dann noch der Steuerzahler bei dem ESM-Instrument der direkten Bankenrekapitalisierung nach wie vor in der Haftung sein? Ich glaube, dass in einem wirklichen Krisenfall tatsächlich eine Kreditaufnahmemöglichkeit wie in den USA – dort ist sie nämlich gegenüber dem Finanzministerium möglich, aber es bleibt ein Kredit, der von den Banken gezahlt werden muss; so ist es auch mit einem Volumen von mehreren Milliarden US-Dollar in den USA passiert – auch für Europa die bessere Lösung wäre.

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wer haftet denn dann?)

Sie stellen nach wie vor an dieser Stelle Steuerzahlergeld ins Schaufenster. Wir befürchten, dass der Steuerzahler erneut in die Haftung gerät, und das wollen wir nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Punkt, in dem es ebenfalls um Steuerzahlergeld geht, bezieht sich auf die Rolle des Soffin in Ihrem Gesetzentwurf. Warum soll, wenn eine deutsche Bank in Schwierigkeiten gerät, jetzt noch einmal über den Soffin, den deutschen Finanzmarktstabilisierungsfonds, Steuerzahlergeld angeboten werden? Entweder vertraut man auf die Gesetze, die Sie mit vorangetrieben haben, zum Beispiel das Restrukturierungsgesetz, und sieht das Ganze in der Verantwortung der Gläubiger – dann braucht man das nicht –, oder man hat Angst, dass es nicht funktioniert; dann soll man es aber auch sagen. Wir meinen, dass es notwendig ist, diesen Teufelskreis zwischen Bankenproblemen und Steuerzahler wirklich zu durchbrechen. Deswegen sagen wir zu der Verlängerung des Finanzmarktstabilisierungsfonds in Deutschland Nein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will aber auch noch auf das eingehen, was in Zukunft notwendig ist. Denn bei dem, was wir jetzt auf den Weg bringen und bei dem wir in Bezug auf den europäischen Abwicklungsmechanismus einer Meinung sind, nämlich dass er jetzt vorangetrieben werden sollte, bleibt zu sagen: Bei wirklich großen Banken funktioniert das nicht. Banken wie Barclays und die Deutsche Bank sind zu groß und komplex. Das zeigt auch die Erfahrung in den USA, dass die wirklich großen Banken im Ernstfall nicht durch einen solchen Abwicklungsmechanismus abgewickelt werden können. Deswegen ist es notwendig, dass diese großen Banken kleiner und in der Struktur einfacher werden.

An der Stelle war ich sehr überrascht – Herr Kollege Zöllmer hat es schon angesprochen –, dass die Union jetzt ausgerechnet bei dem Thema Trennbankensystem noch einmal hinter die wachsweiche Formulierung Ihres Gesetzes zurückgehen wollte. Ich habe den Eindruck, dass Sie nach wie vor, wenn die Deutsche Bank signalisiert, dass sie etwas nicht will, auf Zuruf schnell das Gesetz ändern. So geht das nicht. Man braucht dabei schon eine gewisse Autorität.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Punkt beim Blick auf die Zukunft ist: Mit dem Bankenstresstest ist sichergestellt worden, dass die meisten Banken in Europa grob überleben können. Das ist aber nicht genug. Wenn die Wirtschaft in Europa stabilisiert werden und sich in der nächsten Zeit gut entwickeln soll, dann brauchen wir nicht nur Banken, die irgendwie überleben, sondern es muss endlich eine wirkliche Stabilität geschaffen werden. Im internationalen Vergleich ist es nach wie vor so, dass europäische Banken zu wenig eigenes Kapital haben, zu wenig stabil sind und die Risiken im Ernstfall immer noch zu leicht auf andere verlagert werden können. Deswegen bleibt es auch nach dem Bankenstresstest Aufgabe, das Eigenkapital der Banken zu stärken. Wir brauchen eine Leverage Ratio, eine Schuldenbremse, für Banken, die deutlich höher ist als das, was bisher als grobe Beobachtungsgröße von 3 Prozent festgelegt ist.

Wirkliche Stabilität im Finanzsektor ist durch das heutige Gesetz noch nicht erreicht. Wir kommen einen Schritt weiter. Aber es bleiben große Aufgaben. Große Banken müssen kleiner werden, und sie brauchen deutlich mehr Kapital als bisher.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt das Wort Norbert Barthle.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4077826
Wahlperiode 18
Sitzung 63
Tagesordnungspunkt Europäische Bankenunion
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