Norbert BarthleCDU/CSU - Europäische Bankenunion
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wer der Rede unseres Bundesfinanzministers genau zugehört hat, ist eigentlich umfänglich informiert über die Inhalte des vorliegenden Pakets. Aber ich vermute, dass manche da draußen auch dem Kollegen Schick zugehört haben. Deshalb ist es mir wichtig, Herr Kollege Schick, zur Erklärung Ihrer Position festzustellen: Sie waren schon immer für die Vergemeinschaftung der Verschuldung und gemeinsame Haftung bei der Verschuldung.
(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch völliger Quatsch!)
Sie gehörten zu denjenigen, die einen gemeinsamen Schuldentilgungsfonds gefordert haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind dafür, dass die EZB es macht!)
Genau das ist der Unterschied zwischen Ihrer Auffassung und unserer, die der Minister dargelegt hat.
(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht der Unterschied!)
Das müssen die Menschen wissen. Dann erklärt sich die Unterschiedlichkeit Ihrer Position.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch nicht!)
Was das gesamte Paket angeht, haben meine Vorredner die notwendigen Details bereits dargelegt. Ich will mich daher beschränken auf die direkte Bankenrekapitalisierung durch den ESM. Ich betrachte dieses neue Instrument als sinnvoll. Es rundet das Gesamtpaket ab. Ganz so neu ist es nicht; denn eigentlich haben die Staats- und Regierungschefs bereits im Jahr 2012 vereinbart, dies zu machen, allerdings unter der Voraussetzung, dass es einen einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eine einheitliche Bankenaufsicht gibt. Das wurde als Voraussetzung immer genannt. Diese haben wir nun erfüllt. Deshalb ist es sinnvoll, diesen letzten Baustein vollends zu beschließen. Ich werbe daher um Zustimmung zum gesamten Paket.
Erinnern wir uns daran: Die grundsätzliche Funktion des ESM ist eigentlich, Staaten in massiven Finanzierungsschwierigkeiten mit Hilfskrediten im Rahmen eines Anpassungsprogramms beizustehen, um damit die Finanzstabilität der gesamten Euro-Zone zu wahren. Nun hat sich im Zuge der 2010 begonnenen Staatsschuldenkrise gezeigt, dass es durchaus zu negativen Wechselwirkungen zwischen der Schieflage der öffentlichen Haushalte und den Störungen in den jeweiligen Finanzsektoren kommen kann. Im Extremfall ist es möglich, dass ein Staat die benötigten Finanzhilfen nicht mehr in voller Höhe bereitstellen kann, ohne seine eigene Schuldentragfähigkeit zu überdehnen und den Zugang zum Kapitalmarkt zu verlieren. Wenn eine betroffene Bank systemrelevant ist, also das Finanzsystem in der Euro-Zone insgesamt gefährdet, kann unter Umständen eine direkte Rekapitalisierung dieser Bank durch den ESM tatsächlich anstehen, allerdings – darauf hat der Finanzminister deutlich hingewiesen – anders, als es sich 2012 viele im europäischen Raum vorgestellt haben. Damals dachten manche, man könne mit diesem Instrument die nationalen Bankprobleme aus der Vergangenheit beim ESM abladen. Dem ist nicht so. Das läuft nicht; denn dem haben wir einen klaren Riegel vorgeschoben. Die direkte Rekapitalisierung durch den ESM steht immer am Ende einer langen Haftungsabfolge, wie sie der Finanzminister dargelegt hat. Die Risiken bleiben bei denjenigen, die zuvor Gewinne eingestrichen haben. Das ist richtig so.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dass wir diesem Prinzip europaweit Gültigkeit verschaffen, ist eine der zentralen Errungenschaften der Bankenunion. Darauf können wir zu Recht stolz sein.
Wenn wir zurückblicken, was wir alles zur Bekämpfung der aktuellen Krise und im weiteren Verlauf zur Vorbeugung getan haben, dann müssen wir feststellen, dass das, was wir bisher geleistet haben, durchaus erfolgreich war. Von den fünf Ländern, die unter den Rettungsschirm gegangen sind, nehmen noch zwei Länder, Griechenland und Zypern, Hilfsprogramme in Anspruch. Griechenland wird bereits Ende 2014 aus dem Programm aussteigen. Ich frage die Kritiker: Was haben wir also falsch gemacht? Es funktioniert doch, auch wenn ein bekannter deutscher Verfassungsrechtler, der schon einmal in Karlsruhe gescheitert ist, erneut meint, dass wir dieses Paket ablehnen sollten. Er führt dafür Begründungen auf, die aus meiner Sicht eher juristisch-sophistisch als tragfähig sind.
Für mich ist klar: Diese direkte Bankenrekapitalisierung kommt nur als allerletztes Instrument infrage und steht am Ende einer langen Haftungskette, und – das ist mir wichtig – sie erhöht nicht das gesamte Risiko, das wir mit dem ESM übernommen haben. Das ist und bleibt Teil des gesamten ESM-Volumens, auch wenn klar ist, dass am Ende, wenn dieses Instrument angewendet werden sollte, tatsächlich der ESM und die Kapitalgeber des ESM, also die einzelnen Mitgliedstaaten, dafür haften. Das ist keine Frage, und das ist nie bestritten worden.
Aber es gibt auch für die Anwendung dieses Instruments klare Leitlinien. Der Haushaltsausschuss hat ihnen gestern zugestimmt. Diese Leitlinien legen für die Anwendung sehr hohe Hürden fest. Ich will ganz kurz daran erinnern:
Es muss der Antrag eines Mitgliedstaats erfolgen. Eine Bank kann sich nicht direkt an den ESM wenden, sondern nur ein Mitgliedstaat. Es entsteht damit eine Rechtsbeziehung zwischen dem Mitgliedstaat und dem ESM.
Eine direkte Rekapitalisierung ist nur dann möglich, wenn die indirekte Rekapitalisierung nicht mehr möglich war.
Sie ist immer mit Auflagen verbunden, entweder institutsspezifischen, sektorspezifischen oder gesamtwirtschaftlichen Auflagen. Das ist das, was man als MoU, Memorandum of Understanding, kennt.
Schließlich steht dieses Mittel im Rahmen der Haftungskaskade erst ganz am Ende, als allerletztes Mittel zur Verfügung.
Überdies ist es so, dass der beantragende Mitgliedstaat auch bei der direkten Rekapitalisierung dafür sorgen muss, dass eine minimale Kapitalquote der Bank von 4,5 Prozent erreicht wird. Das bedeutet in der Folge, dass die direkte Rekapitalisierung nicht bei Banken zum Tragen kommt, die nicht überlebensfähig sind, sondern nur Banken gerettet werden, die aufgrund dieser Mindestkapitalquote eine Überlebensperspektive haben. Das wiederum sichert die Rückzahlung der vergebenen Kredite.
Mit dieser Abfolge ist sichergestellt, dass ein Missbrauch dieses Instruments ausgeschlossen ist. Man kann sogar annehmen – darauf hat Herr Regling in der Anhörung, die wir durchgeführt haben, hingewiesen –, dass dieses Instrument vermutlich nie zur Anwendung kommen wird, weil die Hürden für die Anwendung sehr hoch sind.
Ein wichtiger Punkt, den ich noch erwähnen möchte, ist die Parlamentsbeteiligung. Wir haben bei all diesen Maßnahmen immer großen Wert darauf gelegt, dass das Parlament, der gesamte Deutsche Bundestag oder zumindest der Haushaltsausschuss, in die Entscheidungen eingebunden wird. Auch bei diesem Instrument ist das so.
(Beifall des Abg. Johannes Kahrs [SPD])
– Danke, lieber Kollege Johannes Kahrs. – Es ist sogar so, dass nicht nur die Einführung dieses Instruments, sondern auch jede einzelne Anwendung zunächst vom Deutschen Bundestag beschlossen werden muss. Anderenfalls müssten der Finanzminister oder die Bundeskanzlerin Nein sagen. Sie können sich auch nicht der Stimme enthalten. Wir müssen einen positiven Beschluss herbeiführen, und damit ist der gesamte Bundestag involviert.
Wir haben nach intensiven Beratungen die ursprünglich vorgesehene Regelung, dass gegebenenfalls, wenn es sich um vertrauliche Informationen handelt, nur das sogenannte Neunergremium informiert werden sollte, aus dem Gesetzentwurf wieder herausgenommen. Auf die rechtlichen Bedenken hat unser Bundestagspräsident Norbert Lammert schon sehr frühzeitig hingewiesen. Deshalb haben wir diese Regelung herausgenommen. Damit sind wir verfassungsrechtlich auf dem sicheren Weg. Wir haben dies also nicht auf die leichte Schulter genommen.
Wir wissen, dass damit eine große Verantwortung für das gesamte Hohe Haus einhergeht; denn im Zweifelsfall müsste der gesamte Deutsche Bundestag die Sachlage beurteilen. Das geht dann, wenn man die notwendige Vertraulichkeit wirklich herstellt; aber die müsste dann auch gewährleistet sein.
Lassen Sie mich zum Schluss noch zwei, drei Anmerkungen zu der gesamten Situation, in der wir uns befinden, machen. Wir beschließen dieses Paket zur Bankenunion in einer Zeit, in der die Staatsschuldenkrise noch nicht so richtig überwunden ist. Wenn man sich die Staatsschuldenquoten der einzelnen Euro-Länder genau anschaut, stellt man fest, dass sie seit Ausbruch der Krise nicht gesunken, sondern im Gegenteil gestiegen sind.
Also darf man die Frage der Staatsverschuldung nicht auf die leichte Schulter nehmen. Anders ausgedrückt: Wir haben einen Stabilitätspakt beschlossen. Wir haben einen Fiskalvertrag geschlossen. Wir haben die Verschärfungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts beschlossen. Derzeit wird auf europäischer Ebene vorwiegend über Wachstumsimpulse und weniger über die Frage der Stabilität diskutiert. Das ist etwas, was uns mit Sorge erfüllt; denn wir sind der Auffassung, dass das eine nicht ohne das andere zu denken ist und dass man die Balance zwischen Wachstumsimpulsen und Stabilitätsbemühungen wahren muss. Wer den Wachstumspakt genau studiert und wer den Fiskalvertrag genau liest, der stellt sehr schnell fest, dass es dort vorwiegend um Stabilität, um Defizitreduzierung und nicht um Konjunkturprogramme und Ähnliches geht.
Defizitabbau ist der Kernpunkt all dieser vertraglichen Vereinbarungen. Das sollten wir im Auge behalten, insbesondere dann, wenn in den kommenden Wochen und Monaten die Europäische Kommission die vorgelegten Haushalte anderer Mitgliedstaaten beurteilen muss. Wir sind sehr gespannt, wie dies erfolgt, und hoffen, dass damit der Wachstums- und Stabilitätspakt nicht beschädigt, sondern gestärkt wird.
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist Lothar Binding, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4077831 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 63 |
Tagesordnungspunkt | Europäische Bankenunion |