06.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 63 / Tagesordnungspunkt 5 + ZP 1

Alexander RadwanCDU/CSU - Europäische Bankenunion

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister! Als letzter Redner zu diesem Thema möchte ich gleich dort anschließen, wo der Herr Kollege Binding aufgehört hat. Denn das ist eigentlich die richtige Formulierung: Die Bankenunion ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, um die Finanzmärkte stabiler zu machen.

Zunächst haben wir den Euro eingeführt. In den letzten Jahren haben wir die Regeln für den europäischen Binnenmarkt kreiert. Jetzt sind wir dabei, durch die Bankenunion die Aufsicht zu vollziehen. Wie gesagt: Das ist ein wichtiger, richtiger Schritt. Die Stabilität der Finanzmärkte steht im Vordergrund; der Steuerzahler soll durch eine lange Haftungskaskade geschützt werden, wie der Herr Kollege Binding ausgeführt hat.

Heute entscheiden wir darüber. Ein Ziel von uns war, erst zu wissen, was die Bankenabgabe auf europäischer Ebene bewirken soll. Wir haben dazu einen Vorschlag bekommen, und ich möchte mich hier beim Finanzminister bedanken, der sich massiv für die deutschen Interessen eingesetzt hat. Wir hoffen, dass diese Bankenabgabe nach der Prüfung das Europäische Parlament und den Rat passieren wird, damit das, was uns wichtig ist, für unsere regionalen Banken umgesetzt wird, nämlich die Annehmung der Institutssicherung, der verbundinternen Verbindlichkeiten und das Wahlrecht über 2016 hinaus bis 2023. Wenn es uns ermöglicht wird, gehen wir natürlich davon aus, dass diese Option auch gezogen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich habe versucht, die Argumente der Opposition nachzuvollziehen und mir vorzustellen – meine Gedanken dazu will ich jetzt einmal darstellen –, wo wir heute wären, wenn sie umgesetzt würden.

Zum einen ging es um den Vorwurf, IGA, also das Intergovernmental Agreement, abzuschließen, sei undemokratisch. Ich kann nur sagen – ich gehe jetzt nicht so weit wie das Bundesverfassungsgericht in der Beurteilung der Demokratie auf europäischer Ebene in Bezug auf das EP –: Wir entscheiden heute darüber. Das Gleiche gilt auch für den ESM. Da entscheiden die nationalen Parlamente. Darum kann ich daran nichts Undemokratisches finden, sondern es ist eher eine Stärkung der Demokratie auf nationaler Ebene, hier entsprechend einbezogen zu sein. Insofern sollten wir unsere Rechte wahrnehmen und über den Bundestag hinaus artikulieren und hochhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zum anderen geht es um eine ganz besondere Konstellation – das betrifft Herrn Troost, den ich persönlich sehr schätze –, nämlich die immer wiederkehrende Diskrepanz, einerseits zu fordern: „Wir müssen in Europa schneller werden, wir müssen schneller integrieren und Aufsicht sicherstellen“, aber gleichzeitig andererseits die europäischen Entscheidungen zu kritisieren nach dem Motto: „Das, was die Bankenabgabe jetzt für die kleinen Banken bedeutet, ist zu wenig“. Sie haben ja das Beispiel aus Wahlkreisen von Kollegen gebracht, in meinem Fall das Beispiel der Sparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen. Ich danke dafür. Normalerweise wurde ich in den letzten Monaten auf eine andere Sparkasse angesprochen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Das ist schon einmal ein kollegialer Zug, dass wir jetzt über die Sparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen reden. Also, auf der einen Seite zu fordern, dass wir schneller integrieren müssen – Sie kritisieren aber zugleich, dass inzwischen die Europäische Zentralbank diese Aufgaben wahrnimmt; da frage ich mich: Wenn sie sie nicht wahrnehmen würde, wo wären wir dann heute? –, und auf der anderen Seite, wenn Integration stattgefunden hat, zu kritisieren, dass das Ergebnis nicht ausreichend ist nach dem Motto: „Europa ist ein Wunschkonzert, und meine Vorgaben sollen eins zu eins umgesetzt werden“, reicht mir nicht. Ich werde mit großer Aufmerksamkeit verfolgen, wie der Thüringer Landtag unter dem zukünftigen Ministerpräsidenten Beschlüsse zur europäischen Finanzmarktregulierung – Sie haben ja sogar New York genannt – fasst und diese dann global eins zu eins umsetzt.

Europa ist das zähe Ringen, auf der einen Seite Schritt für Schritt die europäische Integration und die Kapitelmarktaufsicht voranzubringen und auf der anderen Seite gleichzeitig deutsche Interessen zu wahren und durchzusetzen. Und das ist Finanzminister Schäuble in den Runden hervorragend gelungen. Dafür ein herzliches Dankeschön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Wir haben bei der Umsetzung der Richtlinie aus meiner Sicht die Möglichkeiten genutzt, die diese an Flexibilität bietet. Ich nenne hier die Diskussion um den Rechtsformwechsel. Das ist ja auch ein klassisches Beispiel im Rahmen des Drei-Säulen-Modells mit Genossenschaftsbanken und öffentlich-rechtlichen Banken. Wir haben jetzt das Modell, dass auf nationaler Ebene bei Bail-in der Rechtsformwechsel vorgesehen ist, aber es besteht auch die Möglichkeit, dass die Länder, wenn sie ein entsprechend gleichwertiges Bail-in regeln, in ihren Sparkassengesetzen Ausnahmen machen. Das zeigt für mich – das ist auch gelebte Subsidiarität –: Es ist wichtig, dass wir auf nationaler Ebene das, was wir auf europäischer Ebene jahrzehntelang zu Recht verteidigt und hochgehalten haben, auch auf nationaler Ebene behüten und nicht preisgeben. Hier haben wir also die Flexibilität der Richtlinie entsprechend ausgenutzt.

Die Europäische Zentralbank hat jetzt die Aufsicht übernommen. Herr Troost, ich habe Sie so verstanden, dass Sie das für falsch halten. Möglicherweise habe ich Sie falsch verstanden. Das ist jedenfalls ein richtiger Schritt. Er ist nicht ideal, aber es ist ein richtiger Schritt. Das sollte man in diesem Zusammenhang auch von Ihrer Seite betonen. 120 Banken in Europa werden direkt beaufsichtigt. Auch bei diesem Punkt sage ich: Es ist ein Schritt. Wir werden zukünftig darauf achten müssen, wie diese Aufsicht funktioniert und wie sie sich entwickelt.

Ein weiterer Kritikpunkt, der genannt wurde, ist, in einem Haus zusammen Geldpolitik und Aufsicht zu kombinieren. Auch ich halte das für problematisch. Aber wenn man das für problematisch hält, muss man auch sagen: Um das auszuschließen, bedarf es einer Änderung der Verträge. Wenn die Verträge geändert werden, dann ist der Weg frei. Ich kann mir nicht vorstellen, so wie ich Finanzminister Schäuble bisher verstanden habe, dass er diesen Weg nicht gehen will. Aber wir müssen auch pragmatisch herangehen und fragen: Was ist auf der europäischen Agenda als Nächstes möglich?

Eine weitere Frage neben der nach der Aufsicht auf europäischer Ebene ist: Wie gehen wir in der EZB zukünftig mit den Regionalbanken um? Hier sehe ich durchaus auf Level 2 von Normierung und Aufsicht die Problematik, dass wir die Besonderheiten der Regionalbanken durch die Hintertür Stück für Stück zwar nicht preisgeben, aber den Kampf, den wir auf europäischer Ebene führen, dorthin verlagern. Denn die Europäische Zentralbank hat nicht nur unmittelbare Aufsicht über die Großbanken, sondern auch mittelbare Aufsicht über alle Banken. Über 40 Prozent der Regionalbanken, die nicht unmittelbar beaufsichtigt werden, befinden sich nun in Deutschland.

Erster Ansatzpunkt ist hier das Meldewesen. Ich halte es – das muss ich ganz klar sagen – für falsch, dass immer mehr IFRS-Anforderungen durchgereicht werden. Daher bedarf es hier einer entsprechenden Governance und Vorgabe, wie es sich weiterentwickeln soll. Unter diesem Gesichtspunkt halte ich die Lösung – ich habe mit mir gerungen über das Verhältnis von BaFin und Bundesbank zueinander; dabei gibt es gute Argumente für die eine wie für die andere Seite –, die wir gefunden haben, für gut: BaFin ist jetzt Ansprechpartner, aber wir betonen zugleich, dass das System der kollegialen Aufsicht durch Bundesbank und BaFin sich bewährt hat. Das sollte auch für die europäische Ebene eine Blaupause sein, indem wir uns dagegen wenden, dass alles auf einen Bereich konzentriert wird, und vielmehr die Splittung als Modell auf europäischer Ebene voranbringen.

Wir wissen, dass wir uns bei den Trennbanken weiterentwickeln müssen. Wir haben auf nationaler Ebene eine Lösung. Wir haben auf europäischer Ebene einen Verordnungsvorschlag. Es ist umso wichtiger, dass dieser Vorschlag auf europäischer Ebene sich an den Kriterien und den Prioritäten, die wir in Deutschland haben, orientiert. Ich muss allerdings sagen: Die europäische Vorgabe ist für mich nicht ganz konsistent. Die Zeitvorgaben, die hier genannt werden, halte ich für bemerkenswert. Einmal habe ich einen Verordnungsvorschlag, der unmittelbar gilt, aber gleichzeitig können auf nationaler Ebene mithilfe von Regelungen, die einen gewissen Rahmen haben, Ausnahmen gemacht werden. Das ist für mich ein Widerspruch in sich. Das wird sicher eine ganz wichtige, aber auch langwierige Diskussion werden.

Zum Thema Steuern – das hat auch der Kollege Binding angesprochen –: Ich halte es für richtig, dass wir zwischen den Staaten auf europäischer Ebene für Wettbewerbsgleichheit sorgen, dass wir versuchen, systematisch korrekt zu arbeiten. Darum werden wir dieses sicher in den nächsten Wochen und Monaten auf europäischer Ebene nicht nur verfolgen, sondern auch versuchen, die Mitgliedstaaten für unsere Haltung zu gewinnen.

Letztendlich haben wir es auf europäischer Ebene geschafft, deutsche Standards entsprechend weiterzuentwickeln. Es ist auch wichtig, die Entscheidungen rechtzeitig richtig zu treffen. Vor diesem Hintergrund kann ich es mir nicht verkneifen, nachdem Sie, Herr Kollege Zöllmer, vorhin das Thema Griechenland angesprochen haben, noch ganz kurz zu sagen – das brauchen wir nicht zu sehr vertiefen –: Ich habe zumindest zu dem Zeitpunkt, als eine andere Bundesregierung zugestimmt hat, im Europäischen Parlament dagegen gestimmt. Ich war gegen die Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. – Wir sollten daraus jedenfalls gemeinsam lernen, dass wir uns rechtzeitig mit den richtigen Weichenstellungen in Europa befassen müssen. Wir müssen rechtzeitig unsere Stimme erheben, um die Weichen richtig zu stellen. Das schaffen wir heute mit dem Beschluss zur Bankenunion.

Ich danke Minister Schäuble, dass er hier mit Augenmaß vorgegangen ist. Er sollte nicht dafür kritisiert werden, deutsche Interessen zu vertreten und trotzdem die Aufsicht in Europa zu europäisieren.

Herzlichen Dank. Wir werden zustimmen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4077873
Wahlperiode 18
Sitzung 63
Tagesordnungspunkt Europäische Bankenunion
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta