Nina WarkenCDU/CSU - Flüchtlingspolitik der Europäischen Union
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der Linken, um den es in der heutigen Debatte geht, blendet sämtliche Fortschritte der europäischen Asylpolitik aus, die in jüngster Vergangenheit erzielt wurden. Dazu zählen die Schaffung von gemeinsamen Standards für eine menschenwürdige Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern in Europa sowie Maßnahmen zur Beseitigung von Fluchtursachen und zur Bekämpfung von Schleuserkriminalität.
Gefordert werden von den Linken stattdessen die Auflösung der Grenzschutzagentur Frontex, die Einführung eines sogenannten humanitären Visums, sodass Asylbewerber ihr Aufnahmeland frei wählen können, sowie ein Freizügigkeitsrecht für alle Asylberechtigten innerhalb der EU. Die Annahme dieser Forderungen würde nicht nur die Fortschritte der europäischen Asylpolitik zunichtemachen, sondern sie wäre auch keine Lösung für die Situation im Mittelmeer und damit ein völlig falsches Signal.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Auflösung der europäischen Grenzschutzagentur Frontex würde das Ende jeglicher Grenz- und Migrationskontrolle bedeuten, was im Hinblick auf illegale Einreisen, Menschenhandel und Drogenkriminalität schlichtweg eine Katastrophe wäre, ganz zu schweigen von den zurückkehrenden Dschihadisten.
Mit der Einführung eines sogenannten humanitären Visums könnte jeder, der auch nur vorgibt, schutzbedürftig zu sein, problemlos in die EU einreisen. Die Folge für uns in Deutschland wäre eine Vielzahl von Personen, denen unter keinem Gesichtspunkt ein Aufenthaltsrecht in der EU zusteht. Auch sie landen letztlich in unserem Asylsystem, wo sie die Kapazitäten in Anspruch nehmen, die eigentlich für Menschen gedacht sind, die in ihrer Heimat systematisch verfolgt werden und die tatsächlich jeden Tag um ihr Überleben bangen müssen. Auch die Bundeskanzlerin hat in diesem Zusammenhang am vergangenen Wochenende betont, es sei weniger christlich, „wenn wir zu viele aufnehmen und dann keinen Platz mehr finden für die, die wirklich verfolgt sind“.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Eine „tolle“ Argumentation!)
Eine Auflösung von Frontex und die Einführung eines sogenannten humanitären Visums würden das schon heute vorhandene Problem des Asylmissbrauchs noch verstärken. Leittragende wären dann in erster Linie die tatsächlich Schutzbedürftigen.
Hinzu kommt die Situation in unseren Kommunen. Es ist leicht, die Aufnahme von mehr und mehr Menschen zu fordern, wenn man sich keinerlei Gedanken darüber macht, wie die Konsequenzen vor Ort aussehen. Die Berichte aus unseren Landkreisen, Städten und Gemeinden sind schon jetzt alarmierend und häufen sich. Bei den Kapazitäten zur Aufnahme von Flüchtlingen stehen viele Landkreise schon heute – ich zitiere mehrere Landräte – „mit dem Rücken zur Wand“. Daher dürfen wir die Folgen, die eine Annahme des Antrags der Linken hätte, unseren ohnehin mit der Unterbringung und Versorgung überforderten Kommunen nicht zumuten.
Noch, meine Damen und Herren, noch herrscht bei uns in der Bevölkerung weitestgehend Solidarität mit den Flüchtlingen, die zu uns kommen. Das ist gut so; denn das ist wichtig. Auch ohne den Antrag der Linken müssen wir leider davon ausgehen, dass der Flüchtlingsstrom durch die vielen gewaltsamen Konflikte weltweit nicht so schnell abreißen wird. Wenn wir aber diese Solidarität nicht gefährden wollen, dann muss die Politik berechenbar und verlässlich bleiben. Dazu gehört auch, dass wir gewährleisten, dass bei abgelehnten Asylbewerbern der Aufenthalt zügig beendet wird.
Der Antrag der Linken verfehlt das eigentliche Ziel einer solidarischen und humanen Flüchtlingspolitik vollkommen. Es kann uns doch nicht darum gehen, so viele Flüchtlinge wie möglich nach Europa zu holen. Stattdessen sollten wir uns darum bemühen, dass wir durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitstaaten die Fluchtursachen durch die Verbesserung der Bedingungen vor Ort beseitigen.
(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie da?)
Beschlossene Maßnahmen wie die zusätzlichen Hilfsmittel von rund 640 Millionen Euro für die Anrainerstaaten Syriens, in denen viele Flüchtlinge Schutz gefunden haben, sind hier der richtige Weg. Nur so packen wir im Endeffekt das Problem bei der Wurzel.
Die ganze Absurdität sieht man schon daran, dass in dem vorliegenden Antrag von „humanitär handelnden Fluchthelfern“ gesprochen wird. Das ist in meinen Augen geradezu zynisch.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Denn die Schleuser handeln keineswegs aus humanitären Gründen, sondern aus reiner Profitgier.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Es gibt solche und solche! Das sollten Sie eigentlich wissen!)
Wer das nicht sieht oder nicht sehen will, kann in der Asylpolitik nicht ernst genommen werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Linke spricht weiter von eklatanten Mängeln im gemeinsamen europäischen Asylsystem, fordert die Abschaffung des Dublin-Systems und stattdessen für jeden Asylbewerber die freie Wahl des Aufnahmestaates und ein Freizügigkeitsrecht innerhalb der EU.
(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Eine gute Forderung!)
Auch diese Forderungen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, gehen völlig an der Realität vorbei; denn das Problem sind nicht – damit möchte ich zum Ende kommen – die bestehenden gemeinsamen Regelungen und Standards, sondern deren Umsetzung durch alle Mitgliedstaaten. Es kann doch nicht sein, dass von 28 EU-Mitgliedstaaten nur 10 überhaupt Asylbewerber aufnehmen. Hierunter sind es gerade die nördlichen Mitgliedstaaten – allen voran Deutschland –, wohin die Asylsuchenden gezielt weiterreisen.
Die freie Wahl des Aufnahmelandes und die Freizügigkeit innerhalb der EU würden diesen Effekt der einseitigen Belastung einzelner Länder verstärken. Die Folge wäre, dass in einem solchen Fall die Hauptaufnahmeländer die Standards ihrer Asylsysteme deutlich reduzieren werden, um weniger Asylbewerber aufnehmen zu müssen. Es würde hier zu einem fatalen Abwärtswettlauf kommen. Dies wäre weder im Sinne einer gemeinsamen europäischen Asylpolitik noch im Sinne der Betroffenen.
Für ein gerechtes Asylsystem brauchen wir wirksame Grenzkontrollen, um die tatsächlich Schutzbedürftigen zu identifizieren und gleichzeitig zügig diejenigen in ihre Herkunftsländer zurückzuführen, denen kein Aufenthaltsrecht in Europa zusteht.
Lassen Sie uns deshalb diesen Antrag, der in die völlig falsche Richtung geht, mit breiter Mehrheit ablehnen und damit dem Bundesinnenminister bei seiner Initiative auf europäischer Ebene für eine bessere Kontrolle der EU-Außengrenzen, für die Einhaltung der vereinbarten Regeln des gemeinsamen Asylsystems, für die Bekämpfung von Schleuserkriminalität und Menschenhandel sowie für eine bessere Verzahnung der europäischen Außen-, Flüchtlings- und Entwicklungspolitik gegenüber den Herkunfts- und Transitländern den Rücken stärken.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Tom Koenigs, Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4077975 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 63 |
Tagesordnungspunkt | Flüchtlingspolitik der Europäischen Union |