Tom KoenigsDIE GRÜNEN - Flüchtlingspolitik der Europäischen Union
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bosbach – er ist jetzt schon nicht mehr da – hat vorhin gesagt
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Er kommt gleich wieder!)
– na wunderbar –: Die Tragödie im Mittelmeer muss aufhören; das ist hier Konsens. – Das müsste auch Konsens sein, ist es aber nicht. Sie reden so – auch Frau Kampmann hat so geredet –, als wären Sie nicht in der Regierung. Die Italiener haben mit der Aktion Mare Nostrum etwas gegen das Sterben im Mittelmeer unternommen. Sie haben gesagt, dass sie europäische Hilfe brauchen; aber diese europäische Hilfe haben sie nicht bekommen. Jetzt sagt Herr Bosbach: Europa muss sich kümmern. – Ja, die Mitgliedstaaten müssen sich kümmern und sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Wo war denn die deutsche Initiative, um die Dublin-Regeln abzuschaffen oder zu verbessern, Frau Kampmann? Das lag offenbar nicht im Interesse der deutschen Vertretung, und da wird dann nichts gemacht. Genau das ist das Problem.
Und dann wird Frontex Plus erfunden. Als Ersatz für Mare Nostrum. Frontex ist in der Tat ein bürokratisches Monster. Dagegen tun Sie nichts. Das ist ein technisches, bürokratisches, militärisches Verfahren, das gleichzeitig die Flüchtlinge abschrecken und retten soll. Das geht nicht, und das wissen Sie.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Am vergangenen Montag hat es der Generaldirektor der Internationalen Organisation für Migration, IOM, wieder gesagt: Keine Grenzschutzmission wird die Flüchtlinge dieser humanitären Katastrophen in der Welt aufhalten. Angesichts solcher Notlagen wie in Syrien, wie in Somalia, wie in Eritrea und wie im Irak wird es keinen geben, der diese Flüchtlinge aufhält. Es ist eine Illusion, zu glauben, irgendjemanden abschrecken zu wollen oder zu können.
Deshalb stimmt es einfach nicht, dass Dublin II alternativlos ist. Kein bisschen! Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, aber auch von der SPD, Sie sollten nicht glauben, dass das, was wir da machen, nur auf die Flüchtlinge wirkt. Das wirkt auch auf uns, das wirkt auch auf die Bürgerinnen und Bürger der EU. Wo bleiben wir denn mit unserem Glauben an die europäischen Werte, mit unserem Glauben an die Menschenrechte?
Triton ist nicht billig, Triton ist sehr teuer und kostet mehr als Geld. Wir können uns doch ein Beispiel an den Nachbarländern der Krisenherde nehmen. Die haben die Grenzen nicht zugemacht. Libanon hat die Grenzen nicht zugemacht, auch Irak macht die Grenzen nicht zu, Jordanien macht die Grenzen nicht zu. Auch in der schlimmsten Zeit haben Tunesien und Ägypten die Grenzen nicht zugemacht, obwohl dort ganz andere Zahlen von Flüchtlingen zu verzeichnen waren und obwohl diese Länder unter ganz anderen Verhältnissen Flüchtlinge aufnehmen müssen. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Abschließend: Wenn wir schon so kleinmütig sind, dass wir keinen Konsens finden, wie wir das Sterben im Mittelmeer beenden, wenn wir uns schon nicht trauen, irgendetwas an dem heiligen, alternativlosen Unwort des Jahres „Dublin-System“ zu ändern, dann sollten wir wenigstens die Nachbarstaaten der Krisenherde, die anders herangehen, großzügig durch humanitäre Hilfe unterstützen und nicht die entsprechenden Haushaltstitel kürzen bzw. schmälern.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Hier ist eine Führungsrolle angesagt. Wenn wir eine solche einnehmen wollen, wie es der Bundespräsident, die Verteidigungsministerin und der Außenminister immer wieder sagen, dann sage ich: Bei den Flüchtlingen könnten wir anfangen.
Vielen Dank.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Karamba Diaby, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4077976 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 63 |
Tagesordnungspunkt | Flüchtlingspolitik der Europäischen Union |