06.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 63 / Tagesordnungspunkt 6

Karamba DiabySPD - Flüchtlingspolitik der Europäischen Union

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir brauchen eine europäische Antwort; denn die Außengrenzen Europas liegen in europäischer Verantwortung. Als Menschenrechtspolitiker sage ich: Es besteht Handlungsbedarf. Daher freue ich mich, dass wir heute über europäische Flüchtlingspolitik diskutieren.

Werte Kolleginnen und Kollegen der Linken, Ihr Antrag enthält mehrere Vorschläge, die zur Verbesserung der europäischen Flüchtlingspolitik beitragen können. Die Gemeinsamkeiten hat heute meine Kollegin der SPD Christina Kampmann und haben in der ersten Lesung mein SPD-Kollege Rüdiger Veit und meine SPD-Kollegin Sabine Bätzing-Lichtenthäler deutlich gemacht. Bezüglich der Probleme und des Handlungsbedarfs besteht ohne Zweifel über alle Fraktionen hinweg Einigkeit. Das Ziel einer solidarischen und humanen Flüchtlingspolitik teilen wir alle hier im Hause.

Wir, die SPD-Fraktion, sind aber anderer Auffassung, was die Lösung dieser Probleme angeht. Der Antrag der Linken enthält neben einigen guten Ansätzen auch Vorschläge, die das Ziel verfehlen, wie beispielsweise die Forderung zur Abschaffung von Frontex. Sie stehen alleine mit dieser Forderung.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Nur hier! Außerhalb des Parlaments stehen wir damit nicht alleine!)

Schließlich hat Frontex im Auftrag der EU eine wichtige ordnungspolitische Funktion. Daher unterstützt meine Fraktion Ihren Antrag nicht.

Lassen Sie mich nun zu den diskussionswürdigen Ansätzen kommen. Wir brauchen für in Europa Asylsuchende Möglichkeiten der legalen und sicheren Einreise, damit sie nicht lebensgefährliche Wege gehen müssen. Ja, wir brauchen neben der Möglichkeit, als Hochqualifizierte nach Deutschland zu kommen, auch andere legale Wege. Ob wir dafür nun ein humanitäres Visum, wie die Grünen es vorschlagen, brauchen oder ob wir andere Wege gehen müssen, ist noch offen.

(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man kann es auch anders nennen! Kein Problem!)

Die Richtung stimmt aber. Im Gespräch zwischen dem Bundesinnenminister und dem Generaldirektor der Internationalen Organisation für Migration kam die Frage auf, ob es möglich sei, ein Willkommenszentrum in Nordafrika aufzubauen. Das ist keine neue Idee. Die Vorschläge zeigen aber, werte Kolleginnen und Kollegen, dass wir gemeinsam ernsthaft und konstruktiv an Möglichkeiten der legalen Einreise Asylsuchender arbeiten müssen.

Damit komme ich zum Aspekt der Verantwortungsteilung innerhalb der Europäischen Union. Das Dublin-System ist dringend reformbedürftig; darin sind wir uns fast alle einig. Wir brauchen eine Flexibilisierung, um die Verantwortung für die Flüchtlinge fair und solidarisch in der Europäischen Union zu teilen. Bislang trägt Deutschland einen Löwenanteil, und das ist gut so. Auch die anderen europäischen Länder müssen ihrer Verantwortung nachkommen.

Wir kennen die Vorschläge, wie eine solidarische Verantwortungsteilung in Europa aussehen könnte. Dabei können ähnlich dem Königsteiner Schlüssel Quoten für jedes Mitgliedsland berechnet werden. Die Einwohnerzahl, die Wirtschaftskraft, teilweise auch die Flächengröße und die Arbeitslosenquote werden einbezogen. Dabei dürfen wir die Erfahrung der Länder mit Vielfalt und Einwanderung nicht vergessen.

Neben angemessenen Quoten für die europäischen Staaten dürfen wir die Wünsche der Flüchtlinge nicht ignorieren. Aspekte wie Verwandtschaftsbeziehungen, Sprachkompetenzen und Ähnliches erleichtern die Teilhabe und Integration vor Ort. Auch das sollte in diesem Prozess berücksichtigt werden.

Wir brauchen natürlich auch vergleichbare Standards in allen europäischen Ländern, was die Verfahren angeht – das wurde von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern gesagt –, angefangen bei der Registrierung über die Verfahrensdauer bis hin zu den Schutzquoten. So wie es jetzt ist, darf es nicht bleiben:

(Beifall der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE] und Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

unterschiedliche Schutzquoten, je nachdem, wo der Asylantrag gestellt werden kann, wohlgemerkt bei gleichen Herkunftsländern.

Wir dürfen in Europa keine Anreize für die Mitgliedstaaten schaffen, ihre Standards in der Asylpolitik zu senken. Ansonsten wird der Druck auf die Länder steigen, die ein hohes Niveau an Schutzquoten und Sozialstandards bieten, und das ist nicht mein Verständnis von einem solidarischen Europa.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir alle wissen: Nur ein Bruchteil der Rückführungen von Flüchtlingen kann stattfinden; denn noch immer gibt es Menschenrechtsverletzungen gegenüber Flüchtlingen in den europäischen Grenzstaaten. Hier spreche ich vor allem von Griechenland und Italien; das ist nicht neu. Gerade erst hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte geurteilt, dass Flüchtlinge nur dann nach Italien zurückgeschickt werden dürfen, wenn das Land eine menschenrechtskonforme Unterbringung und Sozialleistungen gewährleistet.

(Beifall des Abg. Tom Koenigs [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dieses Urteil wird weitreichende Konsequenzen haben: für das italienische und das europäische Asylsystem. Das Urteil legt den Finger in die Wunde.

Nächster Aspekt, meine Damen und Herren: Das deutsche Resettlement-Programm für Flüchtlinge aus dem syrischen Krisengebiet ist gut. Die Bundesländer und der Bund haben in gemeinsamer Anstrengung mehr als 20 000 Flüchtlinge zusätzlich zu den normalen Asylverfahren aufgenommen, und das ist gut so. Ralf Jäger, Vorsitzender der Innenministerkonferenz, hat recht, wenn er sagt:

Den Appell von dort möchte ich wiederholen:

Der Bürgerkrieg in Syrien, meine Damen und Herren, ist eine der größten humanitären Krisen unserer Zeit.

Syriens Nachbarstaaten bieten Flüchtlingen in bemerkenswerter Zahl Schutz und vorübergehend Heimat. Dafür brauchen sie unsere Unterstützung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Daher ist es gut, dass wir bislang etwa 130 Millionen Euro an humanitärer Hilfe leisten und perspektivisch 500 Millionen Euro insgesamt in den nächsten drei Jahren für die Region bereitstellen.

Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich Danke sagen. Ich freue mich über die große Hilfsbereitschaft in Deutschland. Es gibt unzählige Ehrenamtliche, die Verantwortung übernehmen und den traumatisierten Flüchtlingen das Ankommen erleichtern. Ich möchte ihnen danken.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das wäre an sich ein sehr schöner Schluss, Herr Kollege, zumal die Zeit schon weit überschritten ist.

Mein letzter Satz, Herr Präsident. – Wir in diesem Hause können zwar politische Rahmenbedingungen setzen; das Miteinander lebt aber von der aktiven Bürgergesellschaft.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ab und zu ein Blick auf die Zeit, das wäre solidarisch mit allen Anwesenden.

Ich rufe als nächste Rednerin die Kollegin Andrea Lindholz, CDU/CSU-Fraktion, auf.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4077981
Wahlperiode 18
Sitzung 63
Tagesordnungspunkt Flüchtlingspolitik der Europäischen Union
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