06.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 63 / Tagesordnungspunkt 8

Daniela KolbeSPD - Asylbewerberleistungsgesetz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir leben in beunruhigend unruhigen Zeiten. Weltweit gibt es derzeit so viele Flüchtlinge wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr: mehr als 50 Millionen Menschen – Tendenz steigend. Natürlich ist das auch in Deutschland spürbar, hier bei uns. In diesem Jahr rechnen wir mit etwa 200 000 Asylanträgen. Ich denke, dass ich für das gesamte Haus spreche, wenn ich sage: Wir wollen und wir werden dieser Verantwortung gerecht werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wie groß diese Verantwortung ist, kann man erleben, wenn man derzeit ein Asylbewerberheim besucht. Dort trifft man eigentlich immer auf erschütternde Geschichten, gerade von Menschen aus Syrien. Meine letzte Begegnung war mit einer Familie: ein Handwerker, seine Frau, ein Kleinkind und ein Säugling. Ihre Geschichte war, dass der Mann sich mit seinem zweijährigen Kind und der hochschwangeren Frau am Mittelmeer in ein Boot gesetzt hat in dem Wissen, dass das Boot vor diesem gesunken war. – Solche Geschichten gibt es zu Zehntausenden. Sie lassen uns nachvollziehen und spüren, wie groß die Verantwortung ist, die wir hier zu erfüllen haben.

Wir wissen auch, wie groß die Herausforderung in den Kommunen ist, wie dort geächzt wird, wie dort nach Unterbringungsmöglichkeiten gesucht wird. Wir verschließen vor der Verantwortung in beiden Bereichen die Augen nicht. Wir wissen: Es ist eine gemeinsame Verantwortung, und der einzig mögliche Weg hier ist, akzeptable Bedingungen für alle Flüchtlinge zu organisieren. Nur so werden wir auch die Akzeptanz in der Bevölkerung erhalten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir machen heute den ersten Schritt, allerdings nur den ersten Schritt in einer ganz schön langen Etappe. Wir setzen das Verfassungsgerichtsurteil aus dem Juli 2012 eins zu eins um –

(Widerspruch bei der LINKEN)

nicht mehr, aber auch nicht weniger. Die Berechnung der Leistungen wird endlich transparent und rechtssicher.

Wir sorgen dafür, dass Kinder und Jugendliche, die als Flüchtlinge nach Deutschland kommen, Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket erhalten können. Das hilft diesen Kindern enorm.

Es wird erstmals einen kleinen Vermögensfreibetrag und einen höheren Einkommensfreibetrag geben. Das hilft natürlich den Betroffenen, aber auch den Verwaltungen.

Wir verkürzen die Dauer des Bezugs von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz von 48 Monaten auf 15 Monate. Das ist einfach nur sachgerecht.

Wir nehmen einige Gruppen aus dem Leistungsbezug nach diesem Gesetz heraus: Opfer von Menschenhandel und Arbeitsausbeutung sowie solche Menschen, deren Abschiebung schon seit mehr als anderthalb Jahren aus rechtlichen oder humanitären Gründen ausgesetzt ist. Durch diesen letzten Schritt entlasten wir unsere Kommunen jährlich um mehr als 40 Millionen Euro.

Außerdem wird es einen Nothelferparagrafen geben, der sicherstellt, dass Asylbewerber definitiv Nothilfe erhalten und die Helfer eine Vergütung dafür bekommen.

Ich finde gut, dass wir dieses Urteil im Gesetzentwurf jetzt eins zu eins umsetzen. Mein Dank gilt dem Ministerium und der Ministerin. Ich finde es gut, dass diese Regierung dieses Urteil so zügig umgesetzt hat. Das ist etwas, was der letzten Regierung nicht so schnell von der Hand gehen wollte.

Aber es ist nur der erste Schritt. Weitere Schritte sind bereits in der Vorbereitung oder in der Umsetzung – ich mache das jetzt einmal im Stakkato, weil das schon recht viel ist –: Wir werden im BAMF mehr Mitarbeiter einstellen, um eine kürzere Antragsbearbeitungsdauer hinzubekommen. Wir werden die Residenzpflicht weitgehend abschaffen. Seit heute können Asylsuchende, wenn sie drei Monate in Deutschland sind, eine Arbeit aufnehmen. Ab nächster Woche wird, wenn die Menschen 15 Monate in Deutschland sind, auch die Vorrangprüfung wegfallen. Wir werden das Sachleistungsprinzip weitgehend abschaffen.

Es gibt auch noch einige wenige Punkte, an denen wir weiterhin hart arbeiten und die wir noch klären müssen. Es bleibt die große Frage der Entlastung der Länder und Kommunen – diese Frage ist eminent wichtig; darüber müssen wir, glaube ich, nicht diskutieren –, und es bleibt die Frage der Gesundheitsversorgung; das ist definitiv verbesserungsbedürftig, wie unsere Anhörung gezeigt hat. Das Bremer Modell, das auch in Hamburg und in abgewandelter Form in Berlin angewandt wird, weist uns hier womöglich den richtigen Weg.

Zusammengefasst: Diese Koalition wird ihrer Verantwortung gerecht: gegenüber den Flüchtlingen, gegenüber den Kommunen und gegenüber der Gesellschaft. Das Gesetz ist ein erster großer Schritt in die richtige Richtung, und es setzt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts eins zu eins um. Insofern bitte ich um Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Ulla Jelpke das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4078787
Wahlperiode 18
Sitzung 63
Tagesordnungspunkt Asylbewerberleistungsgesetz
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