06.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 63 / Tagesordnungspunkt 8

Kerstin GrieseSPD - Asylbewerberleistungsgesetz

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meinem Vorredner will ich zum Thema „Respekt“ Folgendes sagen: Ich verstehe, dass man immer noch mehr wollen kann. Auch ich kann mir noch viele Dinge vorstellen, was wir tun können, um die soziale Situation von Flüchtlingen in unserem Land zu verbessern. Aber ich fände es auch ein Zeichen von Respekt, wenn Sie anerkennen, dass wir die Bedingungen des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt haben, dass wir jetzt einen richtig großen Schritt machen und an sechs Punkten die Situation von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern in unserem Land deutlich verbessern.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Die Anhörung am Montag hat eindeutig ergeben, dass wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts eins zu eins umgesetzt haben. Die Experten haben gesagt, das sei angemessen und richtig umgesetzt. Die Sätze sind nach der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ermittelt worden.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Inklusive Praxisgebühr?)

Das ist ein wichtiger erster Schritt, dieses Urteil umzusetzen.

Die Anhörung hat auch ergeben – den Punkt will ich noch einmal aufgreifen –, dass wir uns beim Thema Gesundheitsleistungen – da sind wir uns sicherlich einig – in der Tat Verbesserungen vorstellen können. Wir haben darüber sehr konkret mit dem Experten der AOK Bremen diskutiert. Dazu gehört etwa die Idee, dass die Gesundheitsleistungen von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern über Krankenkassen abgerechnet werden. Diese Sache finden wir gut. In diese Richtung müssen wir gemeinsam mit den Ländern gehen.

(Beifall bei der SPD)

Ich muss aber auch deutlich sagen: Wir verbessern jetzt im Asylbewerberleistungsgesetz die Notfallhilfe, indem wir für Notfallsituationen regeln, dass die Träger das Geld für die entstandenen Kosten direkt an Krankenhaus oder Arzt überweisen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)

Ich will aber auch deutlich sagen – das habe ich in der ersten Lesung schon einmal getan –: Was an schrecklichen Fällen in Flüchtlingsheimen passiert ist – da wurde kein Arzt gerufen –, ist auch schon nach heutiger Gesetzeslage rechtswidrig. In Notfallsituationen haben selbstverständlich Flüchtlinge Anrecht auf medizinische Behandlung in Deutschland.

Ein dritter Punkt aus der Anhörung ist mir wichtig; er betrifft das, was wir aus der Stadt Dortmund gehört haben. Die Stadt Dortmund zählt sicherlich nicht zu den reichsten Städten.

(Zustimmung des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Der Kollege darf zustimmend nicken, weil er von dort kommt. – Diese Stadt verfolgt seit vielen Jahren die Politik, die Flüchtlinge in Wohnungen unterzubringen. Sie hat damit sehr positive Erfahrungen gemacht. Dort gibt es keine Konflikte, weil die Privatsphäre gewahrt wird und weil Gemeinschaftsaktivitäten auf freiwilliger Basis angeboten werden.

Diese Unterbringung in Wohnungen ist ein erstrebenswertes Ziel, weil es damit auf der kommunalen Ebene so positive Erfahrungen gibt. Jetzt braucht man sicherlich noch eine Zeit lang Gemeinschaftseinrichtungen, da die Zahl der Flüchtlinge höher ist. Die Unterbringung in Wohnungen ist aber ein ganz entscheidender Schritt in Richtung einer positiven Integration.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin Griese, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder eine Anmerkung des Kollegen Kurth?

Ja, selbstverständlich.

Liebe Kerstin Griese, es freut mich, dass das Beispiel Dortmund genannt wurde. Die Stadt versucht in der Tat, Flüchtlinge nicht in Sammelunterkünften, sondern in Wohnungen unterzubringen.

Allerdings muss ich dann doch die Frage stellen, warum denn zum Beispiel die Kosten für die Unterbringung weiterhin als Sachleistungen erbracht werden sollen. Können Sie das einmal begründen? Wenn die Unterbringung in Wohnungen in Ihren Augen eine so vorbildliche Praxis ist, müsste doch der gesetzliche Rahmen entsprechend gestaltet werden.

Herr Kollege Kurth, herzlichen Dank für diese Frage; denn sie gibt mir Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass wir noch die Protokollerklärung des Bundesrates umsetzen werden. Diese sieht vor, dass wir dort Geldleistungen explizit vor Sachleistungen verankern werden, dass wir dort die Residenzpflicht aufheben werden – das ist eine ganz wichtige Sache für das praktische Leben der Asylbewerberinnen und Asylbewerber in unserem Land – und dass wir außerdem mit einer Verwaltungsverordnung die sogenannte Vorrangprüfung bei einem Arbeitsplatz abschaffen werden.

Das werden ganz wichtige Dinge sein, um das Leben der Flüchtlinge im Alltag bei uns zu verbessern. Es geht immer um zwei Dinge: darum, dass sie gut und anständig wohnen können, und darum, dass sie möglichst früh anfangen können, sich einen Arbeitsplatz zu suchen und zu arbeiten. Denn das ist das Wichtigste, um sich in diesem Land zu integrieren. Mit Arbeit kann man seinen Unterhalt sichern, was sich positiv auf das Selbstbewusstsein auswirkt. Insofern sind das richtige Schritte.

Ich möchte Ihnen noch Folgendes kurz zu Dortmund sagen: Ich bin sehr froh, dass das Land Nordrhein-Westfalen auf seinem Flüchtlingsgipfel beschlossen hat, die Landespauschale für die Leistungen zu erhöhen. Damit werden die Kommunen in ihren Bemühungen unterstützt – gerade Kommunen wie Dortmund brauchen das –, um die Flüchtlinge ordentlich unterzubringen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Das reicht hinten und vorne nicht! In Bayern übernimmt das die Landesregierung! Nordrhein-Westfalen zahlt nur 20 Prozent!)

Dafür wird die Pauschale jetzt erhöht. Das ist ein ganz wichtiger Schritt. Der Flüchtlingsgipfel, der dort abgehalten wurde, war ein wichtiges Vorbild, wie man das in anderen Bundesländern machen könnte.

(Beifall bei der SPD)

Ich will noch einen weiteren Punkt aus der Anhörung deutlich machen. Denn das Asylbewerberleistungsgesetz ist nicht dafür da, Migration zu steuern – weder nach oben noch nach unten. Das Asylbewerberleistungsgesetz ist für die individuellen Leistungen und die individuellen Bedarfe der Asylbewerberinnen und Asylbewerber da. Es ist aber nicht dazu da, Migration zu regulieren.

Dass es Veränderungen bei den Wanderungsbewegungen und Fluchtbewegungen auf dieser Welt gibt, hat mit den schlimmen weltweiten Krisen zu tun. Das sieht man allein daran, dass die meisten Flüchtlinge derzeit aus Syrien kommen. Die Veränderungen sind auch durch den Jahresverlauf bedingt. Mir ist wichtig, festzuhalten: Mit dem Asylbewerberleistungsgesetz machen wir keine Migrationspolitik, indem wir Zuwanderung regeln, sondern wir regeln die soziale Situation und die Absicherung der Flüchtlinge in unserem Land.

(Beifall bei der SPD)

Wir verbessern die Situation in sechs Bereichen: Wir heben die Bedarfssätze an, wir verkürzen die Wartefrist, Kinder und Jugendliche werden Bildungs- und Teilhabeleistungen erhalten, sie werden nicht mehr sanktioniert, wenn ihre Eltern Verstöße begehen, und wir nehmen Opfer von Menschenhandel und bestimmte Gruppen, die geduldet werden, aus dem Gesetz heraus, sodass sie heute schon Leistungen gemäß SGB II oder SGB XII erhalten. Dadurch entlasten wir die Kommunen erheblich. Wir führen außerdem eine Regelung ein, die in medizinischen Notfällen sehr schnell die Finanzierung sichert.

Das sind gute Schritte. Es werden noch weitere folgen. Die wichtigsten sind für mich, dass wir ermöglichen, dass Flüchtlinge bei uns schneller arbeiten können. Auch die Unterbringung in guten Wohnungen hatte ich erwähnt. Wir werden außerdem die Residenzpflicht abschaffen und den Vorrang von Geldleistungen vor Sachleistungsbezug ermöglichen. Das ist eine ganze Menge. Damit zeigen wir, dass wir ein Land sind, das Flüchtlinge, die aus Situationen schwerster Bedrohung zu uns kommen, willkommen heißt. In diesem Zusammenhang danke ich allen, die sich ehrenamtlich vor Ort engagieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Matthäus Strebl.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4078836
Wahlperiode 18
Sitzung 63
Tagesordnungspunkt Asylbewerberleistungsgesetz
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