06.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 63 / Tagesordnungspunkt 9

Herlind GundelachCDU/CSU - Gleichstellung im Kulturbetrieb

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Große Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag ausdrücklich festgehalten, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern für uns eine hohe Priorität hat. Wir haben schon wichtige Punkte beschlossen und bringen derzeit weitere wichtige Gesetze auf den Weg. Allein in dieser Woche werden wir das Elterngeld Plus in zweiter und dritter Lesung beraten. Die flexibleren Lösungen beim Elterngeld und bei der Elternzeit bedeuten für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine ganz erhebliche Erleichterung.

Jede Frau und jeder Mann sollten grundsätzlich jeden Beruf ergreifen können. Das müssen wir ihnen ermöglichen. Das ist für mich Gleichstellung. Ich weiß aber auch, dass das einfacher klingt, als es tatsächlich ist. Für mich bedeutet Gleichstellung außerdem, dass Frauen und Männer für die gleiche Arbeit auch den gleichen Lohn bekommen. Die Problematik der Entgeltgleichheit ist übrigens besonders paradox; denn in der Praxis sind Frauen häufig besser ausgebildet, haben oft die besseren Noten und bekommen trotzdem weniger Gehalt für die gleiche Arbeit. Das ist auf Dauer nicht zu akzeptieren.

Für mich bedeutet Gleichstellung aber auch, dass Frauen ihre Entscheidungsfreiheit nicht selber begrenzen. Ich war immer eine berufstätige Mutter. Ich weiß, dass es für Frauen reale Barrieren in der Berufswelt gibt. Aber es ist auch entscheidend, ob wir diese als Frauen hinnehmen oder aktiv dagegen angehen. Ich beobachte nämlich auch, dass junge Frauen oftmals Berufe danach auswählen, ob sie geeignet sind, Familie und Beruf miteinander zu verbinden. Das ist selbstverständlich absolut legitim; aber ich möchte Frauen ausdrücklich dazu ermutigen, ihre Wünsche laut zu äußern und sich selber zu erlauben, reale Entscheidungsfreiheit zu leben.

Die Grenzen, die Frauen im Berufsleben erleben, sind über viele Jahrzehnte durch Geschlechter- und Rollenbilder entstanden und gewachsen. Wenn Frauen sich selber begrenzen, dann zementieren sie diese Bilder, und wir werden weiterhin zwischen Frauen- und Männerberufen unterscheiden.

Ich habe aus meiner Meinung nie einen Hehl gemacht: Ich bin eigentlich keine Befürworterin der Quote. Aber wie die Erfahrung zeigt, ist sie zum jetzigen Zeitpunkt leider immer noch notwendig. Es wäre aber falsch, zu glauben, dass wir dadurch die Geschlechter- und Rollenbilder ändern können; denn das können nur wir selbst. Das fängt früh an, nämlich schon in der Art, wie wir unsere Kinder erziehen. Da finde ich übrigens selbst bei manchen Feministinnen ganz traditionelle Erziehungsmuster. Also, es gibt genug zu tun.

Es gibt aber Branchen – ich glaube, darin sind wir uns einig –, in denen die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und auch der Karrierechancen für Frauen nicht so einfach umzusetzen ist, wie wir das gerne hätten. Eine dieser Branchen ist zweifellos der Kulturbereich. Grundsätzlich begrüße ich daher den Antrag der Grünen, der die Gleichstellung von Frauen im Kulturbetrieb thematisiert. Ich bin aber doch etwas verwundert darüber, dass der Antrag die besonderen Aspekte dieser Branche aus meiner Sicht überwiegend verkennt, dass dieser Antrag Themen adressiert, bei denen der Bund schlichtweg der falsche Ansprechpartner ist, und dass dieser Antrag die künstlerische Freiheit zum Teil völlig außer Acht lässt. So können und so sollten wir die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Frauen im Kulturbereich nicht erreichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie sprechen in Ihrem Antrag explizit durch Bundesmittel geförderte Filmprojekte an. Ja, es ist schade, dass die Zahl der Filme von Regisseurinnen niedriger ist als die von Regisseuren. Ich würde aber keine Kausalität zwischen Geschlecht und Förderung unterstellen. Das halte ich in diesem Fall schlichtweg für falsch.

Einen ähnlichen Zusammenhang stellen Sie auch bei Theaterinszenierungen fest. Ja, die Stücke beim Berliner Theatertreffen haben zu großen Teilen männliche Regisseure. Auch wenn ich die Spielpläne der deutschen Theaterlandschaft insgesamt durchforste, stelle ich fest: Die meisten Stücke werden von Männern inszeniert. Aber ich stelle auch fest, dass es immer mehr Autorinnen und mehr weibliche Bühnen- und Kostümbildner und auch Co-Regisseurinnen gibt, vor allem an vielen kleineren, aber auch durchaus bedeutenden Theatern. Dass vor allem auch Intendantinnen wie Karin Beier und Shermin Langhoff besondere Aufmerksamkeit bekommen, ist zweifellos richtig und geschieht meiner Meinung nach völlig zu Recht. Denn diese Frauen leisten großartige Arbeit.

Ich möchte aber in diesem Zusammenhang noch eine Bemerkung machen. Wenn ich mir in den letzten Jahren beim Berliner Theatertreffen manche Stücke angeschaut habe, konnte ich zum Teil Geschlechterbilder erkennen, die mir sonst eher durch meine Großmutter vorgelebt worden waren. Aber diese Inszenierungen wurden gefeiert, und zwar von beiden Geschlechtern. Das ist auch in Ordnung; denn über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Vielleicht müssen wir eher die Rollenbilder in der Gesellschaft hinterfragen. Warum finden auch Frauen solche klischeehaften Darstellungen gut? Aber an dieser Stelle möchte ich ausdrücklich betonen: Für Inszenierungen und Produktionen muss die künstlerische Freiheit immer oberstes Gebot bleiben.

Berufe im Kunst- oder Kulturbereich haben meistens besondere Arbeitsbedingungen, die sich nicht wegdiskutieren lassen. Manche Theater haben zum Beispiel Hausregisseure. Diese inszenieren dann vielleicht drei Stücke in einer Spielzeit und sind somit schätzungsweise sechs Monate eines Jahres an einen Ort gebunden. Die allermeisten Regisseure inszenieren aber im gesamten deutschsprachigen Raum und sind so meist nicht länger als zwei Monate in einer Stadt.

Ich glaube nicht, dass bei der Verpflichtung eines Regisseurs das Geschlecht grundsätzlich eine Rolle spielt. Aber die Vereinbarkeit von Familie und Beruf spielt bei der Berufswahl in diesem Fall ganz sicher eine Rolle. Denn Regisseurinnen und Regisseuren hilft auch eine Kita mit den besten Öffnungszeiten nichts, wenn sie alle zwei Monate umziehen müssen. Dann ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf schwer zu erreichen. Ähnliche Probleme haben übrigens beispielsweise auch freie Bühnen- und Kostümbildner.

Die in dieser Woche zu beschließenden Änderungen beim Elterngeld Plus können für diese Frauen Erleichterung schaffen. Ich bin daher froh, dass wir damit mehr Flexibilität für alle schaffen. Denn so können nicht nur Frauen, sondern auch Paare im Kulturbereich ihre Elternzeit an die besonderen Gegebenheiten ihrer Berufe anpassen.

Meine Damen und Herren, Quoten im Kulturbereich können beim besten Willen kein Weg sein. Wenn Menschen mehr Bilder von männlichen Malern kaufen, obwohl es genauso viele weibliche wie männliche Maler gibt, können wir ihnen letztendlich nichts anderes vorschreiben. Wir können den Geschmack nicht beeinflussen. Deswegen finde ich Ihre Vorschläge für die Vergabe von Preisen oder die Zusammenstellung von Ausstellungen nicht zielführend, vor allem, da selbstverständlich im Bereich der institutionellen Förderung durch Bund und Länder gleichermaßen – darauf haben auch Sie abgehoben – das Gleichstellungsgesetz und die Gremienbesetzungsgesetze durchaus Anwendung finden. Hier setzen wir uns für weitere Verbesserungen ein. Eine Novellierung dieser Gesetze ist in Arbeit.

Außerdem sind die dauerhaft durch den Bund geförderten Einrichtungen gehalten, die Gleichstellungsanforderungen zu beachten. Auch gibt es konkrete Projektförderung mit frauenspezifischem Hintergrund. Ich bin durchaus dafür, dass solche Dinge ausgeweitet werden.

Ich bin auch Ihrer Auffassung, dass es mit Blick auf weitere Maßnahmen, die zu ergreifen sind, vielleicht ganz sinnvoll wäre, zu einer Aktualisierung der Daten zu kommen. Sie sind in der Tat etwas zu alt, um von der heutigen Warte aus ein Urteil darüber zu erlauben, was tatsächlich nottut.

Aber für mich und, wie ich glaube, auch für die CDU/ CSU insgesamt ist es ganz wichtig, dass im Bereich der Kunst immer künstlerische und kulturelle Kriterien maßgeblich sein müssen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Für die Linke spricht jetzt die Kollegin Sigrid Hupach.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4078893
Wahlperiode 18
Sitzung 63
Tagesordnungspunkt Gleichstellung im Kulturbetrieb
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