06.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 63 / Tagesordnungspunkt 9

Hiltrud LotzeSPD - Gleichstellung im Kulturbetrieb

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Gäste auf den Besuchertribünen! 65 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes kann von einer tatsächlichen Gleichstellung in vielen Bereichen unserer Gesellschaft nicht die Rede sein. Das ist ein Fakt. Wenn es so weiterginge wie bisher, dann würden wir wahrscheinlich auch 65 Jahre später uns alle eingestehen müssen, dass es mit gutmütigen Appellen und mit Freiwilligkeit in der Privatwirtschaft nicht wirklich weiter vorangeht.

Ich bin deswegen dankbar, dass wir mit Manuela Schwesig eine kompetente und sehr hartnäckige Ministerin haben, die trotz heftigen Gegenwinds – jetzt zitiere ich den Artikel 3 Absatz 2 Grundgesetz – „auf die Beseitigung bestehender Nachteile“ hinwirkt. Deswegen ist die Frauenquote ein immens wichtiger Beitrag zur Gleichstellung von Frau und Mann.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Indikatoren der Ungleichstellung von Frau und Mann, die wir in der Privatwirtschaft beobachten können, gelten größtenteils auch für den Kunst-, Kultur- und Medienbereich und sind uns mittlerweile mehr als gut bekannt. Frauen verdienen für gleiche Arbeit weniger, sie sind überdurchschnittlich von prekärer Beschäftigung betroffen, und wir treffen sie viel seltener auf den höheren Hierarchieebenen an, und das trotz nachweislich vorhandener sehr guter Qualifikationen. Sie sind auch noch viel stärker davon betroffen, dass sich nach wie vor Familie und Beruf so schlecht miteinander vereinbaren lassen.

Es gibt aber eine Besonderheit im Bereich der Kultur-, Kreativ- und Medienwirtschaft, nämlich die, dass gerade hier die Möglichkeit für Frauen besonders groß ist, Karriere zu machen, und zwar jenseits von tradierten Berufsbildern, also typisch weiblichen und typisch männlichen Berufen. Die Digitalisierung, über die wir hier schon häufig intensiv gesprochen haben, verstärkt diesen Effekt noch. Unter den Selbstständigen im Kultur-, Medien- und Kreativbereich sind überdurchschnittlich viele Frauen. Es zeigt sich aber auch, dass Frauen in diesem Bereich besonders stark von Arbeitslosigkeit betroffen sind, jedenfalls stärker als Männer.

Wir können also sagen, dass der Kreativ-, Kultur- und Medienbereich einerseits ein wichtiger und aus der Genderperspektive eigentlich traumhafter Arbeitsmarkt für Frauen ist, der im Übrigen ein großes Wachstums- und Beschäftigungspotenzial aufweist. Deswegen arbeiten wir intensiv am Kreativpakt. Er ist also eigentlich ein traumhafter Arbeitsmarkt, der aber andererseits für Frauen ein großes soziales Risiko birgt.

Wir haben in Regierungsverantwortung bereits einige Weichen gestellt, um die Situation zu verbessern. Ich nenne als Beispiel nur den Mindestlohn, der positive Auswirkungen für die Beschäftigten im Kreativ-, Kultur- und Medienbereich hat. Noch wichtiger zu erwähnen ist, dass wir umgehend nach der Regierungsbildung beschlossen haben, die Beiträge zur Künstlersozialkasse zu stabilisieren. Gerade für selbstständige Frauen, die in der KSK versichert sind und Mutter werden, ist die KSK eine ganz wichtige Stütze. Das sind zugegebenermaßen nur einige und verhältnismäßig kleine Steine, die wir aus dem Weg geräumt haben, aber sie sind sehr wichtig.

Allerdings sind noch einige dicke Brocken zu bewegen. Es ist deswegen richtig und wichtig, dass der Antrag der Grünen dies heute hier thematisiert. Der Antrag ist nahezu wortgleich mit einem Antrag der Grünen aus der letzten Legislaturperiode. Damals hatte auch die SPD einen Antrag mit dem Titel „Für die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern auch im Kunst-,Kultur- und Medienbereich“ vorgelegt.

Ich denke – das ist hier schon angeklungen –, wir sind uns auch heute darüber einig, dass Handlungsbedarf besteht. Auch wenn ganz klar ist, dass die Kompetenz des Bundes aufgrund der Kulturhoheit der Länder begrenzt ist, sollte uns das hier nicht davon abhalten, im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten die Gleichstellung zu fördern. Der Antrag der Grünen und auch unser Antrag aus der letzten Legislaturperiode haben da die Richtung vorgegeben und die möglichen Handlungsfelder beschrieben. Ganz wichtig dabei ist, dass wir über die aktuelle Situation genau Bescheid wissen, sprich: Wir brauchen – ich zitiere aus dem Antrag – „… geschlechtsspezifisches Wissen über die sozialen Rahmenbedingungen der Kunstschaffenden, die Besetzung von Führungspositionen und Gremien sowie die Vergabe von Stipendien und anderen Fördermaßnahmen …“. Dieser Forderung aus dem Antrag der Grünen kann ich vorbehaltlos zustimmen.

Gleichzeitig sehe ich, dass ein Bereich in diesem Antrag zu kurz kommt: der Medienbereich. Leider kommt der Begriff „Medien“ schon im Titel des Antrags nicht vor. Das ist für uns Grund genug, dieses Thema jetzt im Kultur-, Kreativ- und Medienbereich aufzugreifen, und zwar umfassend. Wir sollten uns für dieses wichtige Thema aber auch Zeit nehmen, um es gründlich zu behandeln. Ich schlage deswegen vor, dass wir im Ausschuss für Kultur und Medien ein Fachgespräch zu diesem Thema führen, um uns alle gemeinsam auf den neuesten Stand zu bringen. Als zuständige Berichterstatterin setze ich mich dafür ein, und ich bin mir sicher, dass ich da die Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen der Union habe. – Ich sehe da schon Nicken.

Eine Sache noch zum Schluss, die mir besonders wichtig ist. Wenn wir über Gleichstellung im Kultur-, Kreativ- und Medienbereich reden, dann gehört ein wichtiger Aspekt dazu: Das ist die Inklusion. Kultur für alle bedeutet nicht nur, dass wir allen den Zugang zur Kultur ermöglichen, sondern auch, dass jeder mitmachen kann. Wenn wir also unter dem Stichwort „Gleichstellung“ die Fördergrundsätze des Bundes im Kultur- und Medienbereich unter die Lupe nehmen, dann dürfen wir das nicht nur unter dem Genderaspekt machen, sondern wir müssen auch die UN-Behindertenrechtskonvention ernst nehmen und dabei die Inklusion mitdenken.

(Beifall bei der SPD)

Ich freue mich darüber, dass wir das im Ausschuss gemeinsam mit allen Fraktionen anpacken wollen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Kollegin Dr. Astrid Freudenstein spricht als Nächstes für die CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4078899
Wahlperiode 18
Sitzung 63
Tagesordnungspunkt Gleichstellung im Kulturbetrieb
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