Astrid FreudensteinCDU/CSU - Gleichstellung im Kulturbetrieb
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, ich habe mir Ihren Antrag sehr genau durchgelesen. Mir war er neu; ich bin ja zum ersten Mal hier. Ich habe wirklich überlegt, ob daraus noch eine runde Sache werden kann. Ich muss sagen: Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zu dem Ergebnis, dass ich Ihren Antrag eigentlich für ziemlichen Unsinn halte.
Ich will Ihnen auch sagen, warum. Da gibt es zum einen die kulturpolitischen Gründe, etwa die Kulturhoheit der Länder, die eben schon erwähnt wurde. Die Zuständigkeit für die Kulturförderung liegt zu einem Großteil bei den Ländern, vor allem aber bei den Kommunen. Sie wären die Hauptansprechpartner für Ihre Forderungen. Dort, in den Ländern und in den Kommunen, gelten natürlich schon jetzt, wie auch bei der Kulturförderung aus dem Bundesetat, die ganz allgemeinen gleichstellungspolitischen Grundsätze.
Es mag in den Kommunen und in den Bundesländern mit der Gleichstellung unterschiedlich gut funktionieren. Für Bayern, mein Land, kann ich sagen: Dort werden Künstlerinnen durchaus ganz gezielt mit Programmen gefördert. Schaut man sich die Gewinnerinnen und Gewinner des Bayerischen Kunstförderpreises der vergangenen Jahre an, stellt man fest: Bei der „Darstellenden Kunst“ haben fast nur Schauspielerinnen und Sängerinnen den Preis gewonnen. In der Kategorie „Bildende Kunst“ ist es ebenso ausgeglichen wie in den Sparten „Musik und Tanz“ oder „Literatur“.
Im Übrigen können Sie in Baden-Württemberg schon einmal damit anfangen, Ihre Forderungen umzusetzen; da regieren Sie ja. Ich habe aber aus dieser Richtung bisher eigentlich nichts gehört.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie doch was!)
Außerdem ist da der Punkt „Freiheit der Kunst“. Sie berufen sich in Ihrem Antrag auf Artikel 3 des Grundgesetzes, wonach Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Ich bin sicher, dass niemand in diesem Hause dies bestreiten wird. Dieses Grundrecht steht natürlich in keinerlei Widerspruch zu Artikel 5 des Grundgesetzes, wonach die Kunst frei ist.
Frauen dürfen in unserem Land ihre Kunst natürlich so frei betreiben wie Männer. Sie dürfen sich aber auch ganz frei entscheiden, ob sie sich um eine Stelle als Intendantin bewerben oder ob sie das nicht tun. Sie dürfen Karriere machen wollen, sie dürfen das aber auch nicht wollen, und sie dürfen Drehbücher einreichen, und sie dürfen das auch nicht wollen. Die Juroren eines Auswahlgremiums dürfen – ich meine sogar, sie müssen – allein nach künstlerischen Kriterien beurteilen, und sie dürfen daher Frauen oder eben auch Männer prämieren. Ich will hier auch nicht unterstellen, dass Frauen bei Preisvergaben regelrecht aussortiert würden.
Fakt ist nämlich: Frauen bewerben sich in einigen Bereichen auch heute noch viel seltener um Führungspositionen als Männer,
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woher kommt das wohl?)
etwa um Intendanten- oder Dirigentenposten. Sie bewerben sich auch seltener um Preise.
Damit sind wir schon mitten in einem weiteren Punkt: Ihren Zahlenspielereien. Sie stellen in Ihrem Antrag Zahlen relativ willkürlich gegeneinander und folgern daraus, dass es – ich zitiere – „strukturelle Schranken beim Zugang ins Berufsleben für Frauen im Kulturbetrieb“ gebe. Was Sie dabei unterschlagen, ist, dass es zwischen den einzelnen kulturellen Sparten ganz erhebliche Unterschiede bei der Anzahl von Frauen in Führungspositionen gibt. Sie zitieren leider nur die Negativbeispiele. Richtig ist aber, dass in den Kulturredaktionen der Rundfunkanstalten, in den Feuilletons der Zeitungen, in den Bibliotheken und Museen, in den Literaturhäusern ausgesprochen viele Frauen vertreten sind. Auch die Tatort-Redaktion des Bayerischen Fernsehens ist voller Frauen.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden wir über die Leitungen, oder worüber reden wir hier?)
Ebenso ist das bei Ihrem Vergleich zwischen den freiberuflichen Künstlerinnen und Künstlern. Frauen verdienen danach im Schnitt weniger als ihre männlichen Kollegen. Das ist ein Fakt, den man überhaupt nicht bestreiten kann. In den allgemeinen Diskussionen um den Gender Pay Gap haben Sie korrekterweise schon einige Faktoren herausgerechnet. Der dann entstehende Unterschied ist die eigentliche Ungerechtigkeit. Aber auch hier muss man natürlich ganz genau hinschauen. Gerade bei den Selbstständigen ist von einer sehr großen Chancengleichheit auszugehen, weil eventuell diskriminierende Faktoren, die es bei Angestelltenverhältnissen mitunter noch geben kann, fehlen. Es ist doch sehr viel naheliegender, dass Frauen gerade diese Freiberuflichkeit im Kulturbereich nutzen, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen.
Das führt mich zum nächsten Punkt. Es sind vermutlich gerade die Frauen, die diese Flexibilität im Kulturbereich nutzen und schätzen, um ihren Beruf ausüben zu können, auch wenn sie Kinder bekommen. Dann arbeiten sie natürlich nicht so viel wie jemand, der keine Kinder und keine Familie hat, und verdienen konsequenterweise auch weniger.
(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ich glaube, das Fachgespräch ist wirklich notwendig!)
Aber sie sind vielleicht gar nicht unzufrieden mit ihrem Leben. Das muss kein Missstand sein.
(Zuruf von der LINKEN: Wo leben Sie denn?)
Richtig ist auch, dass es in speziellen Branchen des Kulturbetriebs nach wie vor extrem schwierig ist, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Ich nenne hier einmal das Theater. Nirgendwo sonst gibt es so viele Wochenend- und Abendtermine. Nirgendwo sonst wird so viel zeitliche und örtliche Flexibilität verlangt.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das passt alles in die Geschichte mit dem Betreuungsgeld! Das passt eins zu eins da rein! Das ist genau die gleiche Story!)
Ein Intendant bringt bekanntlich sein eigenes Ensemble mit. Die Theaterleute sind in der ganzen Republik unterwegs, wie ein Wanderzirkus, und das muss man organisieren können, auch als Frau.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit dem Betreuungsgeld geht das bestimmt in Bayern!)
Es ist weder schlecht noch rückständig, wenn sich auch eine Sängerin, eine Regisseurin, eine Tänzerin um ihr Kind kümmern will.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darüber haben wir nicht gesprochen! Das wissen Sie! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist die Konsequenz?)
Dieser Wunsch ist bei Frauen öfter vorhanden als bei Männern. In dieser Welt leben wir alle. Ich unterstelle trotzdem nicht, dass die Frauen allesamt unzufrieden sind oder an Schranken des Kulturbetriebs scheitern.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie den Aufruf von Pro Quote Regie mal gelesen?)
Ich sage einen Satz, auch wenn dieser fast an ein Tabu rührt: Vielleicht sind manche Frauen, wenn sie denn Kinder bekommen, in dem Moment gar nicht so stark an einer beruflichen Karriere interessiert. Ich könnte das auch nachvollziehen.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum geht es doch überhaupt nicht! Sie verstehen überhaupt nicht, worum es geht!)
Meine Damen und Herren, Sie sprechen in Ihrem Antrag wörtlich von einer Diskriminierung von Frauen im Kulturbetrieb; Sie unterstellen also ein halbwegs gezieltes Vorgehen. Ich unterstelle das Gegenteil. Ich meine, dass gerade in der Kulturbranche die Bereitschaft, Frauen zu fördern und auf herausgehobene Positionen zu berufen, besonders ausgeprägt ist, eben weil Frauen – das stimmt ja – ein ganz besonders großes kreatives Potenzial mitbringen. Es wäre überhaupt nicht nachvollziehbar, dieses Potenzial nicht zu nutzen. Gerade deshalb übernehmen sehr viele Frauen die Leitung von Museen, Galerien, Literaturhäusern und Bibliotheken.
Ich behaupte auch, dass nur in wenigen Branchen die Chancengerechtigkeit so hoch ist wie in der Kulturbranche, zum Beispiel weil bei Probespielen in der Regel hinter einem Vorhang gespielt wird, sozusagen als Schleier des Nichtwissens für die Juroren.
Auch ich war schon in einer Findungskommission für einen neuen Intendanten. Es ging um eine städtische Bühne. In der Findungskommission saßen übrigens drei Frauen und ein Mann, nicht alle von der CSU; das sage ich nur, falls Sie meinen, das Ergebnis würde mit der Parteizugehörigkeit zusammenhängen. Am Schluss bekam ein Mann den Posten. Denn unter den vielen Dutzend Bewerbern war nur eine Handvoll Frauen, und die passten nicht in das Profil.
Ich meine, wir müssen uns die Eigenheiten des Kulturbetriebes wirklich genauer anschauen.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was soll man dazu sagen? Nichts mehr!)
Meine Damen und Herren, der Verweis auf die Kulturhoheit der Länder und die Freiheit der Kunst würde als Grund schon reichen, um Ihren Antrag abzulehnen. Ihr schräger Blick auf die Wirklichkeit des Kulturbetriebes und die Lebenswirklichkeit der Frauen tut ein Übriges.
Für Ihren nächsten Antrag habe ich einen Tipp: Schlagen Sie doch vor, den Auktionshäusern zu verbieten, einen Gerhard Richter für mehr Geld zu versteigern als die Bilder seiner weiblichen Kolleginnen. Dann kommen Sie vermutlich ganz groß raus.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist herzzerreißend!)
Abschließender Redner in dieser Aussprache ist der Kollege Burkhard Blienert von den Sozialdemokraten.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4078903 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 63 |
Tagesordnungspunkt | Gleichstellung im Kulturbetrieb |