07.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 64 / Tagesordnungspunkt 31

Markus PaschkeSPD - Schutz von Hinweisgebern

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sogenannte Whistleblower bzw. Hinweisgeber oder Aufklärer, wie ich sie gern nenne, leisten einen großen Dienst an unserer Gesellschaft. Es sind in erster Linie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch Kunden, Lieferanten und Geschäftspartner, die auf Unregelmäßigkeiten, illegales Verhalten oder sogar Gefahren für Mensch und Umwelt aufmerksam werden. Ohne deren Insiderwissen können wir vieles nicht aufdecken und erkennen. Alle diese Menschen stehen in einer gewissen Abhängigkeit zu dem Verursacher. Wir sind in der Pflicht, den Aufklärern Rechtssicherheit darüber zu geben, was sie dürfen und was nicht.

Die SPD hat in der letzten Legislaturperiode bereits einen eigenen Gesetzentwurf zum Thema Hinweisgeberschutz eingebracht.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber jetzt regieren Sie ja zum Glück!)

Es ist kein Geheimnis, dass unser jetziger Koalitionspartner dem nicht folgen konnte. Aber eine neue Legislaturperiode, mit zum Teil neuen Abgeordneten, bietet ja die Möglichkeit, vergebene Chancen nachzuholen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Legislaturperiode meinen Sie? – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Ergebnis: Wir haben uns im Koalitionsvertrag immerhin auf einen Prüfauftrag verständigt.

(Lachen des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Toll!)

Für mich ist das ein klarer Auftrag, nicht nur zu prüfen, sondern die Ergebnisse der Prüfung auch umzusetzen.

Wir alle kennen die Fälle, in denen engagierte und couragierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Missstände in ihren Betrieben und Skandale offenlegen oder verhindern: der Lkw-Fahrer, der den Gammelfleischskandal ins Rollen brachte, die Schlachter, die die unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie in den Fokus der Öffentlichkeit rückten, die Verkäuferinnen, die auf die Mitarbeiterbespitzelung bei einem großen Discounter aufmerksam machten.

Dies sind nur einige Beispiele – wir haben vorhin schon weitere gehört –, die verdeutlichen, dass es sich bei den Hinweisgebern nicht um Denunzianten oder Verräter, sondern – ganz im Gegenteil – um wichtige und notwendige Aufklärer im Dienst der Allgemeinheit handelt.

(Beifall des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber für sie tun wollen Sie nichts!)

Ohne den Mut dieser Männer und Frauen wäre es nicht zu notwendigen Veränderungen zum Wohle der Menschen in unserem Land gekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Alexander Hoffmann [CDU/CSU])

Deshalb finde ich es umso beschämender, dass gerade diese Helden – ja, in meinen Augen sind es Helden –

(Lachen des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

im Anschluss an ihr mutiges Handeln häufig mit Repressalien zu kämpfen haben.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schützen Sie sie doch!)

Für ihre Zivilcourage werden sie zu Recht ausgezeichnet und belobigt. Aber die Medaille hat leider auch eine unschöne Seite: Mobbing, Strafversetzung oder sogar Entlassung als unmittelbare Reaktion aus dem unmittelbaren beruflichen Umfeld der Aufklärer sind leider keine Seltenheit.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Gegenwärtig gibt es in Deutschland bereits vereinzelt gesetzliche Regelungen, die Hinweisgeber schützen sollen.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unzureichend!)

Aber – das sage ich an dieser Stelle deutlich – sie sind meines Erachtens nicht ausreichend.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann tun Sie etwas dagegen!)

Ich freue mich über die Zustimmung; da hätten Sie sich die Zwischenrufe vorher doch alle sparen können.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber es ist alles so folgenlos, was Sie beschreiben! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Handeln!)

Es ist die Aufgabe der Politik, nicht die Aufgabe der Gerichte, zu gestalten, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir brauchen einen effektiven Schutz für die Aufklärer.

Kommen wir nun zu Ihrem Gesetzentwurf, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Grünen. Man könnte sagen: Problem erkannt,

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Aber Gefahr nicht gebannt!)

aber nicht gelöst. Viele Sachen benennen Sie richtig. Und es gibt, wie bereits in der letzten Legislaturperiode, auch einige Schnittmengen zwischen Ihrer und unserer Fraktion. Aber auch in Ihrem Gesetzentwurf gibt es eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe, deren Ausgestaltung wieder den Gerichten obliegt.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Besser machen! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie doch einen Änderungsantrag! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr empfänglich!)

Ich will einige Beispiele nennen: Sie schlagen vor, ins BGB einen § 612 b einzufügen, in dessen Absatz 1 von „konkreten Anhaltspunkten“ die Rede ist. Für einen Absatz 2 schlagen Sie folgende Formulierung vor:

– da sind sie schon wieder –

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So steht das da!)

Ich frage: Was sind denn diese „konkreten Anhaltspunkte“? Was ist eine „angemessene Frist“? Und was ist ein ausreichendes oder nicht ausreichendes Abhilfeschaffen?

Herr Kollege Paschke, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ströbele zu?

Gleich, ich möchte nur diesen Gedanken noch zu Ende bringen. – Kein Hinweisgeber kann das rechtssicher auslegen. Da gucken mich doch Jutta, die Verkäuferin, Miroslaw, der Lkw-Fahrer, oder auch Brigitte, die Altenpflegerin, groß an und wissen immer noch nicht, ob sie rechtlich auf der sicheren Seite sind.

Jetzt habe ich diesen Gedanken zu Ende gebracht und würde die Zwischenfrage von Herrn Ströbele gerne zulassen.

Herr Ströbele, Sie haben das Wort.

Danke, Herr Kollege. Ich fasse mich auch ganz kurz.

Wir haben uns natürlich auch lange Gedanken über diese Formulierungen gemacht. Den Begriff der „konkreten Anhaltspunkte“ haben wir dem geltenden Gesetz entnommen, nämlich § 17 Absatz 2 des Arbeitsschutzgesetzes. Dort steht:

– genau wie hier –

Das ist geltendes Recht – offenbar ausreichend konkret.

Was haben Sie dagegen, wenn wir diese Formulierung in unseren Gesetzentwurf aufnehmen? – Was die Beschäftigten hiernach nicht können, ist, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Aber das ist ja nur die zweite Schlussfolgerung, die wir von einer anderen Voraussetzung abhängig gemacht haben, nämlich von der Güterabwägung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin überzeugt davon, dass gerade jemand, den wir schützen wollen, in der Lage sein muss, ohne seitenlange Kommentare oder Urteile

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht im Gesetz!)

– oder Gesetze – zu lesen, zu verstehen, welche Rechte und Pflichten er hat, wie er sich wann verhalten muss, damit er auf der sicheren Seite ist, wenn er uns Informationen gibt. Ich glaube, es ist wichtig, dass nicht unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet werden, die wieder der Auslegung bedürfen. Im Mittelpunkt muss stehen, dass möglichst jeder Mensch leicht verstehen kann, worum es geht und welche Rechte und Pflichten er hat.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr Vorschlag ist willkommen!)

Es geht nämlich darum, Missstände aufzudecken – nicht um mehr und nicht um weniger. Ich bin der Überzeugung: Der Schutz der Allgemeinheit muss deutlich über dem Interesse an der Geheimhaltung einer unredlichen Geschäftspraxis stehen. Ich glaube, da sind wir uns aber auch alle einig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Nicht der ehrliche Hinweisgeber soll den Schaden haben, sondern derjenige, der Glykol in den Wein oder Pferdefleisch in die Lasagne panscht. Die müssen zur Verantwortung gezogen werden. Das ist der Maßstab unserer Politik.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut!)

Es gibt ja auch schon einige Beispiele, bei denen es funktioniert. Ich will nur ganz kurz erwähnen: Wir haben den Wehrbeauftragten, an den sich die Soldaten direkt wenden können. Die Bürgerinnen und Bürger können sich direkt an den Petitionsausschuss des Bundestages und an die Datenschutzbeauftragten wenden. Das alles sind Beispiele, bei denen es schon funktioniert.

Ich glaube, es ist sinnvoll, dass wir durch ein einfach und deutlich formuliertes Gesetz diejenigen schützen, die uns wichtige Hinweise geben können. Ich persönlich bin überzeugt, dass das auch die Abgeordneten unseres Koalitionspartners wollen und dass sie ebenfalls das Wohl der Menschen bzw. der Allgemeinheit im Blick haben.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Hoffnung stirbt zuletzt!)

Wir werden, so wie wir es vereinbart haben, die geltenden Regelungen überprüfen. Ich bin überzeugt, dass wir dabei zu einer guten gemeinsamen Regelung im Sinne der Allgemeinheit, im Sinne der Hinweisgeber kommen werden.

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

Wer soll die Frage klären, wenn nicht die Große Koalition?

Danke schön.

(Beifall bei der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Grünen offensichtlich! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne den letzten Satz hätten wir geklatscht!)

Jetzt hat der Kollege Alexander Hoffmann das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4080671
Wahlperiode 18
Sitzung 64
Tagesordnungspunkt Schutz von Hinweisgebern
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