07.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 64 / Tagesordnungspunkt 31

Waltraud WolffSPD - Schutz von Hinweisgebern

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren!

So zitierte der Tagesspiegel vom 5. Oktober 2007 den damaligen Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer. Auch damals waren wir in einer Großen Koalition,

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In einem Land vor unserer Zeit!)

und ich war die verbraucher- und agrarpolitische Sprecherin zu dieser Zeit. Ich muss heute hier konstatieren: Wären diese Worte damals Wahrheit geworden, müssten wir heute darüber nicht debattieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Worum geht es, meine Damen und Herren? Es geht darum, solche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schützen, die eklatante Missstände in ihren Unternehmen aufdecken, die sehen, wie in ihren Unternehmen gegen Gesetze verstoßen wird. Es geht um Menschen, die diese Missstände in ihren Unternehmen schon lange angeprangert haben und immer wieder gegen die Wand gelaufen sind. Diese Leute verdienen Schutz und Respekt.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Respekt hat Miroslaw Ricard Strecker 2007 bekommen. Herr Strecker fand den Mut, die Polizei zu informieren, um zu verhindern, dass 11,5 Tonnen Gammelfleisch im Handel landen. Horst Seehofer bescheinigte ihm damals – so zitiert der Tagesspiegel –, dass er „ein außergewöhnliches Maß an Gemeinsinn“ an den Tag gelegt habe und dass er ein „nachahmenswertes Beispiel“ sei.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat eine Medaille gekriegt!)

Der damalige Bundesminister zeichnete den Lkw-Fahrer sogar mit der „Goldenen Plakette“ des Verbraucherschutzministeriums aus – verdient, wie ich meine.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Horst Seehofer – sehr gut!)

Miroslaw Ricard Strecker ist ein ganz gutes Beispiel. Er hat Gemeinsinn und sehr viel Mut bewiesen. Schutz allerdings, meine Damen und Herren, hat Herr Strecker nicht bekommen.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Plaketten helfen nicht!)

Letztendlich bekam er nicht nur die „Goldene Plakette“, sondern er bekam gleichzeitig auch seine Entlassungsurkunde.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So sieht es aus!)

Das war damals der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Wir als Verbraucherschützer wollten den Informantenschutz endlich gesetzlich verankern. Trotz der Zusage des damaligen Ministers haben wir das nicht geschafft. Warum? Leider gab es auch zu der Zeit bis in die höchsten Kreise viele, die einen solchen Informantenschutz als Denunziantenschutz verunglimpft haben.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt! In der alten Legislaturperiode!)

Meine Damen und Herren, die Forderung, dass der Informantenschutz nicht für unberechtigte Hinweise gelten darf – meine Kollegen von der CDU/CSU haben darauf hingewiesen –, ist richtig; keine Frage. Dennoch: Herr Strecker hat verhindert, dass zum Verzehr ungeeignetes Fleisch auf unseren Tellern gelandet ist.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf meinem nicht!)

Er hat auch verhindert, dass Unternehmen durch Betrug Gewinne erzielen. Ein solches Handeln als Denunziantentum zu bezeichnen, würdigt verantwortungsvolles Handeln herab. Das geht heute, 2014, gar nicht mehr.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und deswegen stimmt die SPD unserem Gesetzentwurf zu!)

Die Zeit ist seitdem nicht stehen geblieben. Wir haben im Bundestag immer wieder über den Informantenschutz debattiert. In der letzten Legislaturperiode haben wir von der SPD einen Antrag dazu formuliert. Leider waren wir in der Opposition; darum ist er in der Rundablage gelandet. Aber auch das Europäische Parlament hat im letzten Oktober eine Lanze für den Informantenschutz gebrochen. In seiner Entschließung zum organisierten Verbrechen, zu Korruption und zu Geldwäsche wurde explizit ein besserer Informantenschutz gefordert.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Die EU-Mitgliedstaaten sind aufgefordert worden, zu handeln. Dieser Entschließung haben übrigens – das möchte ich noch einmal deutlich sagen – 33 Abgeordnete von CDU und CSU im Europäischen Parlament zugestimmt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hans- Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind die 33 heute?)

Was tun wir nun heute hier? Unser Koalitionsvertrag sieht vor, zu prüfen, ob die internationalen Vorgaben hinreichend umgesetzt sind.

(Andrej Hunko [DIE LINKE]: Sind sie nicht!)

Ich bin seit 1998 im Deutschen Bundestag, also lange genug, um zu wissen, dass Prüfaufträge eigentlich Stillstand bedeuten.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ablage P bedeuten!)

Ich sage hier – ich denke, auch im Namen meiner Fraktion – ganz klar und deutlich, dass wir eine gesetzliche Regelung für notwendig erachten.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bravo!)

In den letzten Jahren hat das Bundesarbeitsgericht Kriterien dafür erarbeitet, wie ein Informant geschützt werden soll. Aber diese Kriterien sind sehr vage, sie sind unbestimmt, und die Abwägung im Einzelfall führt eigentlich zu mehr Unsicherheit als zu Sicherheit. Hier könnten gesetzliche Regelungen wirklich Klarheit schaffen. Wir würden einerseits Informantenschutz aufwerten, andererseits auch das öffentliche Interesse in der Abwägung stärken und so eine Kultur der Rechtstreue, wie es das Europäische Parlament bezeichnet hat, verankern.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man muss nur dem grünen Gesetzentwurf zustimmen!)

Es ist zweifelsfrei wichtig, dem Schutz von Unternehmen vor unberechtigten Vorwürfen Rechnung zu tragen. Es ist aber auch wichtig, die Rechte von Menschen zu stärken, die eklatante Verstöße aufdecken. Wer sollte in Zeiten von Abhör-, Lebensmittel- und Betrugsskandalen Rechtssicherheit für Unternehmen und Informanten schaffen können, wenn nicht diese Große Koalition?

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Grünen!)

Wir haben in dieser Legislaturperiode die abschlagsfreie Rente mit 63 umgesetzt. Wir haben den Mindestlohn eingeführt.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der muss auch überprüft werden!)

Ich habe große Hoffnung, dass wir es im Rahmen der Diskussionen in der nächsten Sitzungswoche schaffen werden, den Informantenschutz auf rechtlich gute Füße zu stellen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Andrej Hunko [DIE LINKE]: Da bin ich aber gespannt! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann mal los!)

Als nächster Redner hat der Kollege Uwe Lagosky das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da können Sie jetzt gut dran anschließen!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4080683
Wahlperiode 18
Sitzung 64
Tagesordnungspunkt Schutz von Hinweisgebern
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