Uwe LagoskyCDU/CSU - Schutz von Hinweisgebern
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aufgrund nationaler und internationaler Initiativen wird Whistleblowing, die Hinweisgebung, heutzutage als essenzieller Beitrag zu einer guten Unternehmensführung betrachtet. Es ist im Allgemeininteresse, dass Hinweise gegeben werden, unter anderem, damit korruptes Verhalten und Straftaten aufgedeckt werden können.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)
Wenn Whistleblowing beschrieben wird, wird gern „moralisches Gewissen“ genannt, ebenso „Zivilcourage“, „Heldentat“ und „Mut“. Im Antrag der Grünen heißt es, dass Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber neben Mobbing häufig auch arbeits- und dienstrechtlichen Konsequenzen ausgesetzt sind. Hierdurch entstehe für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Gewissenskonflikt: Es ist zu entscheiden, ob sie über die Missstände sprechen oder schweigen.
Die Opposition ist der Meinung, dass es ein neues Gesetz geben soll. Von den Grünen und den Linken sind entsprechende Anträge bzw. Gesetzentwürfe sowohl in den Jahren 2011 und 2012 als auch jetzt, 2014, eingebracht worden.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Sehr gute Anträge!)
Ihr gutes Recht.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke!)
CDU/CSU und SPD werden beim Hinweisgeberschutz prüfen, ob die internationalen Vorgaben hinreichend umgesetzt sind. Das haben wir im Koalitionsvertrag miteinander vereinbart. Ich bin der Auffassung, dass Sie und wir alle Möglichkeiten haben, eine entsprechende Regelung innerhalb der Koalition einzufordern.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben ja jetzt eine gute Vorlage!)
Insofern sage ich: Dieser Prüfauftrag wird aus meiner Sicht sicherlich erfolgen.
Jetzt zum Unternehmenskontext. Keine Frage, ein Mitarbeiter kann sich nicht einverstanden erklären, wenn unverantwortliche Risiken für das Gemeinwesen oder Straftaten bei ihm im Betrieb eingegangen werden. Es braucht – da sind wir uns einig – mutige Mitarbeiter zur Aufklärung solcher Fälle. Im Gegenzug muss der Hinweisgeber aber auch vor Nachteilen im Betrieb geschützt werden. Und genau dieser Aspekt wird von der deutschen Gesetzgebung aufgegriffen.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Rechte hat er ja bisher nicht!)
Der Arbeitnehmer ist durch das eben genannte Maßregelungsverbot gemäß § 612 a BGB geschützt; das ist hier heute schon mehrfach gesagt worden. Arbeitnehmer in Deutschland dürfen ihren Arbeitgeber anzeigen, wenn er das Recht bricht. Darüber hinaus existieren bereits zahlreiche spezialgesetzliche Anzeigerechte für Beschäftigte – die Gesetze sind hier ebenfalls schon genannt worden –, zum Beispiel nach dem Arbeitsschutzgesetz, dem Bundesdatenschutzgesetz oder dem Betriebsverfassungsgesetz.
Zur derzeitigen Rechtsprechung ist zu sagen: Bei Straftaten mit schweren Folgen für Einzelne oder für die Allgemeinheit kann auf den ersten wichtigen Gang, den Versuch einer innerbetrieblichen Klärung, verzichtet werden. In der Rechtsprechung ist dieses ungeschriebene Anzeigerecht der Arbeitnehmer so anerkannt.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ungeschrieben!)
– Ungeschrieben, in der Tat.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, leider! Das wollen wir ja reinschreiben!)
Auch wenn es sich nicht um schwere Straftaten handelt, darf Hinweisgebern nicht gekündigt werden, wenn sie im Vorfeld einer Anzeige oder Veröffentlichung einige Regeln einhalten. So können sich Hinweisgeber an öffentliche Stellen wenden, wenn sie sich zuvor ernsthaft um eine innerbetriebliche Klärung bemüht haben. Es soll sich eben nicht sofort an die Polizei und die Medien gewendet werden. Auch darf eine Anzeige nicht leichtsinnig und mit dem Ziel erfolgen, einer Kollegin oder einem Kollegen erheblichen Schaden zuzufügen. Genau diese Punkte, die auf die bewährte Rechtsprechung zurückzuführen sind, finde ich ausgesprochen sinnvoll.
In einem Betrieb haben Unternehmensleitung, Führungskräfte und Betriebsrat eine Verantwortung für die Beschäftigten. Diese Verantwortung erfordert es, mit Hinweisen im Betrieb sorgsam umzugehen. Es ist zunächst einmal zu klären, ob sie zutreffen, indem man Gespräche mit dem Hinweisgeber, aber auch mit den von den Hinweisen betroffenen Kolleginnen und Kollegen führt,
(Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
kurzum, indem man eine Beurteilung der Gesamtsituation vornimmt. Wenn die Gesamtsituation es erfordert, sind auch arbeits- und strafrechtliche Maßnahmen einzuleiten.
Viele Unternehmen in Deutschland haben Ethikrichtlinien und entsprechende Betriebsvereinbarungen mit ihren Betriebsräten abgeschlossen. Als ehemaliger Konzernbetriebsratsvorsitzender eines Energieversorgungsunternehmens hatte ich einmal die Gelegenheit, eine derartige Ethikrichtlinie und Betriebsvereinbarung abzuschließen. Um sie umzusetzen, wird in der Regel auf eine Anlaufstelle im Betrieb Wert gelegt und diese installiert. Es findet eine Sensibilisierung, eine Belehrung der Beschäftigten statt, indem man unter anderem Korruptionssachverhalte deutlich macht. Korruptionsrelevante Straftaten werden ebenfalls dort benannt, sodass die Beschäftigten insgesamt auf diese Situation vorbereitet sind.
Ethikrichtlinien sollen dabei unterstützen, dass mögliche Straftaten oder korruptes Verhalten aufgedeckt werden und dass ein eventueller Rufschaden für den Betrieb oder für einzelne Mitarbeiter bei nicht korrekten Hinweisen abgewendet werden kann. Sie stellen auch den Hinweisgeber unter Schutz. Wenn man nach den betriebliche Richtlinien und dem geltenden Recht verfährt, sind Betrieb und Hinweisgeber in der Regel maximal geschützt.
Die betrieblichen Handlungsmöglichkeiten eröffnen auf der einen Seite den Rechtsweg, verhindern auf der anderen Seite aber auch, dass Beschäftigte und Arbeitgeber zu Unrecht von Hinweisgebern belastet werden. Unter welchen Rechtfertigungsdruck geraten Betriebe, wenn keine innerbetriebliche Aufklärung vorgeschaltet ist? Man muss sich das nur einmal vorstellen: Medien kommen auf den Vorstand oder Betriebsrat zu, und es herrscht völlige Unwissenheit bei den Entscheidern. Keine vorhergehende Information, keine Möglichkeit zur Umsetzung der innerbetrieblichen Regelungen, die der Regeltreue dienen, keine Aufklärung des Sachverhaltes, keine Chance, sich mit Vorwürfen auseinanderzusetzen, keine eigene Entscheidung über mögliche Strafanzeigen, keine Kommunikationsstrategie, falls falsche Hinweise an die Öffentlichkeit gelangt sind – kurz gesagt: Chaos.
Unzutreffende Anschuldigungen sind in der Öffentlichkeit nur schwer oder gar nicht mehr zu korrigieren. Ungerechtfertigte Anzeigen können finanzielle und existenzielle Folgen für den gesamten Betrieb haben und natürlich auch für die Arbeitsplätze, die dahinter stehen. Insofern ist die Darstellung, dass Hinweisgebern neben Mobbing häufig auch arbeits- und dienstrechtliche Folgen bis hin zur Kündigung sowie strafrechtliche Konsequenzen drohen, nur eine Sichtweise der Dinge.
Unternehmen haben mit der Einführung von Ethikrichtlinien und dazugehörigen Betriebsvereinbarungen erheblich zur Korruptionsprävention beigetragen oder haben noch die Möglichkeit dazu. Durch die Beteiligung an der Entwicklung von Ethikrichtlinien in Verbindung mit Betriebsvereinbarungen haben auch die Betriebsräte die Möglichkeit, ihren Einfluss in den Betrieben zu steigern. Es kommt nicht nur auf neue Gesetze an, sondern vielmehr auf eine Kultur im Betrieb, die die Sozialpartner gemeinsam gestalten, eine Kultur, die es den Beschäftigten von vornherein leicht macht, intern Hinweise zu geben und so ihren Beitrag zu leisten, grobe Missstände und Gefahren abzustellen.
Meine Meinung ist: Deutschland hat eine Gesetzgebung, die den Betrieben sowohl Möglichkeiten zur Aufklärung als auch einen ausgewogenen Hinweisgeberschutz bietet. Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Prüfung werden wir vornehmen. Ich bin auf die Ergebnisse gespannt. Als Union lehnen wir den Inhalt des Antrags und des Gesetzentwurfs an dieser Stelle ab.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Als letzter Redner in der Debatte hat jetzt der Kollege Gerold Reichenbach das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4080720 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 64 |
Tagesordnungspunkt | Schutz von Hinweisgebern |