Gerold ReichenbachSPD - Schutz von Hinweisgebern
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne und am Fernseher! Wir reden hier nicht über den Schutz von Querulanten oder über den Schutz von denjenigen, die aus persönlichen Motiven heraus ihrem Arbeitgeber schaden, sondern wir reden über ganz andere Fälle.
Es ist 20 Jahre her. Der eine oder andere wird sich erinnern an Bilder von zuckenden Kühen aus England und die Berichte von Menschen, die sich an dieser tödlichen grausamen Krankheit durch in Umlauf gebrachtes Rindfleisch von erkrankten Tieren angesteckt haben. Gleichzeitig kam hier in Deutschland von der Fleischindustrie und auch von vielen offiziellen Stellen die Beteuerung: Das ist ein englisches Problem. Das gibt es bei uns in Deutschland nicht.
Im Jahr 1994 schilderte die Hygieneamtstierärztin Margrit Herbst in einem Interview, das im öffentlich- rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt wurde, wie sie in einem Schlachthof bei der Tierbeschau BSE-Anzeichen an mehreren Tieren festgestellt hat. Diese Tiere wurden dann allerdings auf Entscheidung höherer Stellen trotzdem für die Schlachtung und die Inumlaufbringung freigegeben. Dann erst kam auch in Deutschland der BSE-Skandal ins Rollen.
Jetzt frage ich Sie: Welchen Schutz hat denn diese Frau genossen, die verhindert hat, dass auch in Deutschland Produzenten und Fleischbetriebe aus Profitgier weiter Fleisch in den Umlauf bringen, das die Gefahr in sich birgt, dass auch deutsche Bürger sich in Massen an dieser grausamen und tödlich endenden Krankheit infizieren? Sie hatte sich ja zuvor an ihren Vorgesetzten gewendet. Das Ergebnis war: Margrit Herbst wurde fristlos gekündigt.
Der hier schon ein paarmal angesprochene Fall der Pflegerin in einem Berliner Klinikum, die ihren Rechtsschutz bis zum EuGH durchklagen musste, macht deutlich: Offensichtlich sind die Schutzvorschriften, die wir in den unterschiedlichen Gesetzen durchaus haben, nicht ausreichend, um Beschäftigte, die Mut zeigen, dann auch zu schützen. Wer hat denn die Unterstützung und die Kraft, seine Rechte als Arbeitnehmer bis zum EuGH durchzuklagen?
Ich nenne Ihnen ein anderes Beispiel. In meinem Wahlkreis – zwei Ortschaften nebendran – wohnt Rudolf Schmenger. Das ist einer der hessischen Steuerfahnder, die sich ebenfalls an ihre Vorgesetzten gewendet haben und die weggemobbt wurden. Erst nachdem sie aus dem Dienst entfernt worden sind, konnten über Gerichte im Nachhinein die Unrechtmäßigkeit des Handelns ihrer Arbeitgeber und ein Schadenersatzanspruch festgestellt werden.
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sagen, die Rechtslage reicht!)
Jetzt komme ich zu den Grünen.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode genauso wie Sie einen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir werden auch weiterhin dafür eintreten, dass wir Mehrheiten haben.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber ihr regiert!)
– Ja, lieber Konstantin von Notz, wir regieren hier gemeinsam mit der CDU/CSU. Aber solange Sie sich – den Fall Schmenger vor Augen – nicht stolz hier hinstellen und sagen können, dass Sie gemeinsam mit der CDU in Hessen im hessischen Beamtengesetz einen Hinweisgeberschutz geschaffen haben,
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Abwarten!)
gilt für Sie das Gleiche wie für den Fußballfan auf der Tribüne, der lautstark etwas fordert, es aber auf dem Platz selbst nicht hinbekommt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Letzter Satz. Wir werden über das Gesetz, übrigens auch über die Details, diskutieren. Kollege Ströbele, das, was Sie da so schön zitiert haben, das sind die Formulierungen, die wir gemeinsam in der Opposition
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein bisschen anders!)
bei dem zum Glück verfehlten Versuch der schwarz-gelben Koalition im Zusammenhang mit dem Überwachungsskandal bei Bahn und Post und bei anderen für einen Hinweisgeberschutz im Beschäftigtendatenschutzgesetz gefunden haben.
Das sind die gleichen Formulierungen, die wir damals als völlig unzureichend und nicht bestimmt genug kritisiert haben. Jetzt kommen Sie selbst mit diesen Formulierungen. Das heißt, wenn Sie selbst Ihre Aussagen von damals ernst nehmen würden, dann würden Sie hier zumindest einen gewissen Diskussions- und Regelungsbedarf entdecken und sich nicht einfach nur so hinstellen und sagen: Wir haben den Stein der Weisen, und die anderen sind nur nicht in der Lage, das zu erkennen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Wohlfeilste überhaupt!)
Es gibt dazu die Beschlüsse auf europäischer Ebene; das ist gesagt worden. Auch das Europäische Parlament hat dazu mehrmals Beschlüsse gefasst. Wir als Sozialdemokraten werden sowohl in der Prüfung, die wir in der Koalition vereinbart haben, als auch darüber hinaus dafür kämpfen, dass wir hier in diesem Parlament die politischen Mehrheiten dafür bekommen, Menschen, die so mutig wie Frau Herbst waren, das Schicksal, anschließend arbeitslos auf der Straße zu stehen, in Zukunft zu ersparen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4080726 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 64 |
Tagesordnungspunkt | Schutz von Hinweisgebern |