07.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 64 / Tagesordnungspunkt 32

Heinz RiesenhuberCDU/CSU - Strategische Ziele für die Raumfahrt

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Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegen! Lieber Herr Lutze, es freut mich erstens, dass Sie die Leidenschaft von Frau Zypries für die Weltraumfahrt teilen. Es freut mich zweitens Ihre Begeisterung für den Geist der Wissenschaft. Das ist, finde ich, eine vorzügliche Einstellung. Über die Wissenschaft, über das Wissenschaftsprogramm, über die Technologiestrategien, über die Exploration und über andere Themen wird die ESA 2016 diskutieren. Heute haben wir hier drei zentrale technologische und strategische Themen anzusprechen. Ich freue mich sehr, Frau Staatssekretärin, über die harmonische Übereinstimmung der Bundesregierung mit der Koalition in den grundsätzlichen Zielen und in der Begeisterung für die Sache.

Wir haben drei gewichtige Themen. Die eine Frage ist: Wie wird Europa zukünftig den Zugang zum Weltraum organisieren? Mit der Ariane 5 haben wir ein exzellentes Gerät. Seit 2003 gab es 62 Starts ohne irgendein Problem. Sie ist verlässlich, sie hat sich über die Jahre bewährt. Aber jetzt haben wir eine andere Welt – Frau Zypries weist darauf hin –: Wir haben eine Welt, in der sich die Konkurrenten neu aufstellen, in der die Ariane wettbewerbsfähig sein muss. Die Fragen, ob sie billiger werden kann, wesentlich billiger, ob sie flexibler werden kann, ob die nächste Ariane Kern einer neuen Familie von Trägern werden wird, sind interessante Fragen.

Deutschland und Frankreich, die zwei Industrienationen, die hier im Wesentlichen beteiligt sind, haben in der Tat ein neues Konzept vorgelegt, das schon seine Faszination hat. Wir haben bis jetzt eine Weiterentwicklung zur Ariane 5 ME im Sinn gehabt. Das ist eine kluge und saubere Strategie. Aber die Frage, ob der Vorschlag für die nächste Generation Ariane 6 einen Durchbruch in eine neue Dimension bringen kann, wird interessant sein. Ich bin nicht sicher, ob das Konzept schon reif ist. So etwas muss dann auch durchdiskutiert sein. Ich bin nicht sicher, ob es erreicht werden kann, dass die Industrie die angestrebte höhere Verantwortung tatsächlich übernimmt. Ich bin nicht sicher, dass wir schon wissen, ob die Strukturen so sind, dass wir dem privatwirtschaftlichen Ansatz in den Vereinigten Staaten widerstehen können.

Wir haben es beim Airbus erlebt. Vor 30 Jahren war das ein freundlicher Gedanke der Bundesregierung gewesen – und natürlich von Herrn Strauß. Er wurde schrittweise entwickelt. Die Industrie hat sich gegen alle Erwartungen beteiligt, aber den Durchbruch auf den Weltmärkten erzielte der Airbus in dem Moment, in dem die Industrie die Verantwortung übernommen hat und in der Konkurrenz mit Leidenschaft, Augenmaß und dem Willen zum Überleben für das jeweils beste technische Konzept gekämpft hat. Solche Strukturen auch bei der Ariane zu erreichen, wäre eine faszinierende Sache. Das ist ein langer Prozess.

Unser Antrag, der ein weiser Antrag ist, schreibt der Bundesregierung nicht vor, wie das gemacht werden kann. Wir sprechen über strategische Ziele. Wir achten die Hoheit der Exekutive bei den Verhandlungen. Wir bewundern die Kompetenz des DLR, wir freuen uns über das Zusammenspiel der Bundesregierung mit dem DLR, aber auch mit ihren Partnern in der Welt. Aber die Ariane wird eines der Themen sein, über die zu entscheiden ist.

Zweitens – Frau Zypries hat es angedeutet –: Was passiert mit der Internationalen Raumstation? Das ist schon eine einzigartige Einrichtung, beruhend auf der größten technischen Zusammenarbeit, die es in der Welt überhaupt gibt, einhergehend mit äußerster Komplexität, mit großer Strahlkraft. Wir haben uns beim Betrieb der ISS bis 2020 festgelegt. Die Finanzierung muss man jetzt wieder vernünftig festklopfen. Die alte Kostenverteilung muss stehen.

Aber was passiert danach? Ich bin sehr gespannt darauf, welche Vorschläge dazu kommen. Es wird Zeit: 2020 – bis dahin haben wir uns festgelegt – ist nicht mehr fern. Bis dahin gilt es, herauszufinden, was wir wollen: Wie können wir die Kompetenz dafür, dass Menschen im Weltraum arbeiten können, erhalten? Wie können wir sie weiter sinnvoll nutzen? Wenn wir die ISS weiter nutzen wollen, machen die Partner dabei mit? Welches sind die wissenschaftlichen Anschlussprogramme? Darin liegt durchaus, lieber Herr Lutze, Faszination für das, was in der Wissenschaft, in der Materialforschung, bei Legierungen, in der Pharmazie, in der Medizintechnik, an Bord der ISS passiert.

Das ist weitestgehend Grundlagenforschung. Grundlagenforschung – jetzt muss ich aufpassen, dass ich keine Rede über andere Themen halte – ist wirklich auch dann reizvoll, wenn sich die Industrie vorher überlegt, was dabei herauskommen kann. Wir wollen jetzt einmal schauen, dass die Finanzierung der ISS bis 2020 gesichert werden kann und dass es dann verlässlich weiterläuft.

Drittens. Die EU hat jetzt den Auftrag, eine europäische Raumfahrtpolitik zu entwickeln; das ist im 2009 in Kraft getretenen Vertrag von Lissabon festgelegt. Das ist eine große Aufgabe. Sie gelingt dann, wenn die EU den großen strategischen Rahmen für die Raumfahrtpolitik errichtet und wenn die ESA mit ihrer technischen Kompetenz die Geräte zur Umsetzung so entwickelt, dass die Nationen, die beteiligt sind, jeweils ihre besten Fähigkeiten mit einbringen können, und wenn daraus dann eine gemeinsame Strategie von großer Stärke entsteht.

Dass dies gelingt, ist nicht ganz einfach zu erreichen. Aber wir haben jetzt, an dieser Stelle, die Chance, die Weichen so zu stellen, dass die Fähigkeit Europas, Weltraumtechnik in die Gesamtstrategie seiner Industrie- und Wirtschaftspolitik, seiner Klima- und Umweltpolitik einzubeziehen, kombiniert wird mit dem unabhängigen und bewährten System der ESA und ihrer Partner.

Das sind die drei entscheidenden Punkte. Auch das, was hier darüber hinaus ansteht, ist von Bedeutung. Wir haben über die Raumfahrt im Deutschen Bundestag nicht sehr oft diskutiert; die letzte Weltraumdebatte liegt ungefähr ein Jahrzehnt zurück; wir denken also durchaus in chinesischen Zeiträumen. Eine wichtige Frage ist hier schon mit angemessener Behutsamkeit angesprochen worden: Wie schön wäre es, wenn wir bald einen deutschen ESA-Generaldirektor bekämen? Deutschland hat sich bereit erklärt, einen vorzüglichen Kandidaten vorzuschlagen. 30 Jahre ist es her, dass Reimar Lüst zum Generaldirektor der ESA gewählt worden ist. Er war ein prachtvoller Kandidat; er war ein exzellenter Generaldirektor. Das Gleiche traue ich auch Johann-Dietrich Wörner zu.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ministerratskonferenzen haben ihre Tagesordnung. Sie haben in aller Regel aber auch eine kluge zweite Agenda; Frau Bulmahn, Sie wissen es aus Ihrer früheren Regierungszeit. Die konspirativen Netzwerke, durch die mit unauffälliger, liebevoller Kooperation vorbereitet wird, was hernach an Entscheidungen bis hin zu den delikaten Personalentscheidungen entstehen kann, sind dort lebendig. Nicht durch die Weisheit der Papiere, sondern durch den charmanten und liebenswürdigen Umgang mit Andersmeinenden entsteht dann plötzlich der Durchbruch zur übergeordneten Wahrheit, nämlich zur Akzeptanz unseres Kandidaten.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Schließlich: Zu Recht ist darauf hingewiesen worden, was für eine wirklich gewinnende und beeindruckende Arbeit Alexander Gerst im Weltraum geleistet hat. Wir haben mit unseren Wissenschaftsastronauten immer Glück gehabt. Ich spreche nicht von Sigmund Jähn. Das war 1978 in der DDR.

(Zuruf des Abg. Andreas G. Lämmel [CDU/CSU])

– Andreas, du erinnerst dich noch aus deiner frühen Jugendzeit. – Alle deutschen ESA-Wissenschaftsastronauten von Ulf Merbold bis Alexander Gerst – ich zähle sie gar nicht alle auf – waren ganz verschieden, aber sie waren prima: kompetent, nervenstark, mit einer erkennbar strahlenden Freude an Technik. Sie waren begeistert, ihre Arbeit zu tun. Besonders die Idee, dass wir es können, dass Deutschland in Technik glanzvoll ist, dass wir hier verantwortlich mit der Wirklichkeit und unseren Möglichkeiten umgehen, das haben sie rübergebracht – auch über das hinaus, was im Weltraum technisch erreicht werden kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist eine bedeutende Sache, immer wieder mit sichtbaren Beispielen zu zeigen, an welchen Stellen erfolgreich und mit Strahlwirkung gearbeitet werden kann, um so für Technik zu begeistern. Wenn wir Carbon Nanotubes erklären, begeistert das keinen Menschen, auch wenn der Durchbruch gigantisch ist; ein Mensch aber, der im Weltraum erfolgreich arbeitet und wohlbehalten zurückkehrt, das ist eine gute Sache.

Als wir vor vielen Jahren den Space-Shuttle „Enterprise“ der NASA aus dem Weltraum nach Köln geholt haben, sagten die Leute erst: Was soll das? Da kommen vielleicht 5 000 Menschen. – Es waren dann 300 000, weil die Begeisterung für einen sichtbaren Erfolg in die nächste Runde weiterträgt. Es kommt immer darauf an, dass jeder ein bisschen mehr leistet, als er sich zutraut, jeder: der Arbeiter in der Fabrik ebenso wie der Astronaut im Weltraum.

Aus diesem Geist Deutschlands Zukunft zu bauen, das ist das Ziel, das wir gemeinsam mit dieser zuversichtlichen und hochkompetenten Regierung haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt hat als nächster Redner Dieter Janecek das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4080774
Wahlperiode 18
Sitzung 64
Tagesordnungspunkt Strategische Ziele für die Raumfahrt
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