Andreas MattfeldtCDU/CSU - Strategische Ziele für die Raumfahrt
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Immer, wenn ich gefragt werde, was denn das wohl herausragendste Ereignis in meinem Geburtsjahr 1969 war – an die SPD: das war nicht, dass Willy Brandt Kanzler wurde –, antworte ich: Das bedeutendste Ereignis war die Mondlandung, die den Amerikanern 1969 geglückt war, und der legendäre Satz von Neil Armstrong beim Betreten des Mondes, als er sagte: Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit. – Ich glaube, dem ist nichts hinzuzufügen. Dass die Menschheit es geschafft hat, auf dem Mond zu landen, war eben nicht nur für Neil Armstrong ein besonderer Moment, das war nicht nur für die USA ein besonderer Moment, sondern – ich kenne es aus Erzählungen – das war auch bei uns in Deutschland ein besonderes Highlight-Ereignis. Auch der Wirtschaftsminister sagte am Dienstag, dass er sich gut daran erinnern kann. Ich glaube, das dokumentiert die Bedeutung noch einmal eindrucksvoll.
Die Raumfahrt hat sich seit 1969 weiterentwickelt. Sie hat unseren technischen und auch medizinischen Fortschritt erheblich geprägt. Gerade wenn wir Europäer im Bereich des technischen Fortschritts weiter vorne mit dabei sein wollen, ist es zwingend, dass wir uns einen eigenständigen Zugang zum All erhalten. Hier dürfen wir uns eben nicht auf andere Nationen, Herr Lutze, verlassen. Was passiert, wenn wir keine geeignete europäische Trägerrakete einsetzen können, haben wir erst kürzlich erleben müssen, als aufgrund eines Konstruktionsfehlers der Sojus-Trägerrakete ein für das Satellitennavigationssystem Galileo bestimmter Satellit nicht in die richtige Umlaufbahn befördert werden konnte und daher nicht mehr nutzbar ist. Deshalb ist für mich klar: Wir dürfen uns im Bereich von Trägerraketen nicht abhängen lassen und müssen weiterhin aktiv sein.
Wenn ich an andere Nationen denke, denke ich an Nationen, die zurzeit wirtschaftlich sehr erfolgreich agieren, wie zum Beispiel an China. Sie haben ganz klare Strategien. Sie setzen auf eigene Entwicklungen, und sie verlassen sich eben nicht auf andere. Nationen wie China sehen und nutzen die Chancen, die sich aus neuen Entwicklungen für sie technologisch, aber im weiteren Verlauf auch wirtschaftlich ergeben. Gerade im Telekommunikations- oder im Verteidigungsbereich sehe ich erhebliche Türen, die wir nicht zuschlagen dürfen. Nein, im Gegenteil, Europa muss unter dem Dach der ESA in der Raumfahrt weiterhin führend agieren.
Hierzu möchte der vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen, über den wir heute debattieren, beitragen. Mit einem klaren Bekenntnis der Mehrheit des Deutschen Bundestages möchten wir die Verhandlungen von Frau Staatssekretärin Zypries auf der ESA-Ministerratskonferenz stärken und untermauern. Europa soll wissen, dass das deutsche Parlament mit ganz großer Mehrheit zur weiteren Entwicklung der ESA-Idee steht, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Viele Menschen in Deutschland – Sie haben es eben gehört – verfolgen in diesen Tagen die Aktivitäten unseres deutschen Astronauten Alexander Gerst, der auf der ISS seinen Dienst tut und die Menschen in unserem Land mit seiner Arbeit und vor allem – das darf ich sagen – mit seiner Berichterstattung begeistert. Der Nutzen der Raumfahrt wird von Herrn Gerst, wie ich meine, sehr eindrucksvoll dargestellt. Hierzu nutzt Alexander Gerst alle heute üblichen medialen Kanäle. Erstmals können wir die Mission eines deutschen Astronauten auch in den sozialen Netzwerken hautnah und ganz persönlich begleiten. Ich jedenfalls freue mich jeden Morgen sehr auf das Bild von Alexander Gerst aus der ISS. Die Menschen – das sieht man an den Kommentaren sehr eindrucksvoll – begleiten Alexander Gerst bei der Mission. Sie sind, so mag man fast denken, bei der ESA-Mission live dabei.
Was für mich aber neben aller wissenschaftlichen Arbeit von enormer Bedeutung ist, ist, dass Gerst es schafft, junge Menschen für technische und physikalische Zusammenhänge zu begeistern. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Gerst schafft es, dass viele junge Menschen intensiv darüber nachdenken, ihre Studiengänge und ihre zukünftigen Berufe auch in technischen Bereichen zu suchen. Meine Damen und Herren, das wollen wir doch. Wir geben über zahlreiche Haushaltstitel viel Geld aus, um für die technischen und wissenschaftlichen Berufe, die sogenannten MINT-Berufe, zu werben – leider, wie ich häufig feststelle, mit verhaltenem Erfolg. Deshalb sollten wir darüber nachdenken, ob es nicht vielleicht sinnvoller und sogar günstiger ist, erneut eine bemannte Raumfahrtmission auf die ISS in unsere Planungen aufzunehmen, gerade auch nach dem großen Erfolg von Alexander Gerst.
Natürlich wissen wir, dass Raumfahrt Geld kostet. Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir bei aller Euphorie zur Raumfahrt die Wirtschaftlichkeit im Auge behalten. Ich persönlich bleibe dabei – das kommt auch in dem Antrag zum Tragen –, dass ich die Weiterentwicklung der Ariane 5 – dann als ME – befürworte, bevor wir eine komplett neue Ariane 6 entwickeln. Dies ist nicht nur aus haushälterischer Sicht – dazu komme ich später noch –, sondern ganz besonders aus technologischen Gründen wichtig.
Wir setzen mit der jetzigen Ariane-Generation eine Technologie ein, die erst seit 2008 in dieser Art fliegt. Diese an Zuverlässigkeit unschlagbare Trägerrakete jetzt schon auszutauschen, ist technologischer, vor allem aber wirtschaftlicher Unsinn. Eine vernünftige Weiterentwicklung ist wesentlich sinnvoller als eine komplette Neuentwicklung. Die derzeitige Weiterentwicklung ist haushaltstechnisch noch finanzierbar, während eine komplett neue Ariane-6-Generation uns vor große haushaltstechnische Probleme stellen wird, die ich mir als Haushälter derzeit gar nicht vorstellen kann.
Das gilt übrigens auch für die Haushalte einiger ESA- Partnerländer, wenn ich mir deren Haushaltslage anschaue.
Allein die groben Schätzungen gehen von Kosten für die Ariane-6-Entwicklung in Höhe von 4,31 Milliarden Euro aus. Erfahrungsgemäß ist bei solchen Schätzungen mit erheblichen Kostensteigerungen zu rechnen. Die Restentwicklungskosten mit Abschluss der Weiterentwicklung zur Ariane 5 ME betragen hingegen nur 1,2 Milliarden Euro. Der Erstflug ist bereits für 2018 geplant.
Meine Damen und Herren, diese Zahlen untermauern, dass die Neuentwicklung einer Ariane 6 nicht nur aus technologischer, sondern gerade auch aus haushaltspolitischer Sicht zum jetzigen Zeitpunkt der völlig falsche Weg wäre, den sich nicht nur Deutschland nicht leisten kann. Deshalb mein Appell an Frau Zypries, an die Ministerratskonferenz: Lassen Sie uns die bewährte Technologie weiterentwickeln und verlässlich zum Vorteil von uns Europäern nutzen!
Herzlichen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4080804 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 64 |
Tagesordnungspunkt | Strategische Ziele für die Raumfahrt |