07.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 64 / Tagesordnungspunkt 33

Ingrid PahlmannCDU/CSU - Achter Familienbericht - Zeit für Familie

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Diese Erfahrung des Dichters und Chemikers Elias Canetti dürfte jedem von uns, der mit einem vollgepackten Terminkalender zwischen Berlin und Wahlkreis hin- und herpendelt, gerade in Zeiten des Bahnstreiks nur allzu bekannt sein. Diese Erfahrung machen aber auch Familien in unserem Land.

Selbst wenn der Achte Familienbericht Deutschland im internationalen Vergleich einen hohen Zeitwohlstand attestiert, sehen sich Familien zunehmend mit den Herausforderungen wachsenden Zeitmangels konfrontiert. Auch durch die neuen Rollen von Männern und Frauen wird das Familienleben häufig von Zeitknappheit und Zeitkonflikten geprägt. Verstehen Sie mich nicht falsch: Dass junge Eltern heute mehrheitlich eine partnerschaftliche Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit anstreben, ist in meinen Augen eine gute und wirklich richtige Entscheidung. Es bedeutet aber auch, dass die Rahmenbedingungen entsprechend angepasst und viele Lebensbereiche – vom Arbeits- und Erwerbsleben in den Unternehmen über Infrastruktur und Kinderbetreuung – flexibler werden müssen; denn Familien brauchen Zeit für ihr Familienleben.

Eltern brauchen Zeit, um ihre Kinder zu erziehen, und sie brauchen Zeit, wenn Angehörige Unterstützung benötigen oder pflegebedürftig werden. Dabei geht es nicht einfach nur um ein Mehr an Zeit allein; Frau Marks wies bereits darauf hin. Entscheidend ist vielmehr die Stärkung der Zeitsouveränität der Familien, eine optimierte Synchronisation von Zeitstrukturen aller relevanten Institutionen, eine Umverteilung von Zeit im Lebenslauf, zwischen den Geschlechtern und den Generationen, und auch eine stärkere Nutzung familienexterner Dienstleistungen.

Bundesregierung und Sachverständige stimmen darin überein, dass eine moderne Familienpolitik Familien ermöglichen sollte, über ihren Zeitgebrauch souverän zu entscheiden. Für uns als Union heißt das, dass jede Familie selbst entscheiden soll, welches Lebens- und Betreuungsmodell für sie das richtige ist. Wir erkennen die Vielfalt der Familien an und wollen sie darin unterstützen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bärbel Bas [SPD])

Mit dem heute Vormittag verabschiedeten Gesetz zum Elterngeld Plus und zur flexibleren Elternzeit setzen wir diese Politik um. Ziel ist es, den Eltern mehr Zeit für die Familie zu geben und neue Gestaltungsmöglichkeiten sowie mehr Flexibilität im Alltag zu schaffen. Die Elternzeit kann nun länger in Anspruch genommen werden. Wenn zum Beispiel in der Phase des Schuleintritts besonderer Betreuungsbedarf besteht, können sich Eltern diese Zeit nehmen. Das ist sicher bei der Mehrheit der Kinder, die heute oft schon frühzeitig Übergangsphasen gewohnt sind, zum Beispiel durch die frühkindlichen Betreuungseinrichtungen, nicht der Fall. In jenen Familien jedoch, in denen Kinder diesen besonderen Bedarf haben, müssen sich die arbeitenden Eltern nun nicht mehr durch Krankschreibung oder ähnliche Schritte die Zeit für ihre Kinder freischaufeln. Auch für die Arbeitgeber stellt dies eine bessere und verlässlichere Lösung dar.

Der demografische Wandel, der zurzeit wie ein Schreckgespenst durch unser Land geistert, birgt zumindest in diesem Punkt eine Chance. Menschen werden immer älter und bleiben dabei gesünder. Dieses Potenzial müssen wir aktivieren, um sie für die Familienzeit zu gewinnen. Explizit wird hier der Bundesfreiwilligendienst als geeignetes Instrument zur Förderung des zivilgesellschaftlichen Engagements älterer Menschen genannt. Es sollte zu diesem Zweck genutzt werden. Gerade vor zwei Tagen hatte ich ein Gespräch mit einer Besuchergruppe Bundesfreiwilligendienstleistender, die allesamt weit über 27 Jahre alt waren. Diese haben mir bestätigt, was die Sachverständigen angeregt haben: Der Bundesfreiwilligendienst ermutigt auch die Älteren, die frei gewordene Zeit durch freiwilliges Engagement für die Gesellschaft zu nutzen. Wieder einmal wird deutlich: Der Bundesfreiwilligendienst ist ein Erfolgsmodell.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Mehrgenerationenhäuser – ein anderes Thema –, deren Finanzierung wir für nächstes Jahr gesichert haben, sind geeignete Plattformen für die Förderung und Koordinierung zivilgesellschaftlichen Engagements in den Kommunen. Mit den von Ursula von der Leyen ins Leben gerufenen Häusern haben wir deutschlandweit eine Infrastruktur geschaffen, die vor Ort einen ganz wichtigen Beitrag zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft leistet, die Möglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe für und zwischen allen Altersgruppen eröffnet und zum freiwilligen Engagement anregt.

Mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz haben wir auch bürgerschaftliches Engagement in der Pflege gestärkt. Die Versorgung pflegebedürftiger Angehöriger kostet Familien viel Kraft und Zeit. Mit dem zu erwartenden Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen steigt nicht nur der Bedarf an ausgebildeten Pflegekräften, sondern auch der an ehrenamtlich in der Pflege Aktiven. Sie engagieren sich zum Beispiel in Betreuungsgruppen oder entlasten Pflegende durch die stundenweise Übernahme der Betreuung und Versorgung. Sie unterstützen auch bei der Beratung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen.

Doch die Engagementbereitschaft im Bereich Pflege wird heute bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Auch hier setzt das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz an. Menschen, die sich in der Pflege engagieren möchten, können sich entsprechend schulen und qualifizieren lassen sowie kostenlos die Pflegekurse der Pflegekassen besuchen. Auch der Aus- und Aufbau von Selbsthilfegruppen, Organisationen und Kontaktstellen wird finanziell stärker gefördert als bisher. All diese Maßnahmen bringen Entlastungen für betreuende Angehörige und schaffen zeitliche Freiräume.

Der Wohlstand einer Gesellschaft ist eben nicht allein in Zahlen des Bruttoinlandsprodukts zu messen. Zeitwohlstand hat sowohl auf die Lebensqualität als auch auf die Zufriedenheit von Familien einen erheblichen Einfluss und spielt bei der Entscheidung für Kinder eine bedeutende Rolle.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Wir wollen die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Familien so gestalten, dass sich junge Menschen für Kinder entscheiden können, und wir wollen Familien Handlungsspielräume für eine souveräne Gestaltung ihrer Möglichkeiten geben. Wichtige Weichenstellungen haben wir heute auf den Weg gebracht. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, Zeitwohlstand und Zeitsouveränität für Familien zu mehren.

Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dann wünsche ich Ihnen eine gute Heimfahrt!)

Das Wort hat die Kollegin Dr. Franziska Brantner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4080833
Wahlperiode 18
Sitzung 64
Tagesordnungspunkt Achter Familienbericht - Zeit für Familie
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine