12.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 65 / Zusatzpunkt 1

Jens ZimmermannSPD - Aktuelle Stunde zu den umstrittenen Steuermodellen in Luxemburg

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns gerade, als Herr Schick über unseren sozialdemokratischen Kollegen gesprochen hat, gefragt, wie viele Finanzminister der Grünen es in Europa eigentlich gibt. Aber in Luxemburg sind die Grünen mittlerweile an der Regierung beteiligt. Vielleicht können Ihre Kollegen aus Luxemburg bei der Aufklärung helfen.

(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit denen sind wir uns völlig einig!)

– Es ist doch gut, wenn Sie sich einig sind.

(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst mal sind Sie in der Regierung!)

Herr Ernst hat richtig gesagt: Dass ein vermeintlich schwedisches Möbelhaus im Jahr 2010 über 2 Milliarden Euro Gewinn in Europa gemacht und darauf nur 48 000 Euro Steuern gezahlt hat, ist nicht in Ordnung. Ich glaube, darüber sind wir uns alle hier im Hohen Haus einig.

(Beifall im ganzen Hause)

Dass Großunternehmen extrem niedrige Steuersätze von teilweise unter 1 Prozent in Ländern wie Luxemburg, Irland und den Niederlanden zahlen, ist bekannt. Aber die meisten Steuerpraktiken sind nach nationalem Recht leider legal; das ist ein Problem. Das ist uns Sozialdemokraten schon lange ein Dorn im Auge. Nun ist unter dem Begriff „Luxemburg-Leaks“ öffentlich geworden, dass eine bekannte Beratungsgesellschaft im Auftrag von Unternehmen offensichtlich gezielt auf die Steuerabteilung in Luxemburg zugegangen ist. Das ist eine ganz neue Qualität. Damit ist endgültig eine Grenze überschritten. Das ist nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])

Ich finde es gut, dass es endlich eine Diskussion über legale und illegale Steuertricks gibt. Viele von uns versuchen seit Jahren, eine solche Diskussion in Gang zu bringen. Bislang ist sie immer wieder im Sande verlaufen. Aber es ist gut, dass die Kommission ein Beihilfeverfahren gegen Luxemburg, Irland und die Niederlande eingeleitet hat. Es wird geprüft werden, ob es sich um verbotene Beihilfen handelt. Genau das ist der Punkt: Geld, das man für Steuern nicht zahlen muss, kann – ich verweise in diesem Zusammenhang nur auf Amazon – investiert werden. Das ist ein Vorteil gegenüber Wettbewerbern in anderen Ländern. Wir können die Wettbewerbskommissarin an dieser Stelle nur ermutigen, dieses Verfahren engagiert voranzutreiben.

Wichtig ist doch für uns in Europa: Wir müssen von diesem Unterbietungswettbewerb wegkommen. Dieser „race to the bottom“ liegt im Interesse keines einzigen Landes in Europa. Wir brauchen Geld für Investitionen. Es ist ganz klar, woher das Geld dafür kommen muss. Der Steuerzahler hat darüber eine ganz klare Vorstellung. Bei jedem Arbeitnehmer wird die Einkommensteuer einfach abgezogen. Der normale Mensch auf der Straße denkt: Wenn ein Unternehmen ordentlich Gewinn macht, soll es auch ordentlich seine Steuern zahlen. Da müssen wir wieder hin.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn Ikea nach dem Motto „Entdecke die Möglichkeiten“ versucht, jede Steuerlücke zu finden und auszunutzen, wenn sich europäische Staaten einen Unterbietungswettbewerb liefern und wenn Händler um die Ecke Steuern zahlen, während Amazon so gut wie keine zahlt, dann ist das Verhältnis von Wirtschaft und Politik aus dem Gleichgewicht geraten.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Schon lange!)

Es ist verdammt noch mal unsere Aufgabe, das wieder geradezurücken. Daran müssen wir dringend arbeiten. Wir müssen den Wettbewerb um niedrige Steuern bekämpfen. Wir müssen in Europa auch Solidarität untereinander zeigen. In der Krise war unsere Solidarität gefragt. Und an dieser Stelle kann man in meinen Augen auch Solidarität einfordern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Steuern müssen dort gezahlt werden, wo Gewinne erwirtschaftet werden. Die entscheidende Frage lautet, welche Schritte jetzt zu gehen sind. Am Wochenende findet der G-20-Gipfel statt, auf dem es unter anderem um internationale Abkommen geht. Das ist richtig und wichtig; denn wir reden nicht nur über ein europäisches Problem. Wo befinden sich denn viele Steueroasen? Die meisten befinden sich nicht in Europa, sondern irgendwo in der Karibik. Deswegen ist es wichtig, dass wir international weiter vorangehen. Die BEPS-Initiative ist doch ein sehr gutes Beispiel. Hier sind wir auf einem guten Weg.

(Beifall der Abg. Margaret Horb [CDU/CSU])

Wichtig ist aber auch, dass wir vor allem dem illegalen Handeln einen Riegel vorschieben. Wir können, finde ich, von unseren europäischen Partnern verlangen – das müssen wir auch bei uns selbst durchsetzen –, dass illegale Steuerpraktiken entsprechend verfolgt werden und dass das für die betreffenden Unternehmen Konsequenzen haben muss; das ist wichtig. Das laufende Beihilfeverfahren betrifft die Länder, nicht aber die Unternehmen. Das ist nicht das, was wir wollen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Um zum Schluss zu kommen: Diese ganze Debatte ist doch keine Debatte gegen Europa. Ich glaube, Herr Juncker ist doch derjenige, der das größte Interesse hat, das aufzuklären und an dieser Stelle klar Schiff zu machen. Wir müssen in Europa endlich dahin kommen, dass wir uns in der Steuerpolitik besser abstimmen. Deswegen ist doch an dieser Stelle einmal mehr richtig: Wir brauchen mehr Europa und nicht weniger Europa.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Zimmermann, ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Lassen Sie mich ein Wort an die Unternehmen richten. Niemand will die Kavallerie ausrücken lassen, aber seien Sie sich sicher: Die Pferde sind gesattelt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass nach unserer Geschäftsordnung in der Aktuellen Stunde die Redezeit fünf Minuten beträgt, also nicht sechs Minuten. Das sage ich für alle anderen, die noch reden.

Jetzt hat der Kollege Dr. Mathias Middelberg, CDU/ CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4101989
Wahlperiode 18
Sitzung 65
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu den umstrittenen Steuermodellen in Luxemburg
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