Ulla Schmidt - Aktuelle Stunde zu den umstrittenen Steuermodellen in Luxemburg
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Was macht denn da die Bundesregierung?)
Ja, es ist richtig: Diese Aktuelle Stunde tut not.
(Zuruf von der LINKEN: Genau!)
Sie tut not, weil die Rede des ersten Abgeordneten von der Linken gezeigt hat, dass er in den letzten fünf Jahren in der internationalen Steuerpolitik offensichtlich geschlafen hat;
(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Er ist auch nie im Finanzausschuss!)
zumindest hat er keine der Maßnahmen mitbekommen, die wir als Bundesregierung mit Wolfgang Schäuble angeschoben haben, um die beklagenswerten Missstände in Teilen Europas zu verändern.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])
– Ich weiß nicht, Herr Kollege Ernst, ob Sie mit Ihrem Porsche gerade zu irgendeiner internationalen Solidaritätskundgebung unterwegs waren,
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Er war im bayerischen Unrechtsstaat unterwegs!)
als Ecofin und Euro-Gruppe diese Fragen im Detail erörtert haben, und Ihren parlamentarischen Unterrichtungsbedarf ignoriert haben. Deswegen will ich an dieser Stelle einmal die Position der Bundesregierung erläutern.
Steuergerechtigkeit, Transparenz und Fairness haben selbstredend auch für internationale Konzerne zu gelten; dies wird keiner in diesem Hohen Hause infrage stellen. Diese müssen sich wie alle anderen auch an der Finanzierung der öffentlichen Haushalte beteiligen.
(Zuruf von der LINKEN: Genau!)
Es ist ein Prinzip unserer Steuerpolitik, dass unternehmerische Gewinne dort besteuert werden, wo die entsprechenden unternehmerischen Aktivitäten und die tatsächliche Wertschöpfung stattfinden.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das passiert nur nicht!)
Daran kann überhaupt gar kein Zweifel bestehen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das war die steuerpolitische Grundlinie der Politik in den letzten Jahren, und die wird von der Großen Koalition konsequent weiterverfolgt.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der LINKEN: Natürlich! – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Mit super Ergebnissen!)
Der Kollege Middelberg hat darauf hingewiesen, dass wir zwischen illegalen und möglicherweise illegitimen Steuerpraktiken unterscheiden müssen. Es bleibt aber richtig, dass wir die Dinge nur durch internationale Zusammenarbeit für mehr Fairness und für mehr Transparenz im Steuerbereich in den Griff bekommen. Deswegen will ich an dieser Stelle einmal hervorheben, was den Kollegen der Linken offensichtlich entgangen ist, nämlich dass wir vor kurzem was den internationalen Informationsaustausch angeht hier ein Treffen von mehr als 50 Finanzministern hatten, die eine Erklärung unterzeichnet haben, nach der wir in diesen Steuerfragen zukünftig kooperieren und Transparenz schaffen. Das ist ein grundlegender Qualitätsfortschritt. Das ist eine epochemachende Veränderung.
Ich habe ja das Beispiel mit der Kavallerie nicht angesprochen; das war ein Kollege unseres Koalitionspartners.
(Zuruf des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])
Die Pferde sind in dieser Frage lange auf der Rennbahn gewesen,
(Zuruf des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE])
und mit der Unterzeichnung des automatischen Informationsaustausches sind sie durch die Ziellinie gelaufen. Das ist ein Quantensprung für mehr Fairness in der Besteuerung.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)
– Ihre Aufregung zeigt mir eigentlich nur, dass Sie offensichtlich wirklich gepennt haben.
(Widerspruch bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])
Netter oder auch anders kann ich es nicht beschreiben, wenn Sie ignorieren, dass ein Tatbestand, den Sie hier zu Recht beklagen,
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Aha!)
schon seit vielen Jahren von der Politik adressiert wird.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Aber nicht verändert!)
Manchmal ist der Fortschritt schneller, und manchmal ist der Fortschritt langsamer. Die Richtung stimmt, und der automatische Informationsaustausch ist ein wichtiger Bereich.
Der zweite Punkt: die BEPS-Initiative. Das klingt wie ein Gummibärchen. Dabei geht es aber um nichts anderes, als das Problem zu adressieren, dass internationale Konzerne Gewinne nicht dort versteuern, wo sie entstehen, sondern sie dorthin verschieben, wo sie präferenziell besonders privilegiert sind. Deswegen war es richtig, dass Wolfgang Schäuble nicht nur mit nationaler Gesetzgebung etwas tut, sondern gemeinsam mit dem britischen Finanzminister – Sie haben ja freundlicherweise darauf hingewiesen, Herr Kollege – Staaten eingeladen hat, dieses Problem in internationaler Kooperation anzugehen. Es ist nämlich unanständig, wenn man Gewinne nicht dort versteuert, wo sie entstehen, sondern sie verlagert
(Zuruf des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])
und das Gemeinwesen damit um die Erträgnisse der Wertschöpfung bringt. Aber anstatt es zu ignorieren, wie Sie es in der Diskussion getan haben,
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wie lange regieren Sie eigentlich schon?)
sind wir jetzt nicht nur national, sondern auch auf OECD-Ebene und G-20-Ebene auf dem Weg, Grundprinzipien fairer Konzernbesteuerung voranzutreiben. Wenn wir damit zu einem Ende gekommen sind, wird das ein weiterer wichtiger Quantensprung in der internationalen Steuerpolitik zu mehr Fairness und Gerechtigkeit bei der Besteuerung von Konzernen sein. Das ist gut und richtig so.
Das findet – ich will das an dieser Stelle auch einmal hervorheben – ja über die Grenzen der Koalition breite Anerkennung. Das, was zum Beispiel von den Grünen im Europaparlament zu dieser internationalen Kooperation zu hören ist, ist zumindest wesentlich freundlicher und anerkennenswerter als das, was der Kollege Schick hier im Hohen Hause vorgetragen hat. Die Richtung stimmt auch in diesem Punkt. BEPS ist ein großes Projekt von Wolfgang Schäuble.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Andreas Schwarz [SPD])
Drittens. Es gibt eine weitere Sache – nicht, dass Sie, Herr Kollege Ernst sagen: Das habe ich noch nie gehört –,nämlich die sogenannten Patentboxen. Hier geht es um die Frage, wie man gewisse Dinge steuerlich präferenziell berücksichtigt. Da ist in dieser Woche zwischen Großbritannien und Deutschland ähnlich wie bei der BEPS-Kooperation eine wichtige Einigung erzielt worden, nämlich so etwas nur da zu privilegieren, wo auch die tatsächliche Wertschöpfung stattfindet. Wenn wir dieses Projekt, das wir vorantreiben, in der nächsten Zeit zu einem Abschluss bringen, bedeutet dies einen weiteren, einen dritten wichtigen Quantensprung für mehr Fairness bei der Besteuerung im internationalen Kontext.
(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was geschieht nun mit den Patentboxen?)
Es ist vorhin schon einmal durch Zwischenruf darauf hingewiesen worden – möglicherweise auch von Ihnen, Frau Kollegin Paus –, dass das eine Sache ist, die nicht von heute auf morgen geht. Ich will aber an dieser Stelle dem Eindruck entgegentreten, wir wären erst durch die dankenswerte Veröffentlichung weniger Journalisten aufgeweckt worden;
(Zuruf des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])
vielmehr haben wir das Problem im Ecofin, in der Euro-Gruppe, in der OECD, auf G-5-, auf G-7- und auf G-20-Ebene adressiert und sind weitere große Schritte vorangekommen. Wir werden in diesem Eintreten für eine faire Besteuerung nicht nachlassen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Daran wird sich auch die Große Koalition messen lassen können.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es geht auch um so kleine Dinge, wie zum Beispiel, dass man sich jetzt über einen Verhaltenskodex auf europäischer Ebene unterhält, dass die Grenze zwischen Legalität und Legitimität mit Verhaltensregeln schärfer formuliert wird,
(Zuruf des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE])
dass wir auch in vielen anderen Bereichen zu Vereinfachungen kommen müssen; denn ein transparentes System kann auch ein einfaches System sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dies sind wichtige Dinge, bei denen die Große Koalition Wolfgang Schäuble weiter unterstützen wird. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir lassen uns in diesem Projekt von keinem überholen. Wir sind Treiber der Entwicklung. Die Große Koalition sorgt für mehr Steuergerechtigkeit in Europa und weit darüber hinaus.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei der LINKEN – Zurufe von der LINKEN: Helau!)
Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Andreas Schwarz das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4101997 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 65 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu den umstrittenen Steuermodellen in Luxemburg |