Lothar BindingSPD - Aktuelle Stunde zu den umstrittenen Steuermodellen in Luxemburg
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte erst etwas Gutes über das BMF sagen. Es hat nämlich mit der Einrichtung einer Arbeitsgruppe sehr schnell reagiert, um die neuen Erkenntnisse hinsichtlich der deutschen Unternehmen zu untersuchen. Das war sehr gut. Allerdings denke ich, dass wir diese Aktivitäten von Herrn Schäuble nicht überhöht darstellen können. Denn man muss schon sagen: Der lange Kampf um bilaterale Abkommen hat eigentlich die Bemühungen um internationale Abkommen untergraben. Das war keine gute Entwicklung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Im Finanzausschuss haben wir schon lange Vermutungen angestellt. Ich weiß, dass sich Joachim Poß seit 15 Jahren kritisch mit den Luxemburger Verhältnissen auseinandersetzt. Auch haben wir viel gemacht. Wir haben die Steuerhinterziehung bekämpft und für die Abschaffung bzw. das Schließen von Steuerschlupflöchern gekämpft. Unsere Aktivitäten münden jetzt in BEPS. Und doch ist viel hinter unserem Rücken passiert.
Mich erschreckt, wie wenig wir wirklich gewusst – vermutet haben wir etwas – haben. Das gilt auch – was uns zu denken gibt – für den Ecofin-Rat. Ebenfalls gilt es für die Linke, die auch nichts gewusst hat. Deshalb sollte sie jetzt nicht simulieren und so tun, als habe sie mehr Informationen verfügbar.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: So eine Selbstgefälligkeit! Unglaublich! – Zuruf von der SPD: Sehr gut!)
Deshalb müssen sich unsere Arbeitsabläufe ändern. Der Ecofin-Rat muss mehr wissen. Seine Vertreter müssen im Ausschuss mehr sagen, und die Parlamente müssen besser informiert werden.
(Beifall bei der SPD)
Deshalb bin ich dem ICIJ sehr dankbar, dass er diese Untersuchungen aufgenommen, die Whistleblower-Informationen verwertet und von der Vermutung über den Beweis zur Erkenntnis gekommen ist. Das gibt uns in der Politik eine völlig andere Handhabe. Davon wollen wir dann auch Gebrauch machen.
Wir sehen, dass es bei gut beratenen internationalen Konzernen absurde Steuergestaltungen gab. Es gab Konstruktionen, die dazu führten, dass für Milliardengewinne unter 1 Prozent Steuern gezahlt wurden. Das ist international zu ächten. Wir glauben, dass es ein wirklich schwerer Fehler war – es widerspricht auch den Eindrücken, die man hatte –, dass Luxemburg so etwas ganz offiziell genehmigt hat.
Wir haben so lange Vertrauen in die Finanzverwaltungen und in Regierungschefs, in Finanzminister und in die Expertise der Big Four, bis es enttäuscht oder zerstört wird. Dann ist aber auch Schluss damit.
Ich hoffe sehr, dass sich Jean-Claude Juncker nun als vertrauenswürdiger Präsident erweist. Er hat auf bestimmten Gebieten eine ganz besondere Expertise erlangt. Mit dieser Expertise kann er all das, was wir heute kritisieren, erfolgreich bekämpfen. Ich glaube, daran sollten wir künftig seine Arbeit messen; denn ein guter Europäer kann sich besonders im Amt des Kommissionspräsidenten beweisen. Wo sonst könnte er es besser als dort?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Er muss jetzt handeln, aufklären und korrigieren. Ich glaube, es darf nicht so bleiben, wie es jetzt ist. Gespannt bin ich, ob Jean-Claude Juncker das für sich selbst hinbekommt.
Wir haben schon viel von Tax Rulings gehört. Das bedeutet, dass die Luxemburger Steuerbehörde den Unternehmen mitteilt, welche Steuerlast auf sie zukommt. Sie müssen sich einen internationalen Konzern mit Milliardenumsätzen und einem vermuteten Gewinn von Hunderten Millionen Euro vorstellen. Der bekommt dann plötzlich einen Bescheid oder – so würden wir es sagen – eine verbindliche Auskunft, obwohl das nichts mit Tax Rulings zu tun hat. Jedenfalls bekommt er die Zusicherung, dass man davon ausgeht, dass – ohne Berücksichtigung des Ertrags – 6 bis 7 Millionen Euro Steuern anfallen. Das heißt, eine Steuer wird gewinnunabhängig zugebilligt. Dieser Widerspruch kann rational gar nicht aufgelöst werden. Da muss unbedingt sehr viel passieren.
Ich bin auch gespannt, ob die Luxemburger ihre Gesetze nun hinreichend schnell ändern. Denn das war ja in Luxemburg rechtsförmlich. Da muss jetzt etwas passieren. Wir können es bei Appellen belassen, aber die Frage ist: Was passiert da eigentlich rechtsförmlich in bestimmten Staaten, auch in Großherzogtümern? Schließlich wollen wir nicht ständig über Amazon, Fiat usw. reden. Es geht darum, welche Modelle – auch von der KPMG entwickelt – in Luxemburg legal akzeptiert werden. Deshalb haben wir die Anforderung an andere Länder, diesen Steuerwettbewerb endlich zu beenden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Besondere ist, dass diese Steuervereinbarungen entlang dieser Tax Rulings auf Annahmen beruhen, die nicht überprüft werden. Was ist das eigentlich für ein Rechtssystem, dass eine Steuerbehörde etwas annimmt, nicht überprüft, ob es überhaupt der Richtigkeit entspricht oder gar irgendwie wirklichkeitsnah ist, und daraufhin etwas ausgibt, das wir schon beinahe Steuerbescheid nennen würden, also sozusagen einen Steuerbescheid im Voraus? Das ist eine völlig absurde Welt.
Ich muss ehrlich sagen, dass wir uns das so nicht haben vorstellen können. Es mag ja sein, dass andere das alles gewusst haben. Wir haben Vermutungen angestellt, aber das Wissen erst heute erlangt. Wir glauben, dass wir auf der Basis dessen, was wir heute wissen, bezogen auf die Anforderungen an die Gesetzgebung auch in anderen Ländern sehr viel klügere Europapolitik machen können als bisher. Insofern sind wir seit heute auf einem besseren Weg.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist Jürgen Hardt, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4102080 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 65 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu den umstrittenen Steuermodellen in Luxemburg |