13.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 66 / Tagesordnungspunkt 3

Eva HöglSPD - Vereinbarte Debatte zum Thema: Sterbebegleitung

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gut und richtig, dass wir hier im Deutschen Bundestag diese schwere Debatte über Sterbehilfe führen, und es ist auch gut, dass sie in der Gesellschaft breit geführt wird. Wir führen eine intensive Debatte, an der viele Bürgerinnen und Bürger – das zeigen die zahlreichen Veranstaltungen, die schon stattgefunden haben und noch stattfinden werden – mit großem Interesse teilnehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will es noch einmal betonen: Es ist gut und richtig, dass wir uns hier Zeit nehmen für diese Debatte im Deutschen Bundestag, dass wir diese Debatte mit Fragen und nicht mit fertigen Antworten beginnen und dass wir hier heute vielmehr eine Orientierungsdebatte führen.

Es geht um die Menschenwürde, es geht um das Ende des Lebens, es geht um den Umgang mit schweren Krankheiten, und genau darauf müssen wir eine Antwort geben. Es geht um die Angst vor Schmerzen, vor Hoffnungslosigkeit, vor Einsamkeit. Menschen möchten niemandem zur Last fallen. Sie haben aber auch Angst vor einer Apparatemedizin, und sie haben Angst vor schlechter Pflege. Darauf müssen wir hier im Deutschen Bundestag eine Antwort geben.

(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Ich möchte am Anfang ganz deutlich sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ich halte die bisherigen Regelungen in Deutschland für sehr gut. Die Abgrenzung zwischen strafbarer Tötung auf Verlangen und straffreier Beihilfe zum Suizid hat sich in Deutschland bewährt.

(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Deswegen dürfen wir die ärztlichen Behandlungsmöglichkeiten, die bestehen, auf keinen Fall einschränken.

Ausgangspunkt ist der Patientenwille, und insofern müssen wir auch noch einmal an die Patientenverfügung denken, mit der die Patientinnen und Patienten, die betroffenen Menschen, ihren Willen zum Ausdruck bringen. Ärzte und Ärztinnen können schon heute eine Behandlung gar nicht erst aufnehmen. Sie können eine Behandlung unterbrechen, und sie können auch schmerzlindernde Maßnahmen vornehmen, bei denen sie in Kauf nehmen, dass das Leben verkürzt wird. Diese ärztlichen Möglichkeiten dürfen wir auf keinen Fall einschränken.

(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Der ärztlich assistierte Suizid oder gar die aktive Sterbehilfe dürfen aber auf keinen Fall zu einem Rechtsanspruch oder zu einem Normalfall werden.

(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Das Ende des Lebens muss unter Einbeziehung der Angehörigen, der Ärztinnen und Ärzte, der Pflegerinnen und Pfleger unter ethischen Gesichtspunkten individuell gestaltet werden. Unsere Antwort hier im Deutschen Bundestag auf Alter, Krankheit, Schmerzen und Ängste darf niemals ein erleichterter Tod sein, darf niemals eine erleichterte Möglichkeit, zu sterben, sein – und dann auch noch durch Ärztinnen und Ärzte.

Deshalb sehe ich gesetzgeberisch nur an einer einzigen Stelle Handlungsbedarf, und zwar bei Vereinen und Einzelpersonen, die Sterbehilfe geschäftsmäßig, regelmäßig und organisiert anbieten. Ich finde es richtig, dass wir hier – das zeichnet sich ab – eine breite Mehrheit dafür haben, dass niemand mit Sterbehilfe Geld verdienen darf, dass niemand das regelmäßig machen darf und dass wir deswegen diese Einzelpersonen und diese Vereine verbieten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Ich möchte ein paar Bemerkungen zum ärztlichen Standesrecht machen, weil das nicht ganz einfach ist und die Ärztinnen und Ärzte selbstverständlich wichtige Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für Betroffene sind. Das Vertrauen in Ärzte ist groß, aber Ärztinnen und Ärzte brauchen auch Rechtssicherheit. Deswegen stellt es ein Problem dar, dass der Deutsche Ärztetag 2011 beschlossen hat, dass Ärztinnen und Ärzte keine Hilfe zur Selbsttötung leisten. Die Ärzteschaft schränkt damit die straflose Beihilfe für Ärztinnen und Ärzte ein. Deswegen müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir den Flickenteppich von Regelungen, die die Landesärztekammern erlassen haben, beseitigen und wie wir den ärztlichen Freiraum, den ich – ich sagte es schon – als ganz entscheidend erachte, erhalten können. Jede gesetzliche Regelung, die einen begrenzten Ausnahmetatbestand für Ärzte vorsieht, bedeutet eine Einschränkung dieses ärztlichen Freiraums, und das sollten wir uns sehr gut überlegen.

(Beifall der Abg. Kerstin Griese [SPD] und Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben keine Gesetzgebungskompetenz, das ärztliche Standesrecht zu regeln. Dazu müssten wir unser Grundgesetz ändern. Unser Grundgesetz erlaubt nur, die Zulassung zum Arztberuf und zu Heilberufen hier im Deutschen Bundestag zu regeln. Wir können das ärztliche Standesrecht weder mit dem bürgerlichen Recht noch mit dem Strafrecht regeln. Da sind die Ärztinnen und Ärzte gefordert. Deswegen appelliere ich an die Ärzteschaft, ihr Standesrecht zu überarbeiten mit dem Ziel, den Flickenteppich zu beseitigen und die klare Aussage zu treffen, dass ärztlicher Beistand und auch Beihilfe in Einzelfällen zwar keine ärztlichen Aufgaben sind – das ist klar, und das sollte deutlich werden –, jedoch als Gewissensentscheidung des einzelnen Arztes und der einzelnen Ärztin möglich und auch wünschenswert sind. Das halte ich für dringend erforderlich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])

Ich lade alle Kolleginnen und Kollegen ein, bei dem Gruppenantrag, den meine Kollegin Kerstin Griese und ich jetzt schon einmal in einem Positionspapier skizziert haben, mitzumachen. Wir würden uns freuen, wenn viele Kolleginnen und Kollegen das tun und die Position, die ich hier vorgestellt habe, unterstützen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Katrin Göring-Eckardt ist die nächste Rednerin.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4104573
Wahlperiode 18
Sitzung 66
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte zum Thema: Sterbebegleitung
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta