13.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 66 / Tagesordnungspunkt 3

Bärbel BasSPD - Vereinbarte Debatte zum Thema: Sterbebegleitung

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Orientierungsdebatte gibt uns heute die Zeit, unsere Einstellungen zu Leben und Tod miteinander auszutauschen. Das allein ist, finde ich, schon viel wert. Ich bin auch all denen dankbar, die hier persönliche Worte gefunden oder auch ihre Erfahrungen mit Sterbebegleitung mit uns geteilt haben. Sich zu orientieren, heißt auch, sich einmal ein Stück frei zu machen, über den Tellerrand zu schauen, vielleicht aber auch ein paar Schritte zurückzugehen, um sich einmal das ganze Bild dieser Debatte anzusehen. Vor allem aber heißt es auch, für Argumente offen zu sein.

Vielleicht spreche ich heute für viele hier im Hause, die noch gar nicht entschieden sind. Wir haben viele gehört, die Positionspapiere vorgetragen haben. Ich will hier offen sagen: Ich gehöre zu denen, die sich noch nicht entschieden haben. Das ist vielleicht auch ein Grund, warum ich heute in dieser Orientierungsdebatte versuchen will, einen kleinen Beitrag zu leisten.

Ich habe mich entschlossen, mich dem Thema Sterbehilfe als Gesundheitspolitikerin zu nähern; denn ein großer Teil – da sind wir uns alle einig – betrifft die Bereiche Palliativmedizin und Hospizversorgung sowie den Hospizgedanken.

Wir haben sicherlich in den letzten 20 bis 25 Jahren schon eine gute Entwicklung auf diesem Gebiet gehabt. Im Hospiz findet Sterben nicht im Verborgenen statt – das wissen viele, die sich dort engagieren –, sondern es ist in diesen Einrichtungen Teil des Lebens. Wie viele von Ihnen auch habe ich in meinem Wahlkreis eine Schirmherrschaft über ein Hospiz. Dadurch weiß ich allerdings auch, wo es im Zusammenhang mit dem Hospizgedanken Schwierigkeiten mit gesetzlichen Normen gibt. Ich komme vielleicht gleich noch einmal darauf zurück.

Die Würde des Menschen spiegelt sich im Umgang mit dem Sterben. Deshalb braucht der Mensch am Ende – gerade bei größtem Leid, wie es ja hier schon von Kolleginnen und Kollegen geschildert wurde – eine angemessene medizinische Versorgung – da sind wir uns alle einig –, aber auch eine menschliche Pflege – auch das war hier schon Thema – und eine würdevolle Begleitung. Das alles gehört für mich zusammen. Deshalb bin ich der Kollegin Scharfenberg dankbar. Sie hat das Thema Depressionen und die psychische Begleitung angesprochen. Viele suchen den Freitod, weil sie Depressionen haben, weil sie vielleicht nicht früh genug in ärztliche Versorgung und Behandlung kommen. Wir sollten daher nicht nur über den Ausbau der Palliativversorgung diskutieren, sondern auch darüber, den Zugang zu diesen medizinischen Therapien für die Menschen zu verbessern.

Meine persönlichen Erfahrungen sagen mir, dass wir unser Ziel allerdings mit Geboten, Verboten, Strafrecht und Rechtsansprüchen nicht unbedingt erreichen können. Die Bedürfnisse der Menschen für ein würdevolles Lebensende sind genauso individuell wie das Leben selbst. Die Politik ist allerdings gut beraten – das tun wir hier –, Impulse zu setzen oder eben auch gesellschaftliche Debatten, so wie heute, anzustoßen und zu begleiten.

Wir können auf der einen Seite sicherlich mehr Fakultäten für Palliativmedizin – das brauchen wir auch – und palliative Geriatrie fordern, wir können uns Gedanken über die palliative Regelversorgung machen, über gesundheitliche Vorausplanung in Pflegeeinrichtungen, über die Vernetzung von Betreuung und Versorgung, auch über die Unterschiede zwischen allgemeiner und spezialisierter Palliativversorgung; die Gesundheitspolitiker hier, die auch im Ausschuss sitzen, wissen, wovon ich rede. Das alles müssen wir auch tun. Auf der anderen Seite steht die Frage nach der verlässlichen Finanzierung von Hospizen. Im Moment finanzieren wir 90 Prozent und bei Kinderhospizen 95 Prozent der Kosten über die Krankenkassen. Dabei frage ich mich immer: Passt das überhaupt zusammen?

Ich will das Problem noch einmal kurz schildern: Hospize arbeiten sehr stark mit dem Anspruch von Selbstlosigkeit, Aufopferung und sehr viel mit Ehrenamt. Das ist der Punkt, über den wir noch einmal diskutieren müssen. Denn das wird zum Teil nicht finanziert, aber es wird geleistet. Krankenkassen wiederum sind sehr in Normen verhaftet; da geht es um Standards, Effizienz usw. Dies müssen wir zusammenbringen. Auf der einen Seite müssen wir Normen finden, und auf der anderen Seite müssen wir dafür sorgen, dass wir den Hospizgedanken nicht nur in den Hospizen haben, sondern eben auch dorthin tragen, wo Menschen sonst noch sterben, nämlich auch in Pflegeeinrichtungen und zu Hause. Wie bekommen wir diesen Gedanken genau dorthin, wo die Menschen am Ende hoffentlich nicht allein sind?

Ich habe die Hoffnung, dass diese Debatte dazu beiträgt. Ich habe noch viele offene Fragen. Ich hoffe, dass der eine oder andere mir diese im Laufe dieser Debatte beantworten kann. Am Ende werde ich mich, so wie viele hier im Hause, sicherlich für einen bestimmten Weg entscheiden müssen. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob es uns weiterhilft, auf Normen, Regelungen und das Strafrecht zu setzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Vielen Dank, Bärbel Bas. – Nächste Rednerin: Emmi Zeulner.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4104655
Wahlperiode 18
Sitzung 66
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte zum Thema: Sterbebegleitung
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine