Volker KauderCDU/CSU - Vereinbarte Debatte zum Thema: Sterbebegleitung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Bei Diskussionen in den letzten Monaten im Wahlkreis und in ganz Deutschland zu dem Thema Sterbebegleitung bin ich immer wieder gefragt worden: Was ist eigentlich der Grund, dass sich der Deutsche Bundestag mit diesem Thema beschäftigt?
Der Anlass, bei uns über das Thema zu diskutieren und zu reden, war nie, was Ärzte dürfen und was nicht. Es wird nicht bezweifelt, dass bestimmte freie Berufe, Rechtsanwälte, Architekten, Ärzte, das Recht haben, Kriterien für ihr Standesrecht festzulegen, also in einem vom Gesetzgeber bewusst gelassenen Freiraum eigenständig zu entscheiden. Nicht das war das Thema. Die Frage noch einmal: Was hat euch veranlasst, diese Debatte zu führen?
Veranlasst dazu hat uns alle eine Entwicklung in den letzten zwei, drei, vier Jahren, die viele, ja die allermeisten hier in diesem Haus mit großer Sorge beobachtet haben, dass nämlich Vereine gegründet wurden – vor allem der Verein von Herrn Kusch war der Auslöser –, die Menschen angeboten haben, Mitglied zu werden, einen Beitrag zu zahlen und dann von diesen Vereinen Hilfe bei der Realisierung des Wunsches, zu sterben, zu erhalten.
Die Perversion dieses Gedankens war, dass es dabei unterschiedliche Beiträge geben sollte: Derjenige, der viel Geld investieren kann, kann verlangen, sofort die Leistung Tod in Anspruch zu nehmen, der andere mit weniger Geld muss länger warten. Was das mit Humanität zu tun hat, hat sich mir nie erschlossen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dies war der Grund, dass wir uns die Frage stellen: Wollen wir so etwas in unserer Gesellschaft haben, oder wollen wir das nicht? Selbst diejenigen, die in der Frage des ärztlichen Beistandes, der Assistenz beim Suizid durch einen Arzt, anderer Auffassung sind als ich, der Kollege Lauterbach zum Beispiel, sind sich mit mir darin einig, dass wir solche Vereine nicht in unserem Land haben wollen, dass dies nicht die menschlich adäquate Antwort auf die Sorgen und Ängste der Menschen in unserem Land ist. Deswegen bin ich dankbar dafür, dass sich hierzu offensichtlich ein breiter Konsens abzeichnet.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aus der heutigen Debatte, die ja noch keine Entscheidungen bringt, was richtig ist, soll die Botschaft an die Menschen gehen: Wir suchen nach einer Lösung, mit der zuverlässig für Beistand in der schwersten Stunde des Lebens gesorgt wird. Viele Menschen haben keine Angst vor dem Tod, sondern sie haben Angst vor dem Sterben, Angst davor, in diesem Prozess alleingelassen zu werden.
Wir diskutieren im Deutschen Bundestag viel über Würde, Beistand, Hilfen im täglichen Leben. Angesichts dessen kann hier nicht die Antwort sein: Wir lassen euch im Sterben allein. Vielmehr muss die Antwort heißen: Wir werden alles dafür tun, dass im Sterben niemand allein ist, sondern dass er begleitet wird, dass er Beistand hat.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen halte ich es für richtig, dass wir die organisierte Sterbehilfe verbieten. Darüber hinaus sollten wir das, was es in unseren Krankenhäusern heute tausendfach gibt, nämlich das Vertrauensverhältnis von Arzt und Patient, nicht durch gesetzliche Regelungen stören, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wir sollten dies dem ärztlichen Standesrecht überlassen.
Eine einzige kritische Anmerkung möchte ich machen. Genau diejenigen, die vorschlagen, dass in bestimmten Bereichen bei schwerer Krankheit und entsprechender Prognose der ärztliche Beistand, die Hilfe zum Töten, zulässig sein soll, machen genau das, was sie eigentlich nicht wollen: Sie bringen den Arzt in ernste Konflikte mit dem Strafrecht.
(Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])
Denn dann muss er in allen anderen Fällen erklären, warum er diese Voraussetzungen nicht erfüllt sieht.
Ich fordere Sie daher auf: Machen wir das, was dringend geboten ist, verbieten wir die organisierte Sterbehilfe, und stärken wir das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Katrin Göring- Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Vielen Dank, Volker Kauder. – Das Wort hat Thomas Rachel.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4104719 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 66 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zum Thema: Sterbebegleitung |