13.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 66 / Tagesordnungspunkt 3

Michael FrieserCDU/CSU - Vereinbarte Debatte zum Thema: Sterbebegleitung

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich bin heute wirklich stolz, ein Mitglied dieses Parlamentes zu sein, weil sich dieser Bundestag mit dem richtigen und notwendigen sittlichen Ernst dieser Debatte widmet. Diesen Eindruck habe ich nicht immer bei den Debatten. Die Tatsache, dass sich die Kollegen so intensiv auch mit ihrer persönlichen Geschichte und ihrer persönlichen politischen Motivation in diese Debatte einbringen, zeigt, wie ich glaube, dass die politische Klasse, wenn man sie so bezeichnen darf, der vor uns liegenden Aufgabe gerecht werden kann. Wir befinden uns allerdings erst am Anfang des Weges.

Ja, mir persönlich wäre auch wohler, wenn wir nichts ändern müssten. Nein, es gibt keine Katastrophe in diesem Land. Aber Änderungsbedarf zeichnet sich ab. Organisationen, ob aus dem benachbarten Ausland oder im Inland, und eine geänderte Rechtsprechung machen es notwendig, dass auch wir uns mit der Frage des assistierten Suizids beschäftigen. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass es gelungen ist, zusammen mit der Kollegin Lücking-Michel und dem Kollegen Brand eine Position zu beschreiben, die uns heute, wie ich sehe, doch mit sehr vielen eint. Um es noch einmal deutlich zu machen: Jede organisierte Form von Sterbehilfe, jede organisierte Form von assistiertem Suizid treibt uns um, und wir wollen nicht, dass jemand alleine oder zu mehreren auf Dauer angelegt mit Erwerbsabsicht oder ohne in diesem Land den Tod auf Bestellung anbietet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Diese Position braucht noch deutlich mehr Unterstützer, auch in der Öffentlichkeit.

Wir wollen darüber hinaus nicht, dass gerade die Menschen, die nahen Angehörigen, die in einer ganz schweren existenziellen Situation mit einem Menschen, den sie lieben, den sie schätzen und den sie bis zum letzten Tag begleiten, kriminalisiert werden. Wir wollen auch nicht in dieses emotional ganz stark belastete Verhältnis, in dieses vertrauensvolle, intime Verhältnis eines Arztes mit seinem Patienten hineinregieren. Deshalb darf es kein Sonderstrafrecht für Ärzte geben. Deshalb darf es keinen Katalog geben, mit dem wir beschreiben, wie ein Arzt den assistierten Suizid zu erbringen hätte.

Es darf aber, wo wir schon nichts Organisiertes wollen, auch keinen damit in Zusammenhang stehenden Ausnahmetatbestand geben. Was wäre denn die Folge? Die Folge einer solchen Ausnahmeregelung wäre, dass irgendwann eine Gebührenziffer für diesen Tatbestand eingeführt werden müsste, dass irgendwann einmal geregelt werden müsste, wie dies vonseiten der Berufshaftpflicht zu handhaben ist; denn ein Arzt, der sich auf dieses Terrain begibt – als Angehöriger eines freien Berufes trägt er sowieso schon erhöhte Verantwortung –, muss mögliche Fälle irgendwann auch einmal einer Berufshaftpflicht vorlegen können. Es stellt sich auch die Frage der Ausbildung: Wollen wir in einem Land leben, in dem der Tod als Gebührenziffer auftaucht?

All das sind Punkte, über die wir uns noch austauschen müssen. Deshalb ist es, wie ich glaube, entscheidend, dass wir gerade bei dieser Frage nicht den Eindruck erwecken dürfen, eine Tötung auf Verlangen sei in Ausnahmefällen möglich für Menschen, die zum Beispiel todkrank sind. Denn dann beginnen wir bei der Leistungserbringung zwischen Krankheitsfall und nicht Krankheitsfall zu unterscheiden. Ich bin gespannt, wie lange so ein Vorgehen verfassungsrechtlich überhaupt Bestand hätte und ob es nicht irgendwann dazu kommt, dass sich auch der Gesunde dieses Recht auf Leistung einer Beihilfe, eines assistierten Suizids, im Grunde das Recht auf diese Täterschaft erstreitet.

Wir müssen uns eines vor Augen halten: Im Augenblick sprechen wir noch von assistiertem Suizid. Aber irgendwann, wenn dieser Fall des assistierten Suizids der Normalfall, der Normfall in dieser Gesellschaft ist, wird der Arzt vom Helfer zum Täter werden müssen. Diese Gesellschaft wird nämlich, wenn das zur Normalität wird, dem Arzt dies irgendwann als Forderung vorlegen. Dann will man begleitet sein, und zwar nicht nur in Form einer Beihilfe – bei der wir nichts ändern wollen –, sondern tatsächlich auch in der Form, dass wir dieses Schicksal in die Hand des Arztes geben. Das ist eine Entwicklung, die ich nicht gutheißen kann. Ich bin aber schon heute der Überzeugung – das zeigt sowohl diese Debatte als auch unser einheitlicher Wille, eine Alternative zu bieten –: Wenn wir uns aufschwingen und die Frage regeln wollen, inwieweit Menschen am Ende ihres Lebens dieses Ende tatsächlich gestalten wollen und müssen, dürfen wir das nur tun, wenn wir in Palliativversorgung und Hospizversorgung eine echte Alternative anbieten und den Menschen deutlich machen, dass in dieser Gesellschaft niemand durch die Hand eines anderen, sondern an der Hand eines anderen sterben soll.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Kerstin Griese [SPD])

Vielen Dank, Michael Frieser. – Nächster Redner ist Wolfgang Gehrcke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4104791
Wahlperiode 18
Sitzung 66
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte zum Thema: Sterbebegleitung
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