13.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 66 / Tagesordnungspunkt 3

Johannes FechnerSPD - Vereinbarte Debatte zum Thema: Sterbebegleitung

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Wir beginnen heute eine Debatte darüber, wie würdevolles und selbstbestimmtes Sterben ermöglicht werden kann. Das ist zunächst eine ethische Debatte, aber auch mit vielen juristischen Fragen verbunden. Als Rechtspolitiker möchte ich mein Augenmerk heute auf die rechtlichen Fragen legen.

Wenn wir diese Diskussion heute führen, sprechen wir über den höchstpersönlichen Lebensbereich unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger. Da müssen wir uns ganz besonders fragen: Wieso gibt es überhaupt gesetzgeberischen Handlungsbedarf? Wo müssen wir als Gesetzgeber überhaupt tätig werden?

Die derzeitige Rechtslage sieht so aus, dass die aktive Sterbehilfe als Tötung auf Verlangen strafbar ist und die Beihilfe zur Selbsttötung – der sogenannte assistierte Suizid – straffrei ist. Aus meiner Sicht geht es genau darum, dass der ärztlich assistierte Suizid auf jeden Fall straffrei bleibt. Ich glaube, dass die Ärzteschaft mit den Möglichkeiten, die sie nach der heutigen Rechtslage schon hat, sehr verantwortungsvoll umgeht.

Wo also sehe ich den Handlungsbedarf? Nach einer Umfrage der Bundesärztekammer sind 30 Prozent der Ärzte bereit, die schwierige Aufgabe der Sterbehilfe, der Sterbebegleitung zu übernehmen. Weil das eine schwierige Aufgabe ist, finde ich, dass wir die Ärzte, die diese Aufgabe übernehmen möchten, nicht einmal dem theoretischen Risiko aussetzen sollten, ihre Zulassung zu verlieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Damit ich komme ich zum ärztlichen Standesrecht. Die Berufsordnungen der Ärztekammern enthalten einen regelrechten Flickenteppich. So heißt es in § 16 der Berufsordnung in Brandenburg, dass Ärzte keine Hilfe zur Selbsttötung leisten dürfen, wohingegen sie in Westfalen-Lippe lediglich keine Hilfe leisten sollen. In Bayern und Baden-Württemberg heißt es lediglich recht allgemein, Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Ich finde, dass Ärzte Rechtssicherheit brauchen, wenn sie diese schwierigen Aufgaben übernehmen. Deswegen sehe ich hier einen Regelungsbedarf.

Das führt uns natürlich zu der Frage – ich räume ein, dass es verfassungsrechtlich schwierig ist –, ob der Bundesgesetzgeber hier tatsächlich eine Kompetenz hat. Aber ich will Ihnen meine Zweifel, ob eine Landesärztekammer diese wesentliche Frage der Sterbehilfe überhaupt regeln kann, nicht verheimlichen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass wir im Verfahren durchaus darüber sprechen müssen, ob wir als Bundesgesetzgeber hier nicht doch eine Gesetzgebungskompetenz haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wichtig ist mir dabei, dass klargestellt wird, dass es auf keinen Fall einen Rechtsanspruch eines Patienten gegenüber einem Arzt geben darf. Diese Frage ist für den Arzt viel zu schwierig, als dass es hier einen Anspruch geben sollte. Ich denke, unser Hauptaugenmerk sollte auf einer einheitlichen, rechtssicheren Regelung für die Ärzte liegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite Punkt. Ich halte, wie gesagt, die momentane Rechtslage für gut und nur in Nuancen für zu ändern, aber da, wo wir Auswüchse haben – das ist mehrfach angesprochen worden –, nämlich bei der organisierten Sterbehilfe, müssen wir, finde ich, eingreifen. Für mich ist ein Punkt ganz wichtig, nämlich dass Sterbehilfe in Deutschland kein Geschäftsmodell sein darf.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es darf nicht sein, dass erhebliche Summen genommen werden und dann noch höhere Summen, wenn man „früher bedient“ werden möchte. Was ich auch für besonders bedenklich halte, ist, dass bei diesen Vereinen und Organisationen selten differenziert wird, ob jemand überhaupt in der Lage ist, frei verantwortlich die Entscheidung zu treffen, ob er nicht depressiv ist oder ob es nicht psychische Erkrankungen gibt, die ihn einschränken. Ich meine also, dass wir da genau prüfen sollten, ob im Gewerberecht, im Vereinsrecht oder – dazu tendiere ich – im Strafrecht eine gesetzgeberische Lösung erforderlich ist, um das Treiben dieser Vereine, diese Auswüchse zu unterbinden.

Ich komme zum Schluss. Ich meine, dass die regelungsbedürftigen Punkte überschaubar sind, dass wir in diesem höchstpersönlichen Bereich nur im Sinne der Rechtssicherheit für die Ärzte eingreifen und den Missbrauch der Sterbehilfe durch die Organisationen einschränken sollten. Wenn ein Dammbruch befürchtet wird, dann lassen Sie uns darüber diskutieren, ob wir nicht eine Norm auf Bundesebene brauchen, die konkret die Regelungen einschränkt, wann der ärztlich assistierte Suizid zulässig sein soll, um eben die Verhältnisse, wie wir sie in Belgien haben, einzuschränken.

In diesem Sinne herzlichen Dank. Ich freue mich auf die Diskussion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Dr. Fechner. – Nächster Redner: Rudolf Henke.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4104864
Wahlperiode 18
Sitzung 66
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte zum Thema: Sterbebegleitung
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine