13.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 66 / Tagesordnungspunkt 8

Susann RüthrichSPD - Partizipationsrechte für Kinder und Jugendliche

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke der Fraktion der Grünen für den Anstoß, heute hier über die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sprechen zu können.

Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen, und zwar aus einem wunderbaren kleinen Büchlein:

Das steht in der Konvention über die Rechte des Kindes der Vereinten Nationen. Wir haben sie ratifiziert. Damit ist auch dieses Kinderrecht für uns bindend. In regelmäßigen Abständen wird überprüft, wie weit wir mit der Umsetzung der Kinderrechtskonvention sind, und uns wird regelmäßig ins Stammbuch geschrieben, dass wir die Kinderrechte endlich ins Grundgesetz aufnehmen sollen, weil sie sonst eben nicht verbindlich gewahrt sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Doch wie hören wir eigentlich die Meinung von Kindern in den sie betreffenden Angelegenheiten, wie es in der Konvention heißt? Hand aufs Herz, liebe Kolleginnen und Kollegen im Verkehrsausschuss, im Haushaltsausschuss und auch bei uns im Familienausschuss, in dem die Kinder ja eigentlich zu Hause sind – wir alle können uns angesprochen fühlen –: Wie oft haben wir auch nur ein Kind gefragt, wie dieses entscheiden würde?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin zutiefst davon überzeugt: Wenn wir die Kinder an den sie betreffenden Entscheidungen beteiligen, werden wir nicht nur den Kindern gerecht. Nein, auch das, was bei den Entscheidungen herauskommt, wird besser. Ich nenne ein Beispiel; es ist einfach zu naheliegend. Ich habe zwei Städte bei mir zu Hause vor Augen. Beide wollen einen Spielplatz bauen.

Stadt A: Die Kinder der Grundschule malen und beschreiben einen tollen Spielplatz. Diesen Plan geben sie beim Stadtrat ab. Der legt ihn zu den Akten. Er beauftragt danach einen Architekten; der baut einen Spielplatz, seinen Spielplatz. Als dieser fertig ist, kommt die Überraschung, die eigentlich keine ist: Die Kinder der Grundschule nutzen den Spielplatz nicht; denn sie sagen: Die Geräte, die da stehen, sind doch für Babys. – Ein trauriger Spielplatz, so fast ohne Kinder.

Stadt B dagegen: Der neugewählte Bürgermeister hat vom Stadtrat nur den Beschluss: Ja, wir bauen eine Spielplatz. – Er hängt Zettel in die Stadt und postet auf Facebook: Einladung zur Fahrradtour für alle Kinder der Stadt. Er zeigt den Kindern die drei potenziellen Baugrundstücke. Er fragt sie, was für das eine und gegen das andere spricht, und fragt: Was wollen wir denn da hinbauen? Und das gibt er dann dem Architekten. Die Kinder sehen einige Zeit später ihren Spielplatz. Es gingen nicht alle Wünsche in Erfüllung. Aber es ist ein fröhlicher Spielplatz und die Kinder wissen nun: Sie selber können etwas verändern. – Und sie werden es wieder tun; denn so lernen wir: durch Tun.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vieles steht in Büchern, vieles versucht uns jemand beizubringen. Aber wenn wir es nicht selbst anwenden, ist es schneller aus dem Kopf, als es reingekommen ist, und das Herz hat eine solche Erkenntnis erst gar nicht erreicht. Wir wollen, dass möglichst alle unsere Kinder gute Menschen werden: engagiert, mitfühlend, sozial, bereit, sich einzubringen. Dann müssen wir sie das auch lernen lassen, indem wir sie jetzt mitmachen lassen.

Doch eigentlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, finde ich das schon viel zu zweckgebunden; denn nicht für einen möglichst reibungslosen späteren Zweck müssen wir die Kinder heute beteiligen, sondern weil jedes Kind seine eigene Welt ist, und die muss heute ihren Platz bei uns haben. Dabei geht es nicht nur um punktuelle Beteiligung, etwa beim Mittagessensplan in der Kita, sondern um das pädagogische Prinzip, das sich durch den gesamten Alltag zieht, damit es wirkt.

Ich selbst habe vor meinem Leben im Bundestag Zukunftswerkstätten in Schulen durchgeführt. Was hatten die Erwachsenen Sorge, dass die Kinder vielleicht gleich den Unterricht abschaffen wollen oder sich gegen einzelne Lehrerinnen und Lehrer aussprechen. Weit gefehlt! Sie wollten ein besseres Mülltrennsystem einführen, sie wollten einen grüneren Pausenhof, und sie wollten im Sportunterricht auch einmal auf den Reiterhof nebenan gehen, also nichts, was das Lernen in der Schule unmöglich macht; ganz im Gegenteil.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, fassen wir uns aber an die eigene Nase. Vieles, was wir hier entscheiden, berührt das Leben von Kindern. In unseren Expertenanhörungen sehe ich aber so gut wie nie Kinder. Ich finde, das sollten wir ändern. Lassen Sie uns Kinder einladen und hören wir ihnen zu!

(Beifall bei der SPD – Beate Walter- Rosenheimer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben das in der Kinderkommission gemacht!)

Dass wir ihnen zuhören, ist kein Recht, das sie sich erkämpfen müssen, sonst wäre es ja kein Recht.

Vielen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4105995
Wahlperiode 18
Sitzung 66
Tagesordnungspunkt Partizipationsrechte für Kinder und Jugendliche
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