Bärbel KoflerSPD - Bundeswehreinsatz in Südsudan (UNMISS)
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns in der Debatte um UNMISS wieder einmal mit der Situation im Südsudan, einer Situation, die geprägt ist von Hunger und Gewalt. Die Welthungerhilfe hat in einer Publikation zu Beginn dieses Jahres, mit der sie aufrütteln und auf die Situation in diesem Land aufmerksam machen wollte, die Lage dort mit dem Titel „Nach den Macheten kommt der Hunger“ beschrieben. Ich glaube, das bringt schon zum Ausdruck, in welcher desaströsen humanitären Situation sich die Menschen im Südsudan befinden.
Man hat nach den jahrzehntelangen Bürgerkriegen, nach den kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Norden, dem jetzigen Sudan, gehofft, dass nach der Unabhängigkeit des Südsudan im Jahr 2011 der Fokus auf den Aufbau von Staatlichkeit gelegt wird und dass man mit einer positiven Entwicklung des Landes beginnen kann. Ursprünglich war das UNMISS-Mandat, über das wir heute reden, genau dafür von allen, auch von der Regierung des Südsudan, gewollt: den Aufbau der Staatlichkeit zu begleiten und zu unterstützen.
Leider ist die Situation seit Dezember letzten Jahres erneut völlig gekippt und in kriegerische, militärische Auseinandersetzungen entglitten. Mittlerweile sind 1,4 Millionen Menschen im Südsudan als Binnenflüchtlinge auf der Flucht. Sie sind in 170 Flüchtlingslagern untergebracht, zum Teil unter desaströsen Bedingungen, die wieder zu Gewalt führen und die Gewaltspirale vorantreiben. Zuletzt gab es 60 Verletzte in einem Flüchtlingslager in Juba. 470 000 Flüchtlinge sind in den Nachbarländern untergekommen, zum Teil mehr schlecht als recht; sie sind in Uganda, Äthiopien, im Sudan und in Kenia aufgenommen worden.
Was ganz wichtig ist, auch in der Beurteilung von UNMISS, ist die Tatsache, dass allein 110 000 Flüchtlinge in Einrichtungen der UNMISS Zuflucht gefunden haben. Ich halte das für eine sehr gute und richtige Haltung der dortigen Verantwortlichen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Angesichts dieser Zahlen muss man hier mehr tun; das ist ganz klar. Ich finde es richtig, dass man im Oktober dieses Jahres noch einmal versucht hat, für weitere 28 000 Binnenflüchtlinge Sicherheitseinrichtungen zu suchen und zu finden. Wir stehen vor großen Herausforderungen. Eine der großen Herausforderungen ist die humanitäre Situation im Südsudan. 4 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Ernährung von 7 Millionen Menschen ist akut gefährdet. Die Hälfte der Bevölkerung in den Regionen, in denen gekämpft wird, hat nicht genügend Zugang zur Nahrung. Bis zu 50 Prozent der Kinder in diesen Regionen sind unterernährt – mit allen Konsequenzen für die Kindersterblichkeit dort.
Ich schildere es deshalb so drastisch, weil ich der Überzeugung bin, dass die internationale Gemeinschaft auf drei Ebenen zum Handeln verpflichtet ist: Es ist die humanitäre Hilfe, mit der wir tätig werden müssen; es sind die diplomatischen Bemühungen um Frieden, die gerade von der Regionalorganisation vorangetrieben werden, die gestützt und unterstützt werden müssen; es ist insbesondere die Weiterführung des Mandats von UNMISS, vor allem zum Schutz der Zivilbevölkerung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])
Die UN gehen davon aus, dass wir einen Bedarf an humanitärer Hilfe von 1,8 Milliarden US-Dollar haben werden. Nur 60 Prozent sind zum jetzigen Zeitpunkt durch Geberzusagen gedeckt. Das macht deutlich: Wir brauchen mehr finanzielle Mittel und mehr Unterstützung für die hungernden Menschen im Südsudan.
Ich bin froh, dass der Haushaltsausschuss heute ein erstes Zeichen gesetzt hat und für die humanitäre Hilfe wieder 400 Millionen Euro veranschlagt werden. Ich bin mir aber dessen bewusst – ich glaube, die meisten Kolleginnen und Kollegen im Hause sehen das ähnlich –, dass angesichts der Herausforderungen, vor denen wir in der internationalen Zusammenarbeit bei der Unterstützung notleidender Menschen stehen, diese Mittel nicht reichen werden und wir einen Aufbaupfad darüber hinaus beschreiten müssen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich finde es sehr richtig, dass Deutschland sich auf der Geberkonferenz in Oslo beteiligt hat, auch einen Aufwuchs gerade für den Südsudan zugesagt hat, sowohl über die Mittel des Auswärtigen Amts wie auch über die Mittel des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit – in Unterstützung internationaler Fonds und in Unterstützung auch der Nichtregierungsorganisationen, die wie die Welthungerhilfe wirklich Unglaubliches leisten, um die Menschen im Südsudan zu unterstützen und ihnen Hilfe zukommen zu lassen. Ohne diese Unterstützung wären im letzten Jahr, glaube ich, Tausende von Menschen mehr gestorben. An der Stelle kann man diesen Helfern auch einen Dank aussprechen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir brauchen mehr diplomatische Bemühungen. Die Regionalorganisation IGAD, die sich bereits seit Anfang dieses Jahres um Frieden und Waffenstillstandsabkommen bemüht und sich dafür einsetzt, muss unterstützt werden; sie muss in ihren diplomatischen, in ihren Mediationsmöglichkeiten unterstützt werden, und zwar mit allem, was Europa, was die Weltgemeinschaft an Möglichkeiten zu bieten hat. Es ist richtig, dass auch Diplomaten aus Deutschland, der Sudan-Sondergesandte der USA und der der EU die Mission unterstützen und gemeinsam einen Weg zu finden versuchen, Frieden zu erlangen. Die Verhandlungen und die mehrfachen Vereinbarungen zu einem Waffenstillstand in diesem Jahr, die immer wieder gebrochen wurden und immer wieder nicht zum Ziel geführt haben, zeigen aber auch, wie schwierig das ist und wie schwierig es ist, die südsudanesischen Kontrahenten zu einem Friedensschluss zu bewegen. Ich glaube, wir dürfen hier nicht nachlassen.
Man muss auch auf UN-Ebene über verschiedene andere Dinge nachdenken. Ich würde mich freuen, wenn ein Waffenembargo auf UN-Sicherheitsratsebene irgendwann zum Ziel führen würde – bei allen Schwierigkeiten, die dort sehr wohl noch zu überwinden sind.
Man kann über vieles nachdenken, auch über die Frage, wie die Öleinnahmen der Bevölkerung und dem Staatsaufbau zugutekommen können. Zum Beispiel einen internationalen Fonds zu gründen, der dies befördert, wäre sicher ein Schritt in die richtige Richtung und würde vielleicht auch dazu beitragen, dass einige der Kontrahenten, denen es in diesem Konflikt vorrangig um ihre finanziellen Belange geht, keinen so großen Antrieb mehr hätten, den Konflikt weiterzuführen.
(Beifall bei der SPD)
Wir brauchen aber trotz allem, trotz all dieser Bemühungen das Mandat und die Mission UNMISS, gerade weil der Schutz der Zivilbevölkerung und die Sicherstellung des Zugangs zu humanitärer Hilfe Kernelemente dieses Mandats sind und dies ohne diese Unterstützung für viele Tausende oder Hunderttausende Menschen einfach nicht mehr gewährleistet werden kann.
Auch dann, wenn ein Waffenstillstandsabkommen zustande kommt, wird man UNMISS brauchen; denn dann wird es um die Umsetzung dieses Abkommens gehen. Auch dazu wird und muss UNMISS, wie es die Mandatsbeschreibung festlegt, einen entsprechenden Beitrag leisten.
Die Welthungerhilfe schildert die Situation ihrer Mitarbeiter in manchen Regionen, in denen gekämpft wird, so: Sie können nicht mehr aus den UNMISS-Camps hinausgehen. Sie können außerhalb keine humanitäre Unterstützung mehr leisten. Sie können nur noch in den Flüchtlingscamps, so nötig das auch dort ist, tätig werden. – Das zeigt die katastrophale Sicherheitslage, und das macht deutlich, dass wir auf eine Verlängerung des Mandats nicht verzichten können.
Deutschland beteiligt sich mit 16 Soldaten und 7 Polizisten. Ich glaube, das ist keine Überforderung Deutschlands. Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Mandat.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Kathrin Vogler, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4106347 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 66 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Südsudan (UNMISS) |