Claudia Roth - Bundeswehreinsatz in Südsudan (UNMISS)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Vogler, ich habe, ehrlich gesagt, auch schon bei der Diskussion im Ausschuss nicht verstanden – ich glaube, es war der Kollege Schmidt, der diese Frage kürzlich auch Herrn van Aken gestellt hat –, was eigentlich Ihre Alternative zu dem Vorgehen bei UNMISS ist. Man kann sicherlich auch kritische Punkte ansprechen – das tun wir ja auch –, aber das, was Sie vorgeschlagen haben, war definitiv gar keine Alternative dazu. Die Entscheidung, sich bei UNMISS zurückzuziehen, würde in der Konsequenz dazu führen, dass die Situation im Land unübersichtlicher werden und die Gefährdung der Zivilbevölkerung zunehmen würde. Das werden wir nicht zulassen. Wir wollen einen, wenn auch begrenzten, aber substanziellen Beitrag dazu leisten, dass sich im Südsudan Staatlichkeit entwickeln kann.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Bärbel Kofler [SPD] und Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Dazu trägt UNMISS aus unserer Sicht bei.
Deshalb gilt mein Dank zunächst einmal den 16 deutschen Soldatinnen und Soldaten, die sich im Einsatz befinden und die unter der Flagge der UNO dort tätig sind. Angesichts der schwierigen Bedingungen im Südsudan gehört es gerade am heutigen Abend dazu, neben dem Dank auch zu sagen: Wir finden es richtig, dass die Bundeswehr sich an diesem UNO-Mandat beteiligt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der Kampf des Südens um seine Unabhängigkeit ist ja nun wirklich nicht neu. Seit 1947 hat sich dieses Land darum bemüht, unabhängig zu werden. 99 Prozent der Südsudanesen haben für die Unabhängigkeit ihres Landes gestimmt. Vor diesem Hintergrund ist es keine Überraschung, dass wir nun seit Jahren über dieses Thema reden. Seit 2005 beschäftigen wir uns mit dem Thema „bewaffnete Streitkräfte im Sudan“. Später ging es dann um den Südsudan, als dieser seine Eigenstaatlichkeit erreicht hatte. Wir glauben, dass dieser Beitrag nach wie vor sinnvoll ist.
Ich glaube, dass man eines schon kritisch diskutieren muss – das haben Sie und andere Vorredner ja auch angesprochen –, nämlich die Frage: Reicht das, was wir tun, aus, oder muss das nicht stärker eingebettet werden in das, was wir bei der NATO dank Franz Josef Jung, der den Comprehensive Approach dort eingeführt hat, unter dem Stichwort „vernetzte Sicherheit“ deutlicher betonen? Da sage ich ganz ehrlich: Das ist etwas, was wir uns vielleicht im Rahmen dieser Mandatsverlängerung noch einmal genauer anschauen müssen. Trotzdem glaube ich, dass die heutige Mandatsverlängerung aus vier wichtigen Gründen sinnvoll ist.
Erstens. Sie trägt maßgeblich dazu bei, den Zugang der südsudanesischen Zivilbevölkerung zur Hilfe überhaupt sicherzustellen; denn ohne militärisches Eingreifen wäre zivile Hilfe gar nicht möglich. Auch das gehört zu diesem Mandat.
Zweitens. Es ist wichtig, dass das Waffenstillstandsabkommen, das nach wie vor sehr fragil ist und durch das die verfeindeten Parteien weiter in einen politischen Prozess hineingebracht werden müssen, durch militärische Maßnahmen unterstützt wird.
Drittens. Ein weiterer Punkt ist die Entstehung von öffentlicher Sicherheit und der Schutz der Flüchtlingslager. Gemäß Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen – auch das ist vorhin angesprochen worden – ist es aus unserer Sicht sehr wohl richtig, hier einen flankierenden Militäreinsatz zu fordern und diesen auch fortzusetzen. Insofern passt dieses UNO-Mandat sehr gut in die Aufgabenstellung hinein, weil gerade der Schutz von Flüchtlingslagern zum Kernbereich dieses Mandats gehört.
Viertens. Ein letzter Grund, warum das Mandat sinnvoll und richtig ist, ist die Untersuchung der Verletzung von Menschenrechten sowie die Überwachung des humanitären Völkerrechts.
Damit bin ich nun bei einem Punkt, bei dem ich natürlich sage: Das wird nie allein durch militärische Maßnahmen gewährleistet werden können. Vielmehr stellt sich die Frage: Hat der Südsudan die Chance, dass eine Staatlichkeit entsteht und dass dadurch im Bereich der Konfliktprävention zukünftig mehr getan werden kann? Weiterhin stellt sich die Frage, was wir, auch finanziell, über das bisherige Maß hinaus tun können. Ich habe es ja gerade schon gesagt: Wir glauben, dass die vernetzte Sicherheit, das Zusammenwirken von Entwicklungshilfe, Bundeswehrmaßnahmen und diplomatischen Initiativen, dazu führen kann, dass es eine Friedenskonsolidierung gibt, aber auch dazu, dass eine dauerhafte Beilegung des Konflikts überhaupt in greifbare Nähe rückt; denn davon sind wir noch weit entfernt. Ich glaube, dass der Konflikt nach wie vor zeigt, dass wir immer noch vor einer Herausforderung stehen, bei der man natürlich nicht gerne militärische Maßnahmen einsetzt, bei der es aber nach wie vor sinnvoll ist, diese militärische Komponente einzubringen, um damit den politischen Prozess tatsächlich weiter anstoßen zu können.
Ich plädiere dafür – wir haben es in unserer Fraktionssitzung, aber auch in anderen Gremien in dieser Woche besprochen –, dass wir uns über dieses Mandat hinaus, und nicht erst wieder in zwölf Monaten, mit der Frage der Zukunft des Südsudan beschäftigen und überlegen: Was können wir unter dem Stichwort „vernetzte Sicherheit“ zusätzlich leisten, um neben den militärischen Aufgaben einen politisch stabilisierenden Beitrag zu leisten? Ob nun die Afrika-Leitlinien der Bundesregierung, die herausgebracht worden sind, dazu ausreichen, lasse ich einmal dahingestellt sein. Vielleicht können wir darauf aufbauend aber noch einen weiteren Beitrag leisten.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Philipp Mißfelder. – Nächste Rednerin in der Debatte: Agnieszka Brugger für Bündnis 90/Die Grünen.
Ich bitte noch einmal die Kollegen, und zwar in allen Teilen des Hauses, entweder der Debatte zu folgen oder dann nur zur Abstimmung zu kommen. Die Unruhe stört total. Es geht hier um ein wichtiges Mandat; es geht um die Frage, unter welchen Bedingungen wir deutsche Soldatinnen und Soldaten entsenden. Da hat jeder Kollege, der redet, das Recht, dass ihm zugehört wird, weil es eine sehr wichtige Entscheidung ist, die wir hier treffen müssen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ingo Gädechens [CDU/CSU])
Bitte, Frau Kollegin Brugger. Sie haben das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4106366 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 66 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Südsudan (UNMISS) |