Susanne MittagSPD - Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in der laufenden Debatte über die Reform des Sexualstrafrechts viele rechtliche Einschätzungen gehört. Ob ein bestimmter Aspekt des Gesetzentwurfs gerechtfertigt ist, ob der Entwurf über das Ziel hinausschießt oder ob er verhältnismäßig ist, wurde dargelegt. Das ist eine wichtige und richtige Diskussion, die wir zurzeit noch führen und die die Redner, die nach mir sprechen, fortsetzen werden. Als gelernte Polizistin möchte ich mich aber nicht an der juristischen Debatte beteiligen. Ich möchte lieber darüber sprechen, was es in der Ermittlungspraxis bedeutet, das Sexualstrafrecht zu reformieren.
In der Arbeit der Polizei gab es in der Vergangenheit immer wieder Probleme, zum Beispiel Bilder von Kindern klar in „erlaubt“ und „verboten“ zu unterscheiden. Da unterscheiden die Polizei und die Ermittlungsbehörden zwischen Kategorie-1-Bildern, klar kinderpornografisch, und Kategorie-2-Bildern, den sogenannten Posingbildern. Je nach Rechtsauffassung des bearbeitenden Staatsanwalts konnte der Besitz von Kategorie-2-Bildern dazu führen, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, oder nicht. Diese Ermessenslücke schließen wir nun endlich und stellen klar, dass die Herstellung, die Verbreitung und der Besitz von Posingbildern verboten sind.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Über den derzeitigen 2. Untersuchungsausschuss und ein laufendes Ermittlungsverfahren ist in den Medien viel berichtet worden. Da es sich um ein laufendes Verfahren handelt, möchte ich mich nicht näher dazu äußern, auch wenn es hier schon erwähnt wurde. Nur so viel: Die Reform des Sexualstrafrechts führt nicht zu einem Amnestiegesetz, wie es eine etwas größere, polemisierende Zeitung öffentlich dargelegt hat. Das trifft nicht zu. Wir verschärfen das Sexualstrafrecht. Wir haben das Strafmaß heraufgesetzt. Wir haben Verjährungsfristen verlängert. Wir haben bestehende Straftatbestände erweitert und neue Straftatbestände aufgenommen, um Schutzlücken zu schließen, zum Beispiel beim sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen – da fehlte einiges –, beim Cybergrooming und auch beim Thema Genitalverstümmelung, das bislang hier noch gar nicht erwähnt wurde, obwohl es recht wichtig ist. All diese Punkte haben wir, SPD und CDU/CSU, schon im letzten Jahr im Koalitionsvertrag verankert und setzen das nun um. Das ist gut so; denn das erleichtert die Arbeit von Polizei und Ermittlungsbehörden.
Hier kommen wir allerdings zu einem kritischen Punkt. Sicherheit können wir hier im Deutschen Bundestag nicht beschließen. Kein Paragraf im Strafgesetzbuch klärt eine Straftat auf. Wir dürfen uns heute nicht zufrieden auf die Schulter klopfen, weil wir das Sexualstrafrecht reformiert haben, und das war es dann. Nein, danach geht die Arbeit erst richtig los, nämlich die Arbeit für Polizei und Justiz. Aber diese kommen leider ihren Aufgaben teilweise schon jetzt nicht mehr in adäquater Weise nach.
Wenn wir die Verjährungsfristen anheben, dann bedeutet das auch, dass mehr Straftaten bei den Behörden angezeigt werden. Dabei handelt es sich nicht um einfache Ermittlungen. Tatortspuren gibt es in der Regel kaum noch. Erinnerungen von Zeugen verblassen oder verändern sich. Ermittlungen, die auch den Opfern gerecht werden sollen, sind schwierig und nicht schnell abzuschließen. Das ist sicherlich kein Grund, auf derartige Ermittlungen zu verzichten. Aber das heißt, wir brauchen in diesem Bereich erheblich mehr Ermittler.
Wenn wir die Herstellung, die Verbreitung und den Besitz von Kinderpornografie bekämpfen wollen, dann brauchen wir auch dort mehr Ermittler. Die Beamten des BKA haben uns im Innenausschuss berichtet, dass sie über zwei Jahre gebraucht haben, um die Daten der Operation „Spade“ auszuwerten. Zwei Jahre! Das ist zu lange und darf eigentlich gar nicht sein. Das hat so lange gedauert, nicht weil die Beamten des BKA langsam gearbeitet hätten, sondern weil es zu wenige Beamte waren. Es sind zu wenige Ermittlungsbeamte für die rasant ansteigenden Fallzahlen gerade im Internet. Oft müssen sich die Beamten durch ein Terabyte von Daten arbeiten. Das sind 1 000 Gigabyte voll mit schrecklichen Bildern, Videos und Texten. Das alles muss gesichtet, bewertet und in Akten angelegt werden.
Wenn wir als Parlamentarier den Polizistinnen und Polizisten beim BKA, bei der Bundespolizei, aber auch bei den Landespolizeien mehr Aufgaben übertragen, dann müssen wir sie auch personell und materiell gut ausstatten, damit sie ihre Arbeit machen können.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten CDU/CSU und der LINKEN)
Das ist unsere Arbeit in den Haushaltsberatungen. Es gibt leicht positive Signale aus dem Haushaltsausschuss. Das ist sehr schön. Aber ich sage ganz deutlich: Das reicht noch nicht, nicht für diesen hier beschriebenen Bereich.
Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam als Parlament einen Weg finden können, um den Sicherheitsbehörden die notwendige Ausstattung für ihre Arbeit zu geben, damit wir nicht nur Gesetze beschließen, sondern damit diese dann auch umgesetzt werden können. Es wird sich zeigen, wie ernst wir es damit meinen. Das sind wir den vielen Opfern dieser Straftaten schuldig; denn diese tragen ein ganzes Leben an der Tat.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Alexander Hoffmann ist der nächste Redner für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4107961 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 67 |
Tagesordnungspunkt | Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht |