14.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 67 / Tagesordnungspunkt 5

Alexander HoffmannCDU/CSU - Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht

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Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Adrian P. war ein fröhliches Kind. Er ist groß geworden in der Region um Satu Mare in Rumänien. Eines Tages kommt in sein Dorf ein Deutscher, der sich das Vertrauen der Eltern und der Kinder erschleicht. Das tut er über Wochen hinweg, indem er Süßigkeiten verteilt, Ausflüge organisiert und durch andere Großzügigkeiten. Ohne das Wissen der Eltern bewegt er dann die Knaben dazu, bei ihm nackt zu baden, sich gegenseitig mit Öl einzureiben oder nackt miteinander zu raufen, und er filmt das Ganze.

Diese Filme vertreibt er dann und findet als Abnehmer zum Beispiel ein Unternehmen wie Azov Films, eine Firma, die in drei Jahren mit Material dieser Art über 4 Millionen Euro umsetzt. Da möchte ich schon einhaken, weil es immer heißt, wir hätten nur einen bestimmten Fall im Auge. Meine Damen und meine Herren, wir haben diesen Markt im Auge. Wir alle waren erschrocken, als im Zusammenhang mit der Edathy-Affäre zutage gefördert worden ist, dass eine ganze Branche entstanden ist, die mit gerade noch legalem Material Millionenumsätze macht. Darauf haben wir uns bei diesem Gesetzentwurf konzentriert, nicht auf diesen einzelnen Fall.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir waren uns damals in einer gemeinsamen Kampfansage alle einig, dass es uns darum gehen muss, diesen Markt trockenzulegen. Ich sage Ihnen heute: Das wird uns mit diesem Gesetzentwurf gelingen.

Ganz kurz – es ist schon viel dargestellt worden – zwei, drei wichtige Argumente und Elemente aus meiner Sicht. So wurde der Begriff der Kinderpornografie erweitert. Dazu zählen nicht mehr nur Bilder mit sexuellen Handlungen an und von Kindern oder auch Bilder von unbekleideten Kindern in unnatürlich geschlechtsbetonter Körperhaltung – das ist das, was die ganze Zeit schon im Bereich des Posings Rechtsprechung war –, sondern jetzt auch die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien und des Gesäßes eines Kindes. Das ist eine ganz wichtige Ergänzung, die zum einen damit einen Gleichlauf zur Lanzarote-Konvention herstellt, zum anderen einem Vorstoß der Bundesländer Bayern und Hessen im Bundesrat gerecht wird, für den wir im Laufe der Beratungen sehr dankbar waren.

Dennoch ist es uns gelungen – auch das ist vorhin angeklungen –, den Begriff der Jugendpornografie davon trennscharf abzugrenzen, weil Jugendliche einfach eine andere Sexualität haben. Da passiert es schon einmal, dass sich ein jugendliches Pärchen Posingbilder per MMS hin- und herschickt. Durch die Möglichkeit der Einwilligungsfähigkeit für den höchstpersönlichen Gebrauch haben wir hier eine trennscharfe Formulierung gefunden.

Im Hinblick auf den Fall, den ich vorhin geschildert habe, ist es uns eben auch gelungen, Schlupflöcher zu schließen. Oft kam die platte Behauptung, man habe nur legales Material bezogen, und das waren dann 5 000 oder 10 000 einzelne Bilder. Oder es kam das Argument, man sei Liebhaber der Landschaft und der Kunst. Strafbar ist nunmehr die Herstellung von Nacktbildern von Personen unter 18 Jahren in der Absicht – das ist wichtig –, diese einem Dritten entgeltlich zu verschaffen; strafbar macht sich auch derjenige, der sich solche Bilder entgeltlich verschafft.

Jetzt haben wir im Rahmen der Kritik in dieser Woche Beispiele gehört: das Nacktbild der 17-Jährigen in der Bravo. Aber vergessen wir eines nicht: Die Institution der rechtfertigenden Einwilligung gibt es nach wie vor. Bei einem solchen Bild können die Eltern selbstverständlich im Rahmen ihres Sorgerechts einwilligen. Bitte denken Sie daran – der Kollege Dr. Fechner hat es vorhin dargestellt –: Es gibt Ausnahmen in § 201 a Absatz 4 StGB. Auch hier können wir die Strafbarkeit sehr trennscharf regulieren.

Jetzt ein zweites Beispiel, das ich persönlich als eher skurril empfinde: die 17-Jährige im Dessouskatalog. Es müsste also die Nacktheit der 17-Jährigen Gegenstand des Dessouskatalogs sein. Da muss ich ganz ehrlich sagen – das ist meine persönliche Auffassung –, dass ich mich dann schon wundere. Eine nackte 17-Jährige hat für mich in einem Dessouskatalog nichts zu suchen. Aber wenn man nicht prüde sein will, so ist es auch hier möglich, dass die Eltern einwilligen, solange das unter das Sorgerecht der Eltern fällt.

Wir haben die ganze Woche die Kritik vernommen, das Gesetz sei zu unbestimmt, man müsse vorsichtig sein, und man verstehe nicht, was gemeint sei. Auch darüber wundere ich mich. Überlegen wir einmal, welche Anträge und Gesetzentwürfe uns teilweise hier vorgelegt werden. Oft strotzen Gesetzentwürfe nur so vor unbestimmten Rechtsbegriffen, und es wird ganz schnell einmal mit einem Federstrich ein Ordnungswidrigkeitentatbestand formuliert, zum Beispiel für den Fall, dass ein Unternehmer nicht rechtzeitig ein Gleichstellungskonzept erstellt. In diesem wichtigen Fall hören wir die ganze Zeit: Das ist nicht bestimmt genug. Da müssen wir vorsichtig sein. Das ist unverständlich. – Ich will das gar nicht weiter werten. Aber man merkt – auch in der Diskussion –, wie die Gewichtigkeit dieses Themas in den unterschiedlichen Gruppierungen ausfällt.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Frechheit!)

Es ist, meine Damen, meine Herren, ein guter Gesetzentwurf. Ich möchte an dieser Stelle dem Ministerium, dem Minister und auch den Kolleginnen und Kollegen danken, weil es uns gerade in den letzten Wochen gelungen ist, viele neue Regelungen zu erarbeiten, die letztendlich eine trennscharfe Abgrenzung ermöglichen.

Aber es gibt für mich persönlich – das sage ich ganz offen – auch einen Wermutstropfen: Wir von der Union hätten sehr gerne die Strafbarkeit des Cybergrooming sichergestellt. Worum es dabei geht, ist ganz einfach erzählt: Erwachsene gehen ins Internet – das geschieht tausendfach; das muss man so sagen –, um in Chatrooms mit Mädchen, mit Kindern sexuellen Kontakt anzubahnen. Das große Problem in der Praxis ist – das wurde auch in den Anhörungen ganz deutlich zutage gefördert –, dass die einzige Möglichkeit der Polizei, solcher Täter habhaft zu werden, ist, dass sich Ermittlungsbeamte in solchen Chatrooms als Kinder ausgeben, um so an potenzielle Täter heranzukommen.

Auch an dieser Stelle ein Dankeschön; denn das Ministerium hat angeboten, dass wir in einem weiteren Fachgespräch etwas über die Praxis erfahren. So hoffen wir, dass wir hier die Impulse aus der Praxis aufnehmen können. Ich kann hier für meine Fraktion sprechen: Wir sind bei der Beurteilung der Notwendigkeit noch lange nicht am Ende der Beratungen angelangt.

(Beifall der Abg. Elisabeth Winkelmeier- Becker [CDU/CSU])

Am Ende, meine Damen, meine Herren, noch ein Punkt, der mich bewegt – auch das wurde als Kritik geäußert –: Es hieß, dieser Gesetzentwurf komme zu schnell, er sei mit heißer Nadel gestrickt, man habe keinerlei Beteiligungsmöglichkeit gehabt. – Das ist nicht richtig. Kollegin Keul, Sie haben vorhin gesagt, am Dienstagnachmittag seien noch umfassende Änderungen vorgelegt worden. Das stimmt einfach nicht. Das waren redaktionelle Änderungen, die wirklich in einem überschaubaren Rahmen stattgefunden haben.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)

Wir hatten insgesamt ein sehr fruchtbares Beteiligungsverfahren. Wir hatten eine gute Anhörung. Kollegin Keul, auch wir beide hatten ein sehr gutes Gespräch – das können Sie nicht bestreiten –, und Anregungen von Ihnen aus diesem Gespräch habe ich in die weitere Beratung einfließen lassen.

Darf die Kollegin Keul eine Zwischenbemerkung machen oder eine Zwischenfrage stellen?

Aber sehr gerne.

Sie zwingen mich jetzt geradezu, mich noch einmal zu melden und eine Zwischenbemerkung zu machen. Es ist völlig unstreitig, dass wir über den Kabinettsentwurf, wie er vorlag, Gespräche geführt haben, dass wir ihn beraten haben – auch wir beide –, was zu dem Ergebnis geführt hat, dass tatsächlich Fehler beseitigt wurden. Meines Erachtens zeigt das, dass ein parlamentarisches ordnungsgemäßes Verfahren seinen Sinn hat und dass wir uns daran auch halten sollten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Freitagmittag um 12 Uhr war die Frist abgelaufen, bis zu der dem Rechtsausschuss die Änderungen am Kabinettsentwurf hätten vorliegen müssen; wir haben sie am Dienstagnachmittag bekommen. Diese Änderungen sind umfangreich und komplex. Ich habe zu § 201 a StGB viel gesagt. Sämtliche Änderungen sind über das Wochenende, also in letzter Minute, gestrickt worden, und wir mussten am Mittwoch beschließen. Das ist kein ordnungsgemäßes parlamentarisches Verfahren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich gehe davon aus, dass der eine oder andere Fehler möglicherweise hätte korrigiert werden können, wenn wir uns gründlich und vernünftig über diese Änderungsvorschläge unterhalten hätten.

Danke für dieses Statement. – Es war im Kern doch so – Sie haben es gerade angesprochen –, dass am Freitagnachmittag der Gesetzentwurf vorlag. Die umfassende Änderung, von der Sie vorhin gesprochen haben, war die Streichung des Wortes „unbefugt“. Ich denke, wir haben mit Hilfestellung des Kommentars dargelegt, was die Begrifflichkeit „unbefugt“ bedeutet. – Ich habe befürchtet, dass die Ausschussvorsitzende auch noch eine Frage hat, Herr Präsident.

Nein. Sie wollte nur hilfreich sein, um darauf hinzuweisen, dass sich Frau Keul zur Entgegennahme der Beantwortung ihrer Zwischenfrage vielleicht freundlicherweise von ihrem Platz erhebt.

(Heiterkeit – Renate Künast [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Nein, ich wollte schon eine Zwischenfrage stellen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Ende.

(Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich erneut zu einer Zwischenfrage)

– Herr Präsident, Frau Künast möchte doch eine Zwischenfrage stellen.

Und Sie machen den Eindruck, als wollten Sie die auch zulassen.

(Heiterkeit)

Sehr gerne.

Bitte schön.

Also, da Sie jetzt gesagt haben, am Freitag seien den Mitgliedern Unterlagen zugegangen, frage ich jetzt: Trifft es zu, dass die Ausschussvorsitzende am Freitag kein Papier bekommen hat, keinen Änderungsantrag, den sie verschicken konnte? Zumindest ich als Ausschussvorsitzende habe davon keine Kenntnis. Ich habe nichts bekommen. Das Ausschusssekretariat hat erst am Dienstag um 15 Uhr und ein paar Minuten eine Vorlage bekommen, die verschickbar ist. Das Ausschusssekretariat hat am Freitagnachmittag Kenntnis davon bekommen, dass es angeblich ein Papier gibt. Das sei aber vertraulich, und es gebe nichts zu verschicken und, und, und.

(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Und da war nicht nur eine Änderung drin!)

Das ist, glaube ich, an dieser Stelle ein Unterschied, weil ja zu einer guten Beratung auch gehört, dass das Ausschusssekretariat rechtzeitig Änderungsvorlagen verschickt, damit diese dann auch noch zum Beispiel mit Oberstaatsanwälten oder Wissenschaftlern aus der Anhörung besprochen werden können. Diese Möglichkeit gab es von Dienstag, 15 Uhr und ein paar Minuten, bis Mittwoch, 9 Uhr, nicht.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das kann der Kollege doch nicht erklären!)

Vielen Dank für die Frage. – Dazu muss man zum einen sagen: Ich bezweifle, dass die Möglichkeit bestanden hätte, es so weit auszuweiten, wenn das Ausschusssekretariat am Freitag entsprechende Unterlagen vorgelegt bekommen hätte. Zum anderen: Entscheidend ist doch, dass die beteiligten Fraktionen im Ausschuss über die entsprechende Information verfügen. Und das war am Freitag schon der Fall.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das war nicht der Fall! Das war vertraulich, und das war nicht abschließend! – Gegenruf des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Woher soll denn der Kollege das wissen? Er hat doch nichts verschickt!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe es erwähnt: Es ist tatsächlich so, wir haben es eilig. Das will ich gar nicht wegdiskutieren. Denn wir wollen in diesem Gesetzgebungsverfahren – das ist ein ganz wichtiger Punkt – noch in diesem Jahr zum Abschluss kommen. Warum? Die Antwort ist im Grunde ganz einfach: weil jeden Tag, und zwar wirklich jeden Tag, in irgendeinem rumänischen, in irgendeinem bulgarischen Dorf oder woanders auf der Welt wieder jemand aufschlagen kann, der sich das Vertrauen der Kinder und der Eltern erschleicht und dann mit Nacktbildern der Kinder Handel treibt. Solche Menschen werden in Zukunft in Deutschland keine Geschäfte machen. Das sind Geschäftsmodelle, die für uns absolut inakzeptabel sind. Wir werden diesen Markt trockenlegen. Das wird uns gelingen. Deswegen werden wir diesem Gesetzentwurf zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Nächster Redner ist der Kollege Dirk Wiese für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4108024
Wahlperiode 18
Sitzung 67
Tagesordnungspunkt Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht
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