14.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 67 / Tagesordnungspunkt 5

Dirk WieseSPD - Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der nun vorliegende Gesetzentwurf in der durch den Änderungsantrag geänderten Form ist aus meiner Sicht und aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion ein wirkungsvolles Mittel, um bestehende Lücken im Sexualstrafrecht zu schließen, ohne dabei gleichzeitig Gefahr zu laufen, sozialadäquates Verhalten unter Strafe zu stellen.

Mein Kollege Johannes Fechner hat bereits die zentralen Punkte des Entwurfs, was Kinder- und Jugendpornografie angeht, dargestellt. Ich möchte im Folgenden auf vier weitere Themengebiete eingehen, die wir durch das Gesetz neu regeln bzw. wo wir Lücken in der Strafbarkeit schließen.

Erstens. Wir schließen Strafbarkeitslücken beim sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen. Bundesminister Heiko Maas hat das folgende Beispiel bereits in seiner Rede zur ersten Lesung verwendet: Das Oberlandesgericht Koblenz musste im Dezember 2012 einen Lehrer, der sich gezielt an eine 14-jährige Schülerin herangemacht hatte und das Mädchen über fünf Monate letztendlich zum Sex gedrängt hatte, vom Vorwurf des Missbrauchs von Schutzbefohlenen freisprechen. Grund für den Freispruch war einzig und allein, dass der Lehrer das Mädchen nicht regelmäßig unterrichtete und er damit als Vertretungslehrer in keinem sogenannten Obhutsverhältnis zu der Neuntklässlerin stand. Mit der Neufassung bzw. Ergänzung des § 174 Absatz 2 Strafgesetzbuch schließen wir diese Regelungslücke nun. Niemand soll seine Vertrauensstellung ungestraft missbrauchen dürfen; und es ist selbstverständlich, dass es dabei völlig egal sein muss, ob der Täter nun Klassenlehrer ist oder nur vertretungsweise unterrichtet.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zweitens. Wir konkretisieren den Straftatbestand des Cybergroomings. Kurz zur Begriffserklärung: Unter Cybergrooming versteht man die Kontaktaufnahme erwachsener Täter mit Kindern im Internet zur Anbahnung sexueller Handlungen. Die Zahl dieser Fälle nimmt leider immer mehr zu. Laut polizeilicher Kriminalstatistik meines Heimatlandes Nordrhein-Westfalen hatten wir allein im Jahr 2013 eine Steigerung von über 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Bisher konnten Fälle, in denen diese Informationsübertragung ausschließlich über Datenleitungen erfolgte und es zu keiner Zwischenspeicherung kam, nicht sicher erfasst werden. Der Handlungsbedarf ist gerade wegen der steigenden Zahl dieser Fälle besonders hoch. Durch die Neufassung von § 174 Absatz 4 Nummer 3 Strafgesetzbuch haben wir nun den Tatbestand dahin gehend konkretisiert, dass es in solchen Fällen keine Auslegungsprobleme des Tatbestandes mehr gibt. Ich glaube auch, dass die gesetzliche Regelung heute schon Möglichkeiten eröffnet, bei einem Anfangsverdacht weitere Ermittlungsmethoden zu nutzen.

Drittens. Wir nehmen den Straftatbestand der Genitalverstümmelung in den Katalog der Auslandsstraftaten auf. Eines der abscheulichsten Verbrechen an Mädchen und Frauen ist die in verschiedenen afrikanischen und einigen asiatischen Ländern praktizierte Beschneidung aus traditionellen oder rituellen Gründen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Auch an in Deutschland lebenden Migrantinnen aus diesen Ländern wird das Beschneidungsritual teilweise in ihren Herkunftsländern als sogenannte Ferienbeschneidung praktiziert. Eltern fahren dafür extra mit ihren Kindern in die entsprechenden Heimatregionen.

Problem bei der Strafverfolgung dieser im Ausland begangenen Genitalverstümmelungen war bisher, dass eine Strafbarkeit wegen Beihilfe nach deutschem Recht bislang ausschied, sofern keine Vorbereitungshandlung in Deutschland nachweisbar war. Durch Aufnahme des Straftatbestandes der Genitalverstümmelung in den Katalog der Auslandsstraftaten schließen wir diese Strafbarkeitslücke nun – ein wichtiger und entscheidender Schritt bei der Verfolgung dieses abscheulichen Verbrechens.

Viertens. Wir verlängern die Verjährungsfrist bei sexuellem Missbrauch an Kindern oder Jugendlichen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Erfahrungen aus den letzten Jahren haben gezeigt, dass Menschen, die als Jugendliche oder Kinder Opfer sexuellen Missbrauchs wurden, häufig erst nach Jahren in der Lage sind, über das Geschehene zu sprechen. Oftmals sind dann die Taten bereits verjährt. Das konnte man zum Beispiel bei den Missbrauchsfällen sehen, die im Zusammenhang mit der Odenwaldschule stehen. Deshalb ändern wir bei derartigen Straftaten die Verjährungsfrist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, obgleich wir uns der Probleme im Beweisverfahren bewusst sind, die die Fristverlängerung mit sich bringen kann, haben wir uns ganz klar für diese Fristverlängerung entschieden; denn mit ihr senden wir auch ein starkes Signal an die Betroffenen und lassen sie mit ihrem Leid nicht alleine.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Mit unserem Gesetz bekämpfen wir nicht nur die Kinderpornografie, sondern erweitern auch umfangreich den strafrechtlichen Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und sexuellen Übergriffen. Flankiert wird der vorliegende Gesetzentwurf zum Sexualstrafrecht durch das Präventionskonzept „Gemeinsam gegen sexuelle Gewalt“ von Bundesfamilienministerin ManuelaSchwesig, sodass wir am heutigen Tage insgesamt ein gutes Maßnahmenbündel zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vorlegen können.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Christina Schwarzer ist die letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4108025
Wahlperiode 18
Sitzung 67
Tagesordnungspunkt Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht
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