Astrid Timmermann-FechterCDU/CSU - Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf steht für eine Vielzahl von Verbesserungen – Verbesserungen, mit denen wir die häusliche Pflege stärken, Pflegebedürftige unterstützen, die pflegenden Angehörigen entlasten. Das entspricht dem Wunsch vieler Menschen in unserem Land, vor allem vieler Pflegebedürftiger, die so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung bleiben möchten. Dafür führen wir die beiden schon bestehenden Gesetze, das für die Pflegezeit sowie das für die Familienpflegezeit, zusammen und machen sie mit zahlreichen Neuregelungen noch attraktiver.
So haben Arbeitnehmer künftig einen Rechtsanspruch, für die Pflege ihrer Angehörigen die Arbeitszeit über einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten auf mindestens 15 Stunden in der Woche zu reduzieren. Das heißt, der bereits bestehende Rechtsanspruch gemäß Pflegezeitgesetz wird hier auch auf die Familienpflegezeit ausgeweitet. Dieser Rechtsanspruch soll zu Beginn des kommenden Jahres in Kraft treten – ein Rechtsanspruch, der vielen Menschen in unserem Land ein ganz kostbares Gut gibt, nämlich Zeit: Zeit für die Pflege, Zeit für Zuspruch und Trost, Zeit für die kranke Mutter, für den hilfsbedürftigen Vater, für die hochbetagte Großmutter oder den schwer erkrankten Partner, Zeit also für Menschen, die uns lieb und teuer sind, die uns wichtig in unserem Leben sind, denen wir selber vieles verdanken. Darum sind die pflegenden Angehörigen auch bereit, dieses Opfer, das die Pflege ja in der Tat darstellt, für ihre Verwandten zu erbringen.
Dazu zählt neben Zeit und Kraft auch Geld. So müssen Arbeitnehmer bislang meist Gehaltseinbußen in Kauf nehmen, wenn sie im Rahmen des Pflegezeitgesetzes für die kurzfristige Organisation einer Pflegesituation in der Familie die bis zu zehntägige Auszeit nutzen. Die Neuregelung sieht hier nun ein Pflegeunterstützungsgeld vor, mit dem Arbeitnehmer ähnlich wie beim Kinderkrankengeld eine Lohnersatzleistung erhalten, welche zulasten der Pflegekasse des zu pflegenden Angehörigen abgerechnet wird.
Finanzielle Einbußen entstehen aber erst recht, wenn man seine Wochenarbeitszeit langfristig reduzieren muss; denn mit einer 15-Stunden-Woche lässt sich in der Regel der Lebensunterhalt oft nicht bestreiten. Erst recht für eine Familie sind solche finanziellen Belastungen eine extrem hohe Herausforderung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deshalb sieht das Familienpflegezeitgesetz hier ein zinsloses Darlehen vor, um den Verdienstausfall wenigstens zu einem Teil zu kompensieren. Neu ist jedoch, dass dieses Darlehen nun auch für die bis zu sechsmonatige Pflegezeit in Anspruch genommen werden kann. Neu ist auch, dass für dieses Darlehen keine Ausfallversicherung mehr abgeschlossen werden muss. Das Ausfallrisiko trägt hier der Bund allein. Härtefallregelungen sorgen im Falle einer Langzeitarbeitslosigkeit oder im Todesfall für eine soziale Abfederung.
Für die Darlehen sieht der Etat des Bundesfamilienministeriums für das kommende Jahr 1,3 Millionen Euro vor.
Im Zuge der Neuregelung werden im Übrigen auch die Arbeitgeber entlastet. Die Beschäftigten beantragen jetzt nämlich die Darlehen direkt beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Der Arbeitgeber muss keine Wertguthaben mehr für seine Angestellten führen. Hier werden bürokratische Hürden abgebaut.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die teilweise Freistellung von Arbeitnehmern hat zudem den Effekt, dass langfristig den Unternehmen, den Betrieben ihre Fachkräfte mit all ihren wertvollen Kenntnissen erhalten bleiben. Niemand soll seine Arbeit aufgeben müssen, um einen Angehörigen zu versorgen. Das neue Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf sichert somit Fachkräfte – angesichts des demografischen Wandels mit den einhergehenden Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt ein ebenfalls kostbares Gut.
Meine Damen und Herren, es kann für kein Unternehmen von Interesse sein, Mitarbeiter zu beschäftigen, die sich den ganzen Tag über Sorgen machen müssen, was mit ihren pflegebedürftigen Angehörigen passiert. Wer kann da noch gute Leistungen erbringen? Hier ist eine rechtlich klar geregelte Freistellung wesentlich ökonomischer – für alle Beteiligten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Denn einen Pflegebedürftigen zu Hause zu versorgen, ist harte, kräftezehrende Arbeit, die viele Angehörige nicht selten an die Grenzen der Belastbarkeit führt. Dies auch noch mit der eigenen Vollzeitberufstätigkeit zu vereinbaren, ist in aller Regel ein Ding der Unmöglichkeit. Wollen wir, dass sich diese Menschen in solchen Stresssituationen um ihre Angehörigen kümmern müssen? So etwas kann niemand wollen, und es kann auch nicht im Interesse der Gesellschaft sein. Denn wir wünschen uns alle eine menschliche, eine humane Pflege.
Diesem Bedürfnis wollen wir auch mit einer weiteren Neuregelung Rechnung tragen. So sieht der Gesetzesentwurf nämlich auch eine Freistellung für die Begleitung von Angehörigen in ihrer letzten Lebensphase sowie für die Betreuung von pflegebedürftigen schwerkranken Kindern vor, die sich in stationären Einrichtungen befinden. Das ist eine wirkliche Hilfe für viele Menschen in besonders schwierigen Lebenssituationen sowie eine Entlastung, die auch unserem christlichen Menschenbild entspricht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine Damen und Herren, erfreulicherweise leben wir immer länger und werden immer älter. Umso mehr wird aber auch die Pflege langfristig eine immer größere Herausforderung für unsere Gesellschaft. Von den rund 2,6 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden derzeit etwa zwei Drittel zu Hause betreut, ein Großteil davon von Angehörigen. Für das Jahr 2050 erwartet das Statistische Bundesamt sogar 4,5 Millionen Pflegebedürftige. Auch in Zukunft werden also Pflegebedürftige von ihren Angehörigen gepflegt. Deshalb haben wir den Begriff der Angehörigen ausgeweitet. Dieser umfasst künftig auch Stiefeltern, Schwägerinnen und Schwäger oder lebenspartnerschaftsähnliche Gemeinschaften. Damit tragen wir den vielfältigen Lebensmodellen in Deutschland Rechnung – Lebensmodelle, in denen sich Menschen in ihrem Leben gegenseitig begleiten, Lebensmodelle, in denen Partner füreinander einstehen und Pflichten übernehmen. Diese Bereitschaft und diesen Zusammenhalt wollen wir mit der Erweiterung des Angehörigenbegriffes unterstützen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Die Neuausrichtung der beiden Gesetze für die Pflegezeit wie auch für die Familienpflegezeit bietet somit nach dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ eine Vielzahl neuer Möglichkeiten für eine bessere häusliche Pflege – neue Möglichkeiten, die von einer nunmehr größeren Zahl von Angehörigen in Anspruch genommen werden können; auch das entlastet die Familien.
Mit seinen Neuregelungen liefert das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf somit einen weiteren wichtigen Baustein für die Stärkung der Pflege insgesamt. Das ist in dieser Legislaturperiode nicht nur eines der Schwerpunktthemen dieser Koalition, sondern auch für die CDU/CSU ein ganz wesentliches Anliegen. Denn gute Pflege, meine Damen und Herren, ist eben nicht nur eine hervorragende und innovative medizinische Versorgung; das ist vor allem Liebe, Zuneigung und Aufmerksamkeit – eben all das, was Familie und Partnerschaft, was unser Leben überhaupt ausmacht:
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Sönke Rix [SPD])
das verlässliche Füreinander-Einstehen auch in schweren Zeiten. Für dieses Familienbild steht auch die CDU/CSU. Denn Familie ist nicht allein nur dort, wo Kinder sind, sondern vor allem auch dort, wo die Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Ebendieses Familienbild wollen wir mit unserem neuen Gesetzentwurf stärken. Wir wollen die Familie als Verantwortungsgemeinschaft unterstützen, damit sich die Menschen noch besser und flexibler um ihre pflegebedürftigen Angehörigen kümmern können.
Als Gesellschaft können wir gar nicht dankbar genug sein, dass so viele Menschen in unserem Land diesen anstrengenden, oft auch entbehrungsreichen Dienst für ihre Angehörigen erbringen. Familie ist das, was uns prägt und uns Geborgenheit gibt, was uns aufgehoben sein lässt. Wie sich aber die Familien organisieren, müssen wir ihnen selbst überlassen. Der Staat kann hier nur Rahmenbedingungen setzen. Dafür ist das geplante Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf ein sehr gutes, ein hervorragendes Beispiel; denn dieses Gesetz lässt mit seinen flexiblen Wahlmöglichkeiten die Familien mit ihren individuellen Lebensverhältnissen selbst entscheiden, wie sie die Pflege ihrer Angehörigen organisieren wollen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank, Frau Kollegin Timmermann-Fechter. – Nächste Rednerin in der Debatte: Katja Dörner für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4112138 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 67 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf |