Axel KnoerigCDU/CSU - Telemediengesetz - Störerhaftung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute alltäglich, dass wir in allen Lebenslagen online sind: Wir nutzen den Laptop am Flughafen, das Smartphone beim Einkaufen oder das Tablet im Café, um drahtlos im Internet zu surfen.
(Zuruf von der SPD: Vor allen Dingen im Bundestag!)
Dafür werden an vielen Orten WLAN-Netze bereitgestellt.
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Nein!)
Die Oppositionsfraktionen haben nun einen Gesetzentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes vorgelegt. Es geht dabei um die sogenannte Störerhaftung. Diese bezieht sich auf die Inhaber von WLAN-Anschlüssen: Wer seinen Internetzugang anderen zur Verfügung stellt, muss für deren Rechtsverstöße haften. Das betrifft zum Beispiel Familienmitglieder, Mitbewohner, Gäste und Kunden.
Allerdings hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass man nur haften muss, wenn man seine Prüfpflichten verletzt hat. Die Wahrung dieser Pflichten geschieht durch Verschlüsselung und individuelle WLAN-Passwörter sowie durch Einwilligung der Nutzer in eine Datenspeicherung. Die Opposition fordert nun, dass flächendeckend WLAN-Netze für jedermann frei zugänglich sein sollen.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Bundesrat auch!)
Dazu will sie das Haftungsprivileg der Internetprovider auf alle ausweiten, die ihren WLAN-Zugang für weitere Nutzer öffnen.
Ich möchte das derzeitige Haftungsproblem an einem Beispiel aus meinem Wahlkreis Diepholz – Nienburg I veranschaulichen. Dort hat nämlich der Betreiber des Hotels „Roshop“ in Barnstorf den Service der Nutzung des WLAN-Netzes angeboten. Da die Gäste immer wieder illegale Downloads vornehmen, hat er schon zahlreiche Abmahnungen von Rechteinhabern erhalten.
Welche Möglichkeiten hat nun der Hotelier als Anschlussinhaber? Er bietet seinen Gästen den WLAN-Anschluss nicht weiter an und ist somit in der Hotelbranche nicht mehr wettbewerbsfähig.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist der Gesetzgeber gefragt!)
Oder aber, er bietet weiter freien Zugang zum WLAN- Netz an und muss ständig steigende Abmahnkosten bezahlen. Oder drittens, er vergibt an jeden Gastnutzer ein individuelles Passwort und holt zugleich die Einwilligung zur Erfassung der Nutzerdaten ein. Im Falle eines Rechtsverstoßes kann er so nachweisen, wer diesen begangen hat.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder er wählt Grün und Links und kriegt ein gutes Gesetz!)
Für diese Variante hat sich der Hotelier in meinem Wahlkreis entschieden.
Doch selbst dieser bürokratische Aufwand entlässt ihn nicht aus der Haftung. Das ist entscheidend. Als Anschlussinhaber muss er beweisen, dass er jede einzelne betroffene Webseite nicht besucht hat. Das bedeutet ständige Anwaltskosten und zusätzliche Belastungen in einer weiterhin unsicheren Rechtslage.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und deswegen?)
– Und deswegen müssen wir gewerbliche WLAN-Inhaber wie den Hotelier in Barnstorf schützen.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)
In dieser Sache geht es grundsätzlich nicht nur um Urheberrechtsverletzungen, sondern vielmehr um den Datenschutz im Internet insgesamt. Doch das, Herr von Notz, klammern Sie als Opposition in Ihrem Antrag völlig aus.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Bundesrat auch!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zur Verdeutlichung möchte ich eine Zahl nennen, die uns aufschrecken lässt. Im vergangenen Jahr wurden rund 21 Millionen Menschen in Deutschland von Internetkriminellen geschädigt.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hinterwäldlerisch ist das!)
Wir von der Union fordern deshalb verschlüsselte Funknetze; denn im Gegensatz zu offenen Netzen schützen sie vor Hackerangriffen, Wirtschaftsspionage und Datenklau.
Dieses Thema drängt. Die bestehende Rechtslage muss den Entwicklungen im Netz angepasst werden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich ergänze: Internetkriminelle dürfen sich nicht länger hinter den Inhabern von WLAN-Anschlüssen vor Strafverfolgung verstecken können. Deswegen ist die Bundesregierung gefordert, zügig ihren Gesetzentwurf vorzulegen. Wir sagen: Unsere Netzpolitik ist vorausschauend und auch verantwortungsvoll. Wir müssen alle rechtlichen Seiten prüfen, und zwar zusammen mit allen betroffenen Ressorts. Das unterscheidet uns von Ihnen, Herr Notz, da Sie mit Ihrem Antrag im Grunde einen Schnellschuss vorlegen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und vom Bundesrat!)
Wir setzen lieber darauf, zusammen mit allen beteiligten Akteuren einen ausgewogenen, umfassenden Gesetzentwurf zu erarbeiten. Ob Rechteinhaber, Internetprovider, Anschlussinhaber oder WLAN-Nutzer, sie alle müssen in einem Entwurf gleichermaßen berücksichtigt werden. Doch Ihr Entwurf von den Grünen und den Linken geht zulasten der Rechteinhaber und insgesamt zulasten der Datensicherheit. Wir von der Union halten fest: Das geistige Eigentum muss geschützt werden. Es darf keinen Freifahrtschein für Urheberrechtsverletzungen geben. Das ist gerade für den Forschungs- und Wissenschaftsstandort Deutschland außerordentlich wichtig.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ein wichtiger Aspekt beim Thema Störerhaftung ist außerdem die digitale Kompetenz der Nutzer. Jüngsten Studien zufolge ist der Digitalisierungsgrad in Deutschland nur auf mittlerem Niveau. Da müssen wir ansetzen. Wir stehen in der Verantwortung, Internetnutzer aufzuklären, damit sie ihren digitalen Umgang sicherer gestalten. Wir müssen die digitale Bildung und den verantwortungsbewussten Umgang mit IT-Systemen in allen Altersstufen fördern. Schließlich sind in unserer heutigen Welt unsere Daten unser höchstes Gut.
Es wird schon seit Jahren gefordert, auch im Deutschen Bundestag den Internetzugang auf WLAN-Technik auszuweiten.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Allerdings!)
Wir wissen doch, dass hier im Regierungsviertel nicht nur Mobiltelefone, sondern auch WLAN-Netze extrem abhörgefährdet sind.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist der Status quo! Geht ohne WLAN!)
Daher bedarf auch dieses Thema, Herr Notz, einer umsichtigen Debatte.
Genauso muss uns bewusst sein, dass die sichere Vernetzung eine wesentliche Grundlage für unseren wirtschaftlichen Erfolg ist. Unser Ziel ist die bestmögliche IT-Sicherheit zum Schutz unserer Unternehmen.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einfach abschalten! Gar kein Internet!)
Dazu haben wir ein Projekt, das wir als Leuchtturmprojekt herausstellen, nämlich das Zukunftsprojekt Industrie 4.0, das aufzeigt, dass unsere Leitbranchen nur durch weltweite Vernetzung, Digitalisierung und Internet international wettbewerbsfähig bleiben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das alles darf aber nicht dazu führen, dass wir durch falsche oder übertriebene Sicherheitsbedenken Furcht vor Big Data und der Digitalisierung entwickeln; denn dann werden wir, wie unsere Bundeskanzlerin in diesem Jahr auf dem IT-Gipfel vortrefflich formulierte, nicht zu den Wertschöpfungsketten vorstoßen.
(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Das unterscheidet uns von den Grünen!)
Das geplante IT-Sicherheitsgesetz zielt daher auf die richtige Balance zwischen Schutz und Umsetzbarkeit von Sicherheitsstandards ab.
Ich komme zu einem weiteren Aspekt, den der Gesetzentwurf der Opposition vernachlässigt, Herr Notz. Sie haben nämlich völlig vergessen, dass die Haftungsfrage im europäischen Kontext zu sehen ist. Ihr Entwurf verkennt die Tatsache, dass wir es beim Internet mit einem globalen Netz zu tun haben. Alle Äußerungen, die Sie hier gemacht haben, waren lediglich auf nationale Themen fokussiert.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Bemerkung oder Zwischenfrage von Konstantin von Notz?
Herzlich gern.
Gut.
Vielen Dank. Das ist nett. Ich mache es auch kurz, und ich habe mich nur gemeldet, weil Sie mich jetzt dreimal darauf angesprochen haben.
Wissen Sie denn, was die E-Commerce-Richtlinie der Europäischen Union besagt? Ihre Unterscheidung zwischen öffentlichem Hotel-WLAN und privatem WLAN kommt darin überhaupt nicht vor. Gerade weil Sie europäisch denken müssen, müssen Sie freie WLAN-Netze gewährleisten. Das tun Sie aber nicht. Sie regieren jetzt schon so viele Jahre; das sage ich gerade in Richtung der Union. Es ist hinterwäldlerisch, dass in Deutschland diese Regelung noch existiert; vom Bundestag will ich gar nicht reden. In vielen anderen Ländern ist das nicht der Fall. So können Sie nicht argumentieren. Mit Europa brauchen Sie gar nicht zu kommen; das geht genau in die andere Richtung.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Herr von Notz, wir sind uns sicherlich einig, dass wir dann, wenn wir nationale Angelegenheiten durchdenken, als Erstes natürlich den europäischen Markt und dann auch den internationalen Markt in den Blick nehmen müssen. Das heißt im Klartext für unsere Software- und IT-Branche, dass nationale Vorgaben uns auf internationalen Märkten im Grunde genommen hemmen.
Sie haben die europäische E-Commerce-Richtlinie angesprochen.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Wo befindet die sich zurzeit? Wir erwarten jetzt – dabei ist mit „jetzt“ eher gemeint: in ein bis zwei Jahren –, dass der EuGH zu einer Rechtsprechung kommt und uns auf diese Weise hilfreiche Vorgaben gibt.
Es bleibt dabei: Es ist nicht im Interesse deutscher Unternehmungen, wenn wir auf nationalem Feld voranmarschieren; wir müssen es europäisch und international anpacken.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Haftungsfragen, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen in der digitalen Welt auf internationaler Ebene gelöst werden. Sie dürfen nicht bei kleinen nationalen Regelungen enden und einer Umsetzung des europäischen digitalen Binnenmarkts vorgreifen.
Ich wiederhole es gern: Auch der Europäische Gerichtshof beschäftigt sich mit dieser Haftungsproblematik. Sein Urteil wird zur Klärung der Rechtslage beitragen.
Darüber hinaus – das ist nicht im engeren Zusammenhang damit zu sehen, aber im weiteren Zusammenhang damit – muss die EU-Datenschutz-Grundverordnung zügig verabschiedet werden.
Wenn man diese Themen aneinanderreiht, mit einer europäischen Komponente, dann kann auch die nationale Politik hier sinnhaft Vorgaben machen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Knoerig. – Letzter Redner in dieser Debatte: Christian Flisek für die SPD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4112324 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 67 |
Tagesordnungspunkt | Telemediengesetz - Störerhaftung |